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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Zer Decorationen in Wien einzuschreiten; nach ungar. Gesetz bedarf es
dessen freilich nicht, da kann man sich ein Dutzend Bänder ins Knopf¬
loch stecken, ohne daß Jemand darnach fragt. Viele verzichten auch auf
das wiener Exequatur, weil es hohe Taxen kostet; ob dies auch hier der
Fall ist, weiß ich nicht, obwohl Hr. von Büky nicht zu den reichen Ce>-
valieren gehört. -- Nach dem Vorstehenden begreifen Sie wohl, daß
alle aufgesprengten Gerüchte eine trübe Quelle haben. Man kann sich
"halt" nicht erklären, weshalb? warum? wodurch? diese Auszeichnungen
gegeben wurden und die Salons zerbrachen sich die Köpfe darüber, und
da man nichts fand, mußte der Ausgezeichnete ein Filou sein. Bekannt¬
lich -- heißt es -- Hr. von Büky habe werthvolle Documente, die sich
auf den Ankauf und Besitz bedeutender Ländereien beziehen, gefunden
und sie den betreffenden Parteien in die Hände geliefert. Die Papiere
sollen früher im Besitz des Freiherrn von Thugut gewesen sein, der sich
bekanntlich durch einige Jahre hier aushielt. Thugut war bei Beginn
der franz. Revolution mehrmals in Paris, und es ist sonach wahrschein¬
lich, daß durch seine Vermittelung der Ankauf von Gütern für die fran¬
zösischen Magnaten, Prinzen u. tgi. geschah. Nähere Andeutungen über
den Gesandten und Minister Thugut und über seine Theilnahme an
den franz. Kriegen, findet man in den "Lebensbildern aus dem Befrei¬
ungskriege.

All das Gesagte ist blos Muthmaßung; das Einzige behaupte ich
zedoch zuverlässig, daß all die aufgesprengten Gerüchte von falschen Doku¬
menten, von angemaßten Decorationen, von peinlichen Gerichtsverfahren u.
tgi. zu den müssigen Erfindungen gehören und nächstens darüber wohl
-authentische Auskunft ertheilt wird. So viel man hört, will Hr. von
Büky abreisen und sich in Paris, wohin er von der königl, Familie ge¬
laden wurde, oder in Lucca ansiedeln.


2.
Ungarische Centraleistnbahn.

Gestern Nachmittag um 4 Uhr fand die Eröffnung unserer Bahn,
"on Pesth nach Waitzen, in einer Länge von 4H deutsche Meilen, statt.
Dieser bedeutungsvolle Act des ersten Pulsschlages dieses ersten Eisen-
zweges im Königreiche Ungarn ging ohne äußeres Symbol seiner inne¬
ren Wichtigkeit vor sich. Weder Sang noch Klang, weder Wort noch
Schrift bezeichneten diesen Schöpfungstag einer neuen Handelsaera. --
Der Train fuhr mit beiläufig 8 Wagen, die bei 300 Gäste faßten, nach
Waitzen ab, hielt da eine Stunde und kehrte sodann mit den hungern¬
den und durstenden Insassen (es war nämlich auf den Stationen nicht
einmal für ein Glas Wasser vorgesorgt worden) wieder nach Pesth zu¬
rück. Unter den Gästen befand sich auch Se. k. Hoheit der Erzherzog
Palatin mit der alters. Familie und seinem engern Hofstaate. Von den
Direktoren waren nur 4 anwesend; von den Bahnbeamten, mit Aus¬
nahme der ersten Chefs, war merkwürdiger Weise Niemand geladen.
Der Leiter des Ganzen war der functionirende Directer Graf Franz
Aichy. Die Fahrt, gemacht durch die beiden Locomotiven Pesth und


Zer Decorationen in Wien einzuschreiten; nach ungar. Gesetz bedarf es
dessen freilich nicht, da kann man sich ein Dutzend Bänder ins Knopf¬
loch stecken, ohne daß Jemand darnach fragt. Viele verzichten auch auf
das wiener Exequatur, weil es hohe Taxen kostet; ob dies auch hier der
Fall ist, weiß ich nicht, obwohl Hr. von Büky nicht zu den reichen Ce>-
valieren gehört. — Nach dem Vorstehenden begreifen Sie wohl, daß
alle aufgesprengten Gerüchte eine trübe Quelle haben. Man kann sich
„halt" nicht erklären, weshalb? warum? wodurch? diese Auszeichnungen
gegeben wurden und die Salons zerbrachen sich die Köpfe darüber, und
da man nichts fand, mußte der Ausgezeichnete ein Filou sein. Bekannt¬
lich — heißt es — Hr. von Büky habe werthvolle Documente, die sich
auf den Ankauf und Besitz bedeutender Ländereien beziehen, gefunden
und sie den betreffenden Parteien in die Hände geliefert. Die Papiere
sollen früher im Besitz des Freiherrn von Thugut gewesen sein, der sich
bekanntlich durch einige Jahre hier aushielt. Thugut war bei Beginn
der franz. Revolution mehrmals in Paris, und es ist sonach wahrschein¬
lich, daß durch seine Vermittelung der Ankauf von Gütern für die fran¬
zösischen Magnaten, Prinzen u. tgi. geschah. Nähere Andeutungen über
den Gesandten und Minister Thugut und über seine Theilnahme an
den franz. Kriegen, findet man in den „Lebensbildern aus dem Befrei¬
ungskriege.

All das Gesagte ist blos Muthmaßung; das Einzige behaupte ich
zedoch zuverlässig, daß all die aufgesprengten Gerüchte von falschen Doku¬
menten, von angemaßten Decorationen, von peinlichen Gerichtsverfahren u.
tgi. zu den müssigen Erfindungen gehören und nächstens darüber wohl
-authentische Auskunft ertheilt wird. So viel man hört, will Hr. von
Büky abreisen und sich in Paris, wohin er von der königl, Familie ge¬
laden wurde, oder in Lucca ansiedeln.


2.
Ungarische Centraleistnbahn.

Gestern Nachmittag um 4 Uhr fand die Eröffnung unserer Bahn,
«on Pesth nach Waitzen, in einer Länge von 4H deutsche Meilen, statt.
Dieser bedeutungsvolle Act des ersten Pulsschlages dieses ersten Eisen-
zweges im Königreiche Ungarn ging ohne äußeres Symbol seiner inne¬
ren Wichtigkeit vor sich. Weder Sang noch Klang, weder Wort noch
Schrift bezeichneten diesen Schöpfungstag einer neuen Handelsaera. —
Der Train fuhr mit beiläufig 8 Wagen, die bei 300 Gäste faßten, nach
Waitzen ab, hielt da eine Stunde und kehrte sodann mit den hungern¬
den und durstenden Insassen (es war nämlich auf den Stationen nicht
einmal für ein Glas Wasser vorgesorgt worden) wieder nach Pesth zu¬
rück. Unter den Gästen befand sich auch Se. k. Hoheit der Erzherzog
Palatin mit der alters. Familie und seinem engern Hofstaate. Von den
Direktoren waren nur 4 anwesend; von den Bahnbeamten, mit Aus¬
nahme der ersten Chefs, war merkwürdiger Weise Niemand geladen.
Der Leiter des Ganzen war der functionirende Directer Graf Franz
Aichy. Die Fahrt, gemacht durch die beiden Locomotiven Pesth und


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[0192] Zer Decorationen in Wien einzuschreiten; nach ungar. Gesetz bedarf es dessen freilich nicht, da kann man sich ein Dutzend Bänder ins Knopf¬ loch stecken, ohne daß Jemand darnach fragt. Viele verzichten auch auf das wiener Exequatur, weil es hohe Taxen kostet; ob dies auch hier der Fall ist, weiß ich nicht, obwohl Hr. von Büky nicht zu den reichen Ce>- valieren gehört. — Nach dem Vorstehenden begreifen Sie wohl, daß alle aufgesprengten Gerüchte eine trübe Quelle haben. Man kann sich „halt" nicht erklären, weshalb? warum? wodurch? diese Auszeichnungen gegeben wurden und die Salons zerbrachen sich die Köpfe darüber, und da man nichts fand, mußte der Ausgezeichnete ein Filou sein. Bekannt¬ lich — heißt es — Hr. von Büky habe werthvolle Documente, die sich auf den Ankauf und Besitz bedeutender Ländereien beziehen, gefunden und sie den betreffenden Parteien in die Hände geliefert. Die Papiere sollen früher im Besitz des Freiherrn von Thugut gewesen sein, der sich bekanntlich durch einige Jahre hier aushielt. Thugut war bei Beginn der franz. Revolution mehrmals in Paris, und es ist sonach wahrschein¬ lich, daß durch seine Vermittelung der Ankauf von Gütern für die fran¬ zösischen Magnaten, Prinzen u. tgi. geschah. Nähere Andeutungen über den Gesandten und Minister Thugut und über seine Theilnahme an den franz. Kriegen, findet man in den „Lebensbildern aus dem Befrei¬ ungskriege. All das Gesagte ist blos Muthmaßung; das Einzige behaupte ich zedoch zuverlässig, daß all die aufgesprengten Gerüchte von falschen Doku¬ menten, von angemaßten Decorationen, von peinlichen Gerichtsverfahren u. tgi. zu den müssigen Erfindungen gehören und nächstens darüber wohl -authentische Auskunft ertheilt wird. So viel man hört, will Hr. von Büky abreisen und sich in Paris, wohin er von der königl, Familie ge¬ laden wurde, oder in Lucca ansiedeln. 2. Ungarische Centraleistnbahn. Gestern Nachmittag um 4 Uhr fand die Eröffnung unserer Bahn, «on Pesth nach Waitzen, in einer Länge von 4H deutsche Meilen, statt. Dieser bedeutungsvolle Act des ersten Pulsschlages dieses ersten Eisen- zweges im Königreiche Ungarn ging ohne äußeres Symbol seiner inne¬ ren Wichtigkeit vor sich. Weder Sang noch Klang, weder Wort noch Schrift bezeichneten diesen Schöpfungstag einer neuen Handelsaera. — Der Train fuhr mit beiläufig 8 Wagen, die bei 300 Gäste faßten, nach Waitzen ab, hielt da eine Stunde und kehrte sodann mit den hungern¬ den und durstenden Insassen (es war nämlich auf den Stationen nicht einmal für ein Glas Wasser vorgesorgt worden) wieder nach Pesth zu¬ rück. Unter den Gästen befand sich auch Se. k. Hoheit der Erzherzog Palatin mit der alters. Familie und seinem engern Hofstaate. Von den Direktoren waren nur 4 anwesend; von den Bahnbeamten, mit Aus¬ nahme der ersten Chefs, war merkwürdiger Weise Niemand geladen. Der Leiter des Ganzen war der functionirende Directer Graf Franz Aichy. Die Fahrt, gemacht durch die beiden Locomotiven Pesth und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/192>, abgerufen am 04.07.2024.