Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kann, durch Faulheit und durch Tüchtigkeit aus; sie suchen sehr gern
vor körperlichen Anstrengungen vorbei zu kommen, halten sie aber,
wenn sie sich nicht vorbei machen können, am besten und leichtesten
aus. In der Kaserne haben die Westphalen gewöhnlich das große
Wort, und prädominiren über ihre Kameraden aus anderen Provin¬
zen; gegen Vorgesetzte sind sie oft störrisch und widerspenstig; vor
Strafen haben sie aber trotzdem große Furcht. Im Falle eines Krie¬
ges werden sie die tüchtigsten, brauchbarsten Soldaten sein, da sie
ihren Kopf und ihr Herz nicht zu Rathe ziehen und ihre Fäuste zu
gebrauchen wissen. Das hat man ja noch neulich in Cöln gesehen,
wo das Soester Bataillon mit wahrer Brutalität auf Knaben und
Greise losgeschlagen hat, zu welcher Heldenthat man die rheinischen
Milizen, welche in Cöln lagen, nicht gebrauchen konnte.

Das Kräftige, aber schwerfällige im Charakter der westfälischen,
ackerbauenden Bevölkerung rührt wohl von den derben, schweren Spei¬
sen her, welche man genießt. Schinken oder vielmehr Speck, große
Bohnen und der weltberühmte Pumpernickel, in ungeheuren Quan¬
titäten genossen, müssen wohl die Phantasie unterdrücken, den Geist
schwerfällig machen, den Körper stärken aber plump gestalten, Der
Schwabe, der Oesterreicher, mag zwischen seinen Reben und Obstgär¬
ten wohl leichten, frischen Sinn's, und poetischer Gefühle fähig sein;
die rothe Erde Westphalens hat noch kehn^ Dichter erzeugt, auf ihr
gerathen die Finsterlinge am besten. Der gesteigerte Verkehr, welcher
die Producte verallgemeinert und den Süddeutschen unsern Schinken
und uns ihren Wein zuführen wird, hebt wohl einst diese Schwer¬
fälligkeit auf; bringt uns zur Kraft des Körpers Leichtigkeit des
Denkens, zur starken Faust erhabene Ideen und verwandelt unsern
starrköpfigen Eigensinn in muthige Consequenz. Dann werden wir
die tauglichsten sein, die Ideen der Zukunft durch unsere starken Fäuste
zu verwirklichen.


III.

Die Eigenthümlichkeiten der ackerbauenden Bevölkerung besitzt die
bürgerliche natürlich größtentheils auch. Dieselbe Schwerfälligkeit,
Faulheit, Biederkeit, Ehrlichkeit findet sich in den Städten, wie auf
dem platten Lande. Münster vorzugsweise, als die Hauptstadt, ver¬
einigt alle jene charakteristischen Züge und Eigenschaften in sich, die


kann, durch Faulheit und durch Tüchtigkeit aus; sie suchen sehr gern
vor körperlichen Anstrengungen vorbei zu kommen, halten sie aber,
wenn sie sich nicht vorbei machen können, am besten und leichtesten
aus. In der Kaserne haben die Westphalen gewöhnlich das große
Wort, und prädominiren über ihre Kameraden aus anderen Provin¬
zen; gegen Vorgesetzte sind sie oft störrisch und widerspenstig; vor
Strafen haben sie aber trotzdem große Furcht. Im Falle eines Krie¬
ges werden sie die tüchtigsten, brauchbarsten Soldaten sein, da sie
ihren Kopf und ihr Herz nicht zu Rathe ziehen und ihre Fäuste zu
gebrauchen wissen. Das hat man ja noch neulich in Cöln gesehen,
wo das Soester Bataillon mit wahrer Brutalität auf Knaben und
Greise losgeschlagen hat, zu welcher Heldenthat man die rheinischen
Milizen, welche in Cöln lagen, nicht gebrauchen konnte.

Das Kräftige, aber schwerfällige im Charakter der westfälischen,
ackerbauenden Bevölkerung rührt wohl von den derben, schweren Spei¬
sen her, welche man genießt. Schinken oder vielmehr Speck, große
Bohnen und der weltberühmte Pumpernickel, in ungeheuren Quan¬
titäten genossen, müssen wohl die Phantasie unterdrücken, den Geist
schwerfällig machen, den Körper stärken aber plump gestalten, Der
Schwabe, der Oesterreicher, mag zwischen seinen Reben und Obstgär¬
ten wohl leichten, frischen Sinn's, und poetischer Gefühle fähig sein;
die rothe Erde Westphalens hat noch kehn^ Dichter erzeugt, auf ihr
gerathen die Finsterlinge am besten. Der gesteigerte Verkehr, welcher
die Producte verallgemeinert und den Süddeutschen unsern Schinken
und uns ihren Wein zuführen wird, hebt wohl einst diese Schwer¬
fälligkeit auf; bringt uns zur Kraft des Körpers Leichtigkeit des
Denkens, zur starken Faust erhabene Ideen und verwandelt unsern
starrköpfigen Eigensinn in muthige Consequenz. Dann werden wir
die tauglichsten sein, die Ideen der Zukunft durch unsere starken Fäuste
zu verwirklichen.


III.

Die Eigenthümlichkeiten der ackerbauenden Bevölkerung besitzt die
bürgerliche natürlich größtentheils auch. Dieselbe Schwerfälligkeit,
Faulheit, Biederkeit, Ehrlichkeit findet sich in den Städten, wie auf
dem platten Lande. Münster vorzugsweise, als die Hauptstadt, ver¬
einigt alle jene charakteristischen Züge und Eigenschaften in sich, die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183400"/>
            <p xml:id="ID_1121" prev="#ID_1120"> kann, durch Faulheit und durch Tüchtigkeit aus; sie suchen sehr gern<lb/>
vor körperlichen Anstrengungen vorbei zu kommen, halten sie aber,<lb/>
wenn sie sich nicht vorbei machen können, am besten und leichtesten<lb/>
aus. In der Kaserne haben die Westphalen gewöhnlich das große<lb/>
Wort, und prädominiren über ihre Kameraden aus anderen Provin¬<lb/>
zen; gegen Vorgesetzte sind sie oft störrisch und widerspenstig; vor<lb/>
Strafen haben sie aber trotzdem große Furcht. Im Falle eines Krie¬<lb/>
ges werden sie die tüchtigsten, brauchbarsten Soldaten sein, da sie<lb/>
ihren Kopf und ihr Herz nicht zu Rathe ziehen und ihre Fäuste zu<lb/>
gebrauchen wissen. Das hat man ja noch neulich in Cöln gesehen,<lb/>
wo das Soester Bataillon mit wahrer Brutalität auf Knaben und<lb/>
Greise losgeschlagen hat, zu welcher Heldenthat man die rheinischen<lb/>
Milizen, welche in Cöln lagen, nicht gebrauchen konnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1122"> Das Kräftige, aber schwerfällige im Charakter der westfälischen,<lb/>
ackerbauenden Bevölkerung rührt wohl von den derben, schweren Spei¬<lb/>
sen her, welche man genießt. Schinken oder vielmehr Speck, große<lb/>
Bohnen und der weltberühmte Pumpernickel, in ungeheuren Quan¬<lb/>
titäten genossen, müssen wohl die Phantasie unterdrücken, den Geist<lb/>
schwerfällig machen, den Körper stärken aber plump gestalten, Der<lb/>
Schwabe, der Oesterreicher, mag zwischen seinen Reben und Obstgär¬<lb/>
ten wohl leichten, frischen Sinn's, und poetischer Gefühle fähig sein;<lb/>
die rothe Erde Westphalens hat noch kehn^ Dichter erzeugt, auf ihr<lb/>
gerathen die Finsterlinge am besten. Der gesteigerte Verkehr, welcher<lb/>
die Producte verallgemeinert und den Süddeutschen unsern Schinken<lb/>
und uns ihren Wein zuführen wird, hebt wohl einst diese Schwer¬<lb/>
fälligkeit auf; bringt uns zur Kraft des Körpers Leichtigkeit des<lb/>
Denkens, zur starken Faust erhabene Ideen und verwandelt unsern<lb/>
starrköpfigen Eigensinn in muthige Consequenz. Dann werden wir<lb/>
die tauglichsten sein, die Ideen der Zukunft durch unsere starken Fäuste<lb/>
zu verwirklichen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> III.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1123" next="#ID_1124"> Die Eigenthümlichkeiten der ackerbauenden Bevölkerung besitzt die<lb/>
bürgerliche natürlich größtentheils auch. Dieselbe Schwerfälligkeit,<lb/>
Faulheit, Biederkeit, Ehrlichkeit findet sich in den Städten, wie auf<lb/>
dem platten Lande. Münster vorzugsweise, als die Hauptstadt, ver¬<lb/>
einigt alle jene charakteristischen Züge und Eigenschaften in sich, die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0379] kann, durch Faulheit und durch Tüchtigkeit aus; sie suchen sehr gern vor körperlichen Anstrengungen vorbei zu kommen, halten sie aber, wenn sie sich nicht vorbei machen können, am besten und leichtesten aus. In der Kaserne haben die Westphalen gewöhnlich das große Wort, und prädominiren über ihre Kameraden aus anderen Provin¬ zen; gegen Vorgesetzte sind sie oft störrisch und widerspenstig; vor Strafen haben sie aber trotzdem große Furcht. Im Falle eines Krie¬ ges werden sie die tüchtigsten, brauchbarsten Soldaten sein, da sie ihren Kopf und ihr Herz nicht zu Rathe ziehen und ihre Fäuste zu gebrauchen wissen. Das hat man ja noch neulich in Cöln gesehen, wo das Soester Bataillon mit wahrer Brutalität auf Knaben und Greise losgeschlagen hat, zu welcher Heldenthat man die rheinischen Milizen, welche in Cöln lagen, nicht gebrauchen konnte. Das Kräftige, aber schwerfällige im Charakter der westfälischen, ackerbauenden Bevölkerung rührt wohl von den derben, schweren Spei¬ sen her, welche man genießt. Schinken oder vielmehr Speck, große Bohnen und der weltberühmte Pumpernickel, in ungeheuren Quan¬ titäten genossen, müssen wohl die Phantasie unterdrücken, den Geist schwerfällig machen, den Körper stärken aber plump gestalten, Der Schwabe, der Oesterreicher, mag zwischen seinen Reben und Obstgär¬ ten wohl leichten, frischen Sinn's, und poetischer Gefühle fähig sein; die rothe Erde Westphalens hat noch kehn^ Dichter erzeugt, auf ihr gerathen die Finsterlinge am besten. Der gesteigerte Verkehr, welcher die Producte verallgemeinert und den Süddeutschen unsern Schinken und uns ihren Wein zuführen wird, hebt wohl einst diese Schwer¬ fälligkeit auf; bringt uns zur Kraft des Körpers Leichtigkeit des Denkens, zur starken Faust erhabene Ideen und verwandelt unsern starrköpfigen Eigensinn in muthige Consequenz. Dann werden wir die tauglichsten sein, die Ideen der Zukunft durch unsere starken Fäuste zu verwirklichen. III. Die Eigenthümlichkeiten der ackerbauenden Bevölkerung besitzt die bürgerliche natürlich größtentheils auch. Dieselbe Schwerfälligkeit, Faulheit, Biederkeit, Ehrlichkeit findet sich in den Städten, wie auf dem platten Lande. Münster vorzugsweise, als die Hauptstadt, ver¬ einigt alle jene charakteristischen Züge und Eigenschaften in sich, die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/379
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/379>, abgerufen am 24.07.2024.