Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

unbeachtet stehen laßt. Um wieder auf die Revue des deux mondes zu¬
rückzukommen, so will sie von Neujahr um ihre Berichte über deutsche
Literatur noch erweitern. Ihre Hauptmitarbeiter für dieses Fach sind:
Remo Taillandier, Professor in Montpellier und Thomas, der in den
letzten Heften die Briefe an den Fürsten Metternich geschrieben hat und
der früher einige Zeit in Berlin und Heidelberg lebte. Er ist gegenwär¬
tig supplirender Professor an der Sorbonne.

Theaterneuigkeiten sind wenige zu melden. Emil Devrient hat sein
Lustspiel beendet. Döring ist wieder zurückgekommen und in einem un¬
bedeutenden Stücke "der alte Magister von Bcnedir" aufgetreten. Als
nächster Gast wird Madame Rettich von Wien erwartet. Im Opern¬
hause gab Fraulein Hellwig aus Wien drei Gastrollen, und gefiel nament¬
lich als Page in Figaro's Hochzeit, eine Rolle, die sie wiederholen mußte.
Sie ist eine graciöse liebliche Erscheinung mit sehr schönen Mitteltönen,
die höhere Stimmlage ist ihr jedoch versagt, obgleich sie durch gute Me¬
thode manchen stiefmütterlichen Ton zu verkleiden weiß. Das Engage-
mcntsanerbieten, das der jungen Sängerin gemacht wurde, mußte sie
wegen ihres Contractes am Kärnthnerthoctheater ablehnen und doch ist
es nöthig, daß die berliner Oper einige neue Sängerinnen rekrutirt, die
Tuczeck ist jetzt der einzige Stern der berliner Oper; die Marr soll in
Stuttgart engagirt sein; Madame Faßmann ist völlig ausgesungen. So
fehlt nicht nur eine Sängerin für die Oper im großen Styl, es fehlt
nicht nur eine alternirende große Sängerin, sondern auch die Sängerin¬
nen zweiten Ranges, zur anständigen Besetzung kleinerer Partien und
zur Aushilfe in der Noth, fehlen gänzlich.


II.
Aus Wien.

Der Akadcmieplan, seine Abenteuer und Schicksale.-- Macht der Bureaukra¬
tie. -- Fürst Metternich und Hammer-Purgstall.--- Oesterreichische Widersprüche.
-- Aufschlüsse über die Gesandtschaftsangelegenheit in Hamburg zur Vertheidigung
der hanseatischen Presse. -- Herr von Hormayr. -- Unkenntnis! deutscher Presse.
-- Leichtsinn der Censur.

Der Plan zur Begründung einer Akademie der Wissenschaft und
die Schicksale, die dieser Plan erlitten, sind sehr lehrreiche Beiträge zur
Beurtheilung unserer Zustände. Zwölf Gelehrte ersten Ranges, worunter
einflußreiche und beliebte Männer, wie Hammer (der damals beim Für¬
sten Metternich noch nicht in Ungnade gefallen war), Zaquin und Ettings-
hausen haben bereits vor zehn Jahren den Plan entworfen und dem
Erzherzog Ludwig überreicht. Der Erzherzog, Stellvertreter des Kaisers,
ist ganz geneigt dem Plane und verweist ihn an den obersten Kanzler;
dieser ist bereit, Alles zu unterstützen. Der Finanzminister bietet sich an,
die Mittel herbeizuschaffen, und woran scheitert die Sache, wer halt durch
Jahre das in's Lebentreten eines Instituts auf, für welche ein kaiser¬
licher Prinz, ein Minister, der oberste Kanzler und zwölf der ersten Ge¬
lehrten Oesterreichs sich interessiren? -- Ein verhältnißmäßig ganz unter-


unbeachtet stehen laßt. Um wieder auf die Revue des deux mondes zu¬
rückzukommen, so will sie von Neujahr um ihre Berichte über deutsche
Literatur noch erweitern. Ihre Hauptmitarbeiter für dieses Fach sind:
Remo Taillandier, Professor in Montpellier und Thomas, der in den
letzten Heften die Briefe an den Fürsten Metternich geschrieben hat und
der früher einige Zeit in Berlin und Heidelberg lebte. Er ist gegenwär¬
tig supplirender Professor an der Sorbonne.

Theaterneuigkeiten sind wenige zu melden. Emil Devrient hat sein
Lustspiel beendet. Döring ist wieder zurückgekommen und in einem un¬
bedeutenden Stücke „der alte Magister von Bcnedir" aufgetreten. Als
nächster Gast wird Madame Rettich von Wien erwartet. Im Opern¬
hause gab Fraulein Hellwig aus Wien drei Gastrollen, und gefiel nament¬
lich als Page in Figaro's Hochzeit, eine Rolle, die sie wiederholen mußte.
Sie ist eine graciöse liebliche Erscheinung mit sehr schönen Mitteltönen,
die höhere Stimmlage ist ihr jedoch versagt, obgleich sie durch gute Me¬
thode manchen stiefmütterlichen Ton zu verkleiden weiß. Das Engage-
mcntsanerbieten, das der jungen Sängerin gemacht wurde, mußte sie
wegen ihres Contractes am Kärnthnerthoctheater ablehnen und doch ist
es nöthig, daß die berliner Oper einige neue Sängerinnen rekrutirt, die
Tuczeck ist jetzt der einzige Stern der berliner Oper; die Marr soll in
Stuttgart engagirt sein; Madame Faßmann ist völlig ausgesungen. So
fehlt nicht nur eine Sängerin für die Oper im großen Styl, es fehlt
nicht nur eine alternirende große Sängerin, sondern auch die Sängerin¬
nen zweiten Ranges, zur anständigen Besetzung kleinerer Partien und
zur Aushilfe in der Noth, fehlen gänzlich.


II.
Aus Wien.

Der Akadcmieplan, seine Abenteuer und Schicksale.— Macht der Bureaukra¬
tie. — Fürst Metternich und Hammer-Purgstall.—- Oesterreichische Widersprüche.
— Aufschlüsse über die Gesandtschaftsangelegenheit in Hamburg zur Vertheidigung
der hanseatischen Presse. — Herr von Hormayr. — Unkenntnis! deutscher Presse.
— Leichtsinn der Censur.

Der Plan zur Begründung einer Akademie der Wissenschaft und
die Schicksale, die dieser Plan erlitten, sind sehr lehrreiche Beiträge zur
Beurtheilung unserer Zustände. Zwölf Gelehrte ersten Ranges, worunter
einflußreiche und beliebte Männer, wie Hammer (der damals beim Für¬
sten Metternich noch nicht in Ungnade gefallen war), Zaquin und Ettings-
hausen haben bereits vor zehn Jahren den Plan entworfen und dem
Erzherzog Ludwig überreicht. Der Erzherzog, Stellvertreter des Kaisers,
ist ganz geneigt dem Plane und verweist ihn an den obersten Kanzler;
dieser ist bereit, Alles zu unterstützen. Der Finanzminister bietet sich an,
die Mittel herbeizuschaffen, und woran scheitert die Sache, wer halt durch
Jahre das in's Lebentreten eines Instituts auf, für welche ein kaiser¬
licher Prinz, ein Minister, der oberste Kanzler und zwölf der ersten Ge¬
lehrten Oesterreichs sich interessiren? — Ein verhältnißmäßig ganz unter-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182923"/>
            <p xml:id="ID_1436" prev="#ID_1435"> unbeachtet stehen laßt. Um wieder auf die Revue des deux mondes zu¬<lb/>
rückzukommen, so will sie von Neujahr um ihre Berichte über deutsche<lb/>
Literatur noch erweitern. Ihre Hauptmitarbeiter für dieses Fach sind:<lb/>
Remo Taillandier, Professor in Montpellier und Thomas, der in den<lb/>
letzten Heften die Briefe an den Fürsten Metternich geschrieben hat und<lb/>
der früher einige Zeit in Berlin und Heidelberg lebte. Er ist gegenwär¬<lb/>
tig supplirender Professor an der Sorbonne.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1437"> Theaterneuigkeiten sind wenige zu melden. Emil Devrient hat sein<lb/>
Lustspiel beendet. Döring ist wieder zurückgekommen und in einem un¬<lb/>
bedeutenden Stücke &#x201E;der alte Magister von Bcnedir" aufgetreten. Als<lb/>
nächster Gast wird Madame Rettich von Wien erwartet. Im Opern¬<lb/>
hause gab Fraulein Hellwig aus Wien drei Gastrollen, und gefiel nament¬<lb/>
lich als Page in Figaro's Hochzeit, eine Rolle, die sie wiederholen mußte.<lb/>
Sie ist eine graciöse liebliche Erscheinung mit sehr schönen Mitteltönen,<lb/>
die höhere Stimmlage ist ihr jedoch versagt, obgleich sie durch gute Me¬<lb/>
thode manchen stiefmütterlichen Ton zu verkleiden weiß. Das Engage-<lb/>
mcntsanerbieten, das der jungen Sängerin gemacht wurde, mußte sie<lb/>
wegen ihres Contractes am Kärnthnerthoctheater ablehnen und doch ist<lb/>
es nöthig, daß die berliner Oper einige neue Sängerinnen rekrutirt, die<lb/>
Tuczeck ist jetzt der einzige Stern der berliner Oper; die Marr soll in<lb/>
Stuttgart engagirt sein; Madame Faßmann ist völlig ausgesungen. So<lb/>
fehlt nicht nur eine Sängerin für die Oper im großen Styl, es fehlt<lb/>
nicht nur eine alternirende große Sängerin, sondern auch die Sängerin¬<lb/>
nen zweiten Ranges, zur anständigen Besetzung kleinerer Partien und<lb/>
zur Aushilfe in der Noth, fehlen gänzlich.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> II.<lb/>
Aus Wien.</head><lb/>
            <note type="argument"> Der Akadcmieplan, seine Abenteuer und Schicksale.&#x2014; Macht der Bureaukra¬<lb/>
tie. &#x2014; Fürst Metternich und Hammer-Purgstall.&#x2014;- Oesterreichische Widersprüche.<lb/>
&#x2014; Aufschlüsse über die Gesandtschaftsangelegenheit in Hamburg zur Vertheidigung<lb/>
der hanseatischen Presse. &#x2014; Herr von Hormayr. &#x2014; Unkenntnis! deutscher Presse.<lb/>
&#x2014; Leichtsinn der Censur.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1438" next="#ID_1439"> Der Plan zur Begründung einer Akademie der Wissenschaft und<lb/>
die Schicksale, die dieser Plan erlitten, sind sehr lehrreiche Beiträge zur<lb/>
Beurtheilung unserer Zustände. Zwölf Gelehrte ersten Ranges, worunter<lb/>
einflußreiche und beliebte Männer, wie Hammer (der damals beim Für¬<lb/>
sten Metternich noch nicht in Ungnade gefallen war), Zaquin und Ettings-<lb/>
hausen haben bereits vor zehn Jahren den Plan entworfen und dem<lb/>
Erzherzog Ludwig überreicht. Der Erzherzog, Stellvertreter des Kaisers,<lb/>
ist ganz geneigt dem Plane und verweist ihn an den obersten Kanzler;<lb/>
dieser ist bereit, Alles zu unterstützen. Der Finanzminister bietet sich an,<lb/>
die Mittel herbeizuschaffen, und woran scheitert die Sache, wer halt durch<lb/>
Jahre das in's Lebentreten eines Instituts auf, für welche ein kaiser¬<lb/>
licher Prinz, ein Minister, der oberste Kanzler und zwölf der ersten Ge¬<lb/>
lehrten Oesterreichs sich interessiren? &#x2014; Ein verhältnißmäßig ganz unter-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0500] unbeachtet stehen laßt. Um wieder auf die Revue des deux mondes zu¬ rückzukommen, so will sie von Neujahr um ihre Berichte über deutsche Literatur noch erweitern. Ihre Hauptmitarbeiter für dieses Fach sind: Remo Taillandier, Professor in Montpellier und Thomas, der in den letzten Heften die Briefe an den Fürsten Metternich geschrieben hat und der früher einige Zeit in Berlin und Heidelberg lebte. Er ist gegenwär¬ tig supplirender Professor an der Sorbonne. Theaterneuigkeiten sind wenige zu melden. Emil Devrient hat sein Lustspiel beendet. Döring ist wieder zurückgekommen und in einem un¬ bedeutenden Stücke „der alte Magister von Bcnedir" aufgetreten. Als nächster Gast wird Madame Rettich von Wien erwartet. Im Opern¬ hause gab Fraulein Hellwig aus Wien drei Gastrollen, und gefiel nament¬ lich als Page in Figaro's Hochzeit, eine Rolle, die sie wiederholen mußte. Sie ist eine graciöse liebliche Erscheinung mit sehr schönen Mitteltönen, die höhere Stimmlage ist ihr jedoch versagt, obgleich sie durch gute Me¬ thode manchen stiefmütterlichen Ton zu verkleiden weiß. Das Engage- mcntsanerbieten, das der jungen Sängerin gemacht wurde, mußte sie wegen ihres Contractes am Kärnthnerthoctheater ablehnen und doch ist es nöthig, daß die berliner Oper einige neue Sängerinnen rekrutirt, die Tuczeck ist jetzt der einzige Stern der berliner Oper; die Marr soll in Stuttgart engagirt sein; Madame Faßmann ist völlig ausgesungen. So fehlt nicht nur eine Sängerin für die Oper im großen Styl, es fehlt nicht nur eine alternirende große Sängerin, sondern auch die Sängerin¬ nen zweiten Ranges, zur anständigen Besetzung kleinerer Partien und zur Aushilfe in der Noth, fehlen gänzlich. II. Aus Wien. Der Akadcmieplan, seine Abenteuer und Schicksale.— Macht der Bureaukra¬ tie. — Fürst Metternich und Hammer-Purgstall.—- Oesterreichische Widersprüche. — Aufschlüsse über die Gesandtschaftsangelegenheit in Hamburg zur Vertheidigung der hanseatischen Presse. — Herr von Hormayr. — Unkenntnis! deutscher Presse. — Leichtsinn der Censur. Der Plan zur Begründung einer Akademie der Wissenschaft und die Schicksale, die dieser Plan erlitten, sind sehr lehrreiche Beiträge zur Beurtheilung unserer Zustände. Zwölf Gelehrte ersten Ranges, worunter einflußreiche und beliebte Männer, wie Hammer (der damals beim Für¬ sten Metternich noch nicht in Ungnade gefallen war), Zaquin und Ettings- hausen haben bereits vor zehn Jahren den Plan entworfen und dem Erzherzog Ludwig überreicht. Der Erzherzog, Stellvertreter des Kaisers, ist ganz geneigt dem Plane und verweist ihn an den obersten Kanzler; dieser ist bereit, Alles zu unterstützen. Der Finanzminister bietet sich an, die Mittel herbeizuschaffen, und woran scheitert die Sache, wer halt durch Jahre das in's Lebentreten eines Instituts auf, für welche ein kaiser¬ licher Prinz, ein Minister, der oberste Kanzler und zwölf der ersten Ge¬ lehrten Oesterreichs sich interessiren? — Ein verhältnißmäßig ganz unter-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/500
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/500>, abgerufen am 28.12.2024.