Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.T a g e b u eh. i Ans Schwabe". Berliner und Schwaben. -- Enttäuschung. -- Adelige Kreise- -- Theater. -- Gesellschaft in Wildbad. -- Minister Wangenheim. --'Tübingen und die Univer¬ sität. -- Mohl, Bischer, Uhland. Dem Norddeutschen ergeht es sonderbar mit Schwaben. Einmal T a g e b u eh. i Ans Schwabe». Berliner und Schwaben. — Enttäuschung. — Adelige Kreise- — Theater. — Gesellschaft in Wildbad. — Minister Wangenheim. —'Tübingen und die Univer¬ sität. — Mohl, Bischer, Uhland. Dem Norddeutschen ergeht es sonderbar mit Schwaben. Einmal <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183419"/> </div> </div> <div n="1"> <head> T a g e b u eh.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> i<lb/> Ans Schwabe».</head><lb/> <note type="argument"> Berliner und Schwaben. — Enttäuschung. — Adelige Kreise- — Theater. —<lb/> Gesellschaft in Wildbad. — Minister Wangenheim. —'Tübingen und die Univer¬<lb/> sität. — Mohl, Bischer, Uhland.</note><lb/> <p xml:id="ID_1184" next="#ID_1185"> Dem Norddeutschen ergeht es sonderbar mit Schwaben. Einmal<lb/> umgibt er es in seiner Phantasie mit einem gewissen poetischen Nimbus; das<lb/> andere Mal sieht er irgendwo eine Dummheit begehen, und unwillkürlich<lb/> entfährt demselben Munde: „'s ist ein Schwabenstreich." Nun geschieht<lb/> es leider, daß der Schwabe das erste günstige Borurtheil selten hört und<lb/> nie glaubt, das zweite aber ziemlich häufig lesen und vernehmen muß<lb/> und — vielleicht weil es in mancher Beziehung nicht unwahr ist —<lb/> nie vergessen und vergeben kann. Daher kommt ein großer Theil der<lb/> Bitterkeit, der Zurückhaltung, die er für jeden Norddeutschen, insbeson¬<lb/> dere Preußen hat, dessen gelenkere Zunge ihm ohnedies höchst widerwär¬<lb/> tig und unbequem ist, und von dem er im Stillen doch immer befürch¬<lb/> tet übersehen zu werden. (?) Er laßt sich daher selten, und dann nur<lb/> höchst ungern mit ihm auf irgend eine Streitfrage ein, sondern sitzt<lb/> lieber stundenlang still und verschlossen gegenüber, oder sagt auch hier<lb/> und da, wird er arg gedrängt, sein „Ja", aber sieht er sich wiederum einem<lb/> Schwaben gegenüber, so thaut er urplötzlich wieder auf und laßt seinem<lb/> Aerger über die „Seichtigkeit" des norddeutschen Schwätzers mit unver¬<lb/> kennbarer Wollust freien Lauf. Und das ist wahr, er weiß dann mit<lb/> größter Genauigkeit fast jedes einzelne Wort wiederzugeben, als hätte er<lb/> alle Aussagen vor Gericht zu bringen. Höchst amüsant ist es auch,<lb/> wenn er dieser glücklichen Redegabe seine Gründlichkeit entgegensetzt, an<lb/> die er ebenso fest als an die Unsterblichkeit seiner Seele zu glauben<lb/> scheint. Ja würde Schwaben einmal an einer fixen Idee verrückt, s»<lb/> wär's gewiß über den Glauben an dieses Gut der Gründlichkeit, welches<lb/> sie für so manches Andere entschädigen soll. — Man gibt dem Schwa¬<lb/> ben aus alter Gewohnheit auch so gern die Vorzüge der Offenheit und<lb/> Gemüthlichkeit, aber er mag Alles eher haben, als dies. Im Gegentheil,<lb/> ich finde unser Leben im Norden um Vieles gemüthlicher, und das hat<lb/> mir sogar mancher Schwabe zugegeben, der sich mit unbefangnen Sinn</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0398]
T a g e b u eh.
i
Ans Schwabe».
Berliner und Schwaben. — Enttäuschung. — Adelige Kreise- — Theater. —
Gesellschaft in Wildbad. — Minister Wangenheim. —'Tübingen und die Univer¬
sität. — Mohl, Bischer, Uhland.
Dem Norddeutschen ergeht es sonderbar mit Schwaben. Einmal
umgibt er es in seiner Phantasie mit einem gewissen poetischen Nimbus; das
andere Mal sieht er irgendwo eine Dummheit begehen, und unwillkürlich
entfährt demselben Munde: „'s ist ein Schwabenstreich." Nun geschieht
es leider, daß der Schwabe das erste günstige Borurtheil selten hört und
nie glaubt, das zweite aber ziemlich häufig lesen und vernehmen muß
und — vielleicht weil es in mancher Beziehung nicht unwahr ist —
nie vergessen und vergeben kann. Daher kommt ein großer Theil der
Bitterkeit, der Zurückhaltung, die er für jeden Norddeutschen, insbeson¬
dere Preußen hat, dessen gelenkere Zunge ihm ohnedies höchst widerwär¬
tig und unbequem ist, und von dem er im Stillen doch immer befürch¬
tet übersehen zu werden. (?) Er laßt sich daher selten, und dann nur
höchst ungern mit ihm auf irgend eine Streitfrage ein, sondern sitzt
lieber stundenlang still und verschlossen gegenüber, oder sagt auch hier
und da, wird er arg gedrängt, sein „Ja", aber sieht er sich wiederum einem
Schwaben gegenüber, so thaut er urplötzlich wieder auf und laßt seinem
Aerger über die „Seichtigkeit" des norddeutschen Schwätzers mit unver¬
kennbarer Wollust freien Lauf. Und das ist wahr, er weiß dann mit
größter Genauigkeit fast jedes einzelne Wort wiederzugeben, als hätte er
alle Aussagen vor Gericht zu bringen. Höchst amüsant ist es auch,
wenn er dieser glücklichen Redegabe seine Gründlichkeit entgegensetzt, an
die er ebenso fest als an die Unsterblichkeit seiner Seele zu glauben
scheint. Ja würde Schwaben einmal an einer fixen Idee verrückt, s»
wär's gewiß über den Glauben an dieses Gut der Gründlichkeit, welches
sie für so manches Andere entschädigen soll. — Man gibt dem Schwa¬
ben aus alter Gewohnheit auch so gern die Vorzüge der Offenheit und
Gemüthlichkeit, aber er mag Alles eher haben, als dies. Im Gegentheil,
ich finde unser Leben im Norden um Vieles gemüthlicher, und das hat
mir sogar mancher Schwabe zugegeben, der sich mit unbefangnen Sinn
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