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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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nommer und den Haß des Landes auf sich geladen, warum ihn mit
einem Orden schmücken, da man .weiß, wie sparsam Oesterreich mit
Orden umgeht.*) Beide Nachrichten werden in Galizien einen großen,
aber es ist zu fürchten, sehr ungünstigen Eindruck hervorbringen. Oester¬
reich sollte nicht vergessen, daß Rußland Alles anwendet, um sich die
slavischen Sympathien allenthalben zu sichern.

Gehen wir von diesen traurigen Gedanken auf angenehmere über,
so sei erwähnt, daß nächstens an den Eisenbahnbau über den Semmering
Hand angelegt werden wird, und zwar wird die Bahn nach dem athmo-
sphärischen Princip gebaut werden. Oesterreich, das den ersten Schienen¬
weg aus dem Continente hatte, wird nun auch die erste athmosphärische
Bahn haben. --- Der hiesige Männergesangsverein, der nun wohl eine
der imposantesten Liedertafeln Deutschlands ist, hatte unlängst in Dorn¬
bach bei Wien eine Sängerfährt veranstaltet. Während nun grade im
Freien, umgeben von einer enormen Volksmenge Chöre abgesungen wur¬
den, erschien die ganze kaiserliche Familie mit Ausnahme der regierenden
Kaiserin, und hörten eine Zeit lang mit sichtbarem Vergnügen und der
freundlichsten Herablassung den Gesängen zu. Einige Tage darauf wurde
der Kaiserin, die damals nicht in Dornbach gewesen, an ihrem Namens>
tage eine Serenade in Schönbrunn gebracht, wofür sie dem Fonds deck
Männergesangsvereins dann Fi. überwies.


III.
Aus Hamburg.

Geheimnisse des Irrenhauses. -- Lottounfug. -- Nikolaikirche. --

Wir leben hier jetzt in einer neuen Periode der Caricarurcn und
des Volkshumors, nur daß jene regelmäßig sehr plump und witzlos aus¬
fallen und dieser sich vorzugsweise in der niedern Sphäre des berüch¬
tigten "Hamburger Berges" kund gibt. Besonders hat Jenny Lind,
die noch immer für doppelte Entreepreise zum Aerger aller "guten Pa¬
trioten und Hamburger Bürger" im Stadttheater singt, von den beiden
Unholden auszustehen. Neben dem Actien - Theater der Vorstadt Se.
Pauli gibt es auf dem "Hamburger Berge" noch ein Elysium- und
ein "Harmonia-Theater," wo der Proletarier, Blousenmann oder Pöbe-



D. Red.
*) Hier gibt es allerdings möglicherweise noch einen dritten Fall, wenn nämlich der
Beamte seine Aufgabe vollkommen erfüllte und gerade deshalb in Galizien nicht
länger mehr bleiben kann! So weit sich die Sachen jetzt beurtheilen lassen, fällt
die ganze Wucht der Verantwortlichkeit in diejer traurigen Angelegenheit, nicht
den Unterbeamten, sondern deren damaligen Vorgesetzten zu. Hierüber Mehreres.

nommer und den Haß des Landes auf sich geladen, warum ihn mit
einem Orden schmücken, da man .weiß, wie sparsam Oesterreich mit
Orden umgeht.*) Beide Nachrichten werden in Galizien einen großen,
aber es ist zu fürchten, sehr ungünstigen Eindruck hervorbringen. Oester¬
reich sollte nicht vergessen, daß Rußland Alles anwendet, um sich die
slavischen Sympathien allenthalben zu sichern.

Gehen wir von diesen traurigen Gedanken auf angenehmere über,
so sei erwähnt, daß nächstens an den Eisenbahnbau über den Semmering
Hand angelegt werden wird, und zwar wird die Bahn nach dem athmo-
sphärischen Princip gebaut werden. Oesterreich, das den ersten Schienen¬
weg aus dem Continente hatte, wird nun auch die erste athmosphärische
Bahn haben. -— Der hiesige Männergesangsverein, der nun wohl eine
der imposantesten Liedertafeln Deutschlands ist, hatte unlängst in Dorn¬
bach bei Wien eine Sängerfährt veranstaltet. Während nun grade im
Freien, umgeben von einer enormen Volksmenge Chöre abgesungen wur¬
den, erschien die ganze kaiserliche Familie mit Ausnahme der regierenden
Kaiserin, und hörten eine Zeit lang mit sichtbarem Vergnügen und der
freundlichsten Herablassung den Gesängen zu. Einige Tage darauf wurde
der Kaiserin, die damals nicht in Dornbach gewesen, an ihrem Namens>
tage eine Serenade in Schönbrunn gebracht, wofür sie dem Fonds deck
Männergesangsvereins dann Fi. überwies.


III.
Aus Hamburg.

Geheimnisse des Irrenhauses. — Lottounfug. — Nikolaikirche. —

Wir leben hier jetzt in einer neuen Periode der Caricarurcn und
des Volkshumors, nur daß jene regelmäßig sehr plump und witzlos aus¬
fallen und dieser sich vorzugsweise in der niedern Sphäre des berüch¬
tigten „Hamburger Berges" kund gibt. Besonders hat Jenny Lind,
die noch immer für doppelte Entreepreise zum Aerger aller „guten Pa¬
trioten und Hamburger Bürger" im Stadttheater singt, von den beiden
Unholden auszustehen. Neben dem Actien - Theater der Vorstadt Se.
Pauli gibt es auf dem „Hamburger Berge" noch ein Elysium- und
ein „Harmonia-Theater," wo der Proletarier, Blousenmann oder Pöbe-



D. Red.
*) Hier gibt es allerdings möglicherweise noch einen dritten Fall, wenn nämlich der
Beamte seine Aufgabe vollkommen erfüllte und gerade deshalb in Galizien nicht
länger mehr bleiben kann! So weit sich die Sachen jetzt beurtheilen lassen, fällt
die ganze Wucht der Verantwortlichkeit in diejer traurigen Angelegenheit, nicht
den Unterbeamten, sondern deren damaligen Vorgesetzten zu. Hierüber Mehreres.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/275>, abgerufen am 04.07.2024.