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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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geordneter Beamter, ein Herr Schmales, Secretär bei der Hofstudien-
Commission! Vor den Augen des Herrn Schmales findet der Plan zur
Akademie keine Gnade und er schlägt dem Erzherzog, dem Minister, dem
obersten Kanzler und allen Uebrigen ein Schnippchen; ich will Euch zei¬
gen, denkt er sich, was ein Beamter in Oesterreich für Macht hat und
so verweist er die Bittschrift an Behörden, die gar nichts damit zu
schassen haben und unter andern sogar an die Direktion der Bankalge¬
falle! Unter diesem Hin- und Herschicken vergehen vier Jahre; endlich
aber, als die meisten Gutachten günstig für den Plan ausfallen, sieht
er sich genöthigt, seiner Macht zu entsagen und überschickte die Acten der
Polizeihofstelle. Ist diese kleine Episode österreichischer Beamtenwirth-
schaft nicht lehrreich ? Ist es schon in einer Angelegenheit, für welche sich
so viele mächtige und einflußreiche Personen bemühen, einem einzelnen
Beamten möglich, durch ein Sandkorn den ganzen Kanal auf eine Zeit¬
lang zu verstopfen, wie erst da, wo ein Einzelner einen Verbesserungs-
plan vorbringt, oder ein Gesuch einleitet; wie erst da, wo eine große
Verwaltungsmaßregel durchgeführt werden soll und ein ganzes Schock
Schenaiche Gelegenheit für ihre Wichtigkeit haben. Wundert man sich
noch, wenn die nöthigsten Reformen in Oesterreich, trotz allen Drängens
von unten, trotz der Einsicht, daß sie nöthig seien, von oben, in der
Mitte stecken bleiben und verjähren und verschlammen?

Doch um nun wieder auf die Akademie zu kommen. Bei der Po¬
lizeihofstelle blieben die Acten gemüthlich ein halbes Jahr liegen. Ord¬
nungsmäßig hatten sie von da, begutachtet oder beschlechtachtet, an den
Staatsrath abgehen müssen. Statt dessen übergab Graf Sedlinitzkv
sämmtliche Papiere dem Fürsten Metternich. Hier blieb die ganze An¬
gelegenheit fünf Jahre liegen. Eine wahre Bagatelle! Wenn man be¬
denkt, daß ein so untergeordneter Beamter, wie Herr Schmales, die
Sache vier Jahre verzögern konnte, so ist es eine erstaunliche An¬
spruchslosigkeit von Seiten Sr. Durchlaucht des Fürsten Staatskanzlers,
nur ein einziges Jahr mehr vorauszuhaben. -- Rührend, aber zugleich
halbkomisch, war es, während dieser langen Jahre Hammer - Purgstall,
den Geburtshelfer und Taufpathen des Äkademieplanes, zu beobachten.
Sein erster Gedanke beim Erwachen war die Akademie, sein letzter Ge¬
danke beim Einschlafen war die Akademie. Wie ein Arzt beim gefähr¬
lichen Kranken jeden Tag sich ängstlich nach dessen Befinden erkundigt,
so konnte man Herrn von Hammer unermüdlich nach dem Befinden sei¬
nes Lieblings sich erkundigen sehen. Wo sind die Acten in diesem Au¬
genblick? was hat Der gesagt? wie hat Jener sich ausgesprochen? Wie
ein eifriger Christ jeden Sonntag die Kirche besucht, so konnte man
Herrn von Hammer jeden Sonntag bei irgend einem Erzherzog, einem
Minister, Staatsrath in Audienz oder in Besuch sehen, um ein Wort
der Erinnerung für seine geliebte Akademie zu sprechen, um Beschleu¬
nigung zu sollicitiren und um die Nothwendigkeit dieser Schöpfung zum
tausendsten Male zu motiviren. Am rührendsten und am traurigsten
war es, Herrn von Hammer zu beobachten, wenn er einmal (was seit
der Ungnade, in die er gefallen, der Fall war) mit dem Fürsten


Armjboten. II. 18"0. gZ

geordneter Beamter, ein Herr Schmales, Secretär bei der Hofstudien-
Commission! Vor den Augen des Herrn Schmales findet der Plan zur
Akademie keine Gnade und er schlägt dem Erzherzog, dem Minister, dem
obersten Kanzler und allen Uebrigen ein Schnippchen; ich will Euch zei¬
gen, denkt er sich, was ein Beamter in Oesterreich für Macht hat und
so verweist er die Bittschrift an Behörden, die gar nichts damit zu
schassen haben und unter andern sogar an die Direktion der Bankalge¬
falle! Unter diesem Hin- und Herschicken vergehen vier Jahre; endlich
aber, als die meisten Gutachten günstig für den Plan ausfallen, sieht
er sich genöthigt, seiner Macht zu entsagen und überschickte die Acten der
Polizeihofstelle. Ist diese kleine Episode österreichischer Beamtenwirth-
schaft nicht lehrreich ? Ist es schon in einer Angelegenheit, für welche sich
so viele mächtige und einflußreiche Personen bemühen, einem einzelnen
Beamten möglich, durch ein Sandkorn den ganzen Kanal auf eine Zeit¬
lang zu verstopfen, wie erst da, wo ein Einzelner einen Verbesserungs-
plan vorbringt, oder ein Gesuch einleitet; wie erst da, wo eine große
Verwaltungsmaßregel durchgeführt werden soll und ein ganzes Schock
Schenaiche Gelegenheit für ihre Wichtigkeit haben. Wundert man sich
noch, wenn die nöthigsten Reformen in Oesterreich, trotz allen Drängens
von unten, trotz der Einsicht, daß sie nöthig seien, von oben, in der
Mitte stecken bleiben und verjähren und verschlammen?

Doch um nun wieder auf die Akademie zu kommen. Bei der Po¬
lizeihofstelle blieben die Acten gemüthlich ein halbes Jahr liegen. Ord¬
nungsmäßig hatten sie von da, begutachtet oder beschlechtachtet, an den
Staatsrath abgehen müssen. Statt dessen übergab Graf Sedlinitzkv
sämmtliche Papiere dem Fürsten Metternich. Hier blieb die ganze An¬
gelegenheit fünf Jahre liegen. Eine wahre Bagatelle! Wenn man be¬
denkt, daß ein so untergeordneter Beamter, wie Herr Schmales, die
Sache vier Jahre verzögern konnte, so ist es eine erstaunliche An¬
spruchslosigkeit von Seiten Sr. Durchlaucht des Fürsten Staatskanzlers,
nur ein einziges Jahr mehr vorauszuhaben. — Rührend, aber zugleich
halbkomisch, war es, während dieser langen Jahre Hammer - Purgstall,
den Geburtshelfer und Taufpathen des Äkademieplanes, zu beobachten.
Sein erster Gedanke beim Erwachen war die Akademie, sein letzter Ge¬
danke beim Einschlafen war die Akademie. Wie ein Arzt beim gefähr¬
lichen Kranken jeden Tag sich ängstlich nach dessen Befinden erkundigt,
so konnte man Herrn von Hammer unermüdlich nach dem Befinden sei¬
nes Lieblings sich erkundigen sehen. Wo sind die Acten in diesem Au¬
genblick? was hat Der gesagt? wie hat Jener sich ausgesprochen? Wie
ein eifriger Christ jeden Sonntag die Kirche besucht, so konnte man
Herrn von Hammer jeden Sonntag bei irgend einem Erzherzog, einem
Minister, Staatsrath in Audienz oder in Besuch sehen, um ein Wort
der Erinnerung für seine geliebte Akademie zu sprechen, um Beschleu¬
nigung zu sollicitiren und um die Nothwendigkeit dieser Schöpfung zum
tausendsten Male zu motiviren. Am rührendsten und am traurigsten
war es, Herrn von Hammer zu beobachten, wenn er einmal (was seit
der Ungnade, in die er gefallen, der Fall war) mit dem Fürsten


Armjboten. II. 18«0. gZ
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/501>, abgerufen am 24.11.2024.