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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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er freilich in seiner Stellung als Censor selbst am Besten kennen
mußte, er hat sich auch als Censor bei der Auffassung des Stoffes
bewahrt und Alles ängstlich weggeschnitten, was nur entfernt Veran¬
lassung sein konnte, bei der Sicherheitsbehörde der Literatur den min¬
desten Anstoß zu finden, weßhalb ein hiesiger Kritiker mit Recht sa¬
gen konnte: Es muß dem geistreichen Verfasser unendliche Mühe ge¬
kostet haben, Voltaire so viel Geist zu nehmen, bis er für seinen
dramatischen Zweck unter den gegebenen Verhältnissen verwendbar
war. Bemerkenswerth ist übrigens, daß bei der Darstellung dieses
Stückes wieder einmal offenbar wurde, wie manche unserer sich un¬
fehlbar und unerreicht dünkenden Schauspieler den Namen Voltaire,
der doch in Aller Mund ist, nicht richtig aussprechen können.
"

Im Theater an der Wien ging der "Freischütz von Weber
mit großem äußern Aufwand in die Scene und errang einen glän¬
zenden Suares. Die Fraucnpartien waren in den Händen der
Damen Frankh-Wirmser und Eder. Die Erstgenannte ist eine
ausgezeichnete Sängerin und überraschend schöne Erscheinung, und
hat in früherer Zeit bereits sehr gelungene Proben ihrer Künstler¬
schaft abgelegt, bis sie Ritter von Frankh, der jetzige Redacteur
der "Wiener Zeitschrift" welcher damals das deutsche Theater
in Pesth leitete, chlichte. Frau Frankh-Wirmser hat entschieden
durchgegriffen und wird fortan eine Zierde der Opernbühne an der
Wien bleiben, nachdem es den Ranken der Coulissenwelt gelungen
war, die gefürchtet" Rivalin von der Bühne des Hoftheaters fern zu
halten, wo sie trotz des ausdrücklichen Befehls des Polizeipräsidenten^
keinen Part erhalten konnte.


III.
Ans Pesth.

Einwohnerzahl. Ein Tunnel. -- Baron Sina. -- Die musikalische Saison.
-- Fetialen David. -- Eine Kunstakademie in Aussicht. -. Seidenbau. --
Der künftige Reichstag. -- Deutsche Journalistik. -- Magiarische Dichter.--
Protection. -- Literarisches. -- Neuer Fortschritt der Ungarischen Sprache. --

Unter der Regierung der Kaiserin Maria Theresia hatte unsere
Stadt nur eine Bevölkerung von 12000 Seelen, welche seitdem aber,
von dem Aufschwünge des Handels begünstigt, so beträchtlich ange¬
wachsen ist, daß sie gegenwärtig zu den bedeutendsten Städten der
Monarchie gehört und täglich an Umfang, Menschenzahl und Lebens¬
regung gewinnt. Die von dem Magistrat vorgenommene und nun¬
mehr beendete Zahlung weiset eine Bevölkerung von 88,618 Seelen
aus, worunter 52,727 Katholiken, 4,521 Akatholiken und 10,000
Juden. Unter der genannten Zahl befinden sich auch 21,312 Perso¬
nen, welche als Eingewanderte zu betrachten sind und der dienenden


chen Sujet an unseren jämmerlichen Censurschranken gescheitert, dir
er freilich in seiner Stellung als Censor selbst am Besten kennen
mußte, er hat sich auch als Censor bei der Auffassung des Stoffes
bewahrt und Alles ängstlich weggeschnitten, was nur entfernt Veran¬
lassung sein konnte, bei der Sicherheitsbehörde der Literatur den min¬
desten Anstoß zu finden, weßhalb ein hiesiger Kritiker mit Recht sa¬
gen konnte: Es muß dem geistreichen Verfasser unendliche Mühe ge¬
kostet haben, Voltaire so viel Geist zu nehmen, bis er für seinen
dramatischen Zweck unter den gegebenen Verhältnissen verwendbar
war. Bemerkenswerth ist übrigens, daß bei der Darstellung dieses
Stückes wieder einmal offenbar wurde, wie manche unserer sich un¬
fehlbar und unerreicht dünkenden Schauspieler den Namen Voltaire,
der doch in Aller Mund ist, nicht richtig aussprechen können.
"

Im Theater an der Wien ging der „Freischütz von Weber
mit großem äußern Aufwand in die Scene und errang einen glän¬
zenden Suares. Die Fraucnpartien waren in den Händen der
Damen Frankh-Wirmser und Eder. Die Erstgenannte ist eine
ausgezeichnete Sängerin und überraschend schöne Erscheinung, und
hat in früherer Zeit bereits sehr gelungene Proben ihrer Künstler¬
schaft abgelegt, bis sie Ritter von Frankh, der jetzige Redacteur
der „Wiener Zeitschrift" welcher damals das deutsche Theater
in Pesth leitete, chlichte. Frau Frankh-Wirmser hat entschieden
durchgegriffen und wird fortan eine Zierde der Opernbühne an der
Wien bleiben, nachdem es den Ranken der Coulissenwelt gelungen
war, die gefürchtet« Rivalin von der Bühne des Hoftheaters fern zu
halten, wo sie trotz des ausdrücklichen Befehls des Polizeipräsidenten^
keinen Part erhalten konnte.


III.
Ans Pesth.

Einwohnerzahl. Ein Tunnel. — Baron Sina. — Die musikalische Saison.
— Fetialen David. — Eine Kunstakademie in Aussicht. -. Seidenbau. —
Der künftige Reichstag. — Deutsche Journalistik. — Magiarische Dichter.—
Protection. — Literarisches. — Neuer Fortschritt der Ungarischen Sprache. —

Unter der Regierung der Kaiserin Maria Theresia hatte unsere
Stadt nur eine Bevölkerung von 12000 Seelen, welche seitdem aber,
von dem Aufschwünge des Handels begünstigt, so beträchtlich ange¬
wachsen ist, daß sie gegenwärtig zu den bedeutendsten Städten der
Monarchie gehört und täglich an Umfang, Menschenzahl und Lebens¬
regung gewinnt. Die von dem Magistrat vorgenommene und nun¬
mehr beendete Zahlung weiset eine Bevölkerung von 88,618 Seelen
aus, worunter 52,727 Katholiken, 4,521 Akatholiken und 10,000
Juden. Unter der genannten Zahl befinden sich auch 21,312 Perso¬
nen, welche als Eingewanderte zu betrachten sind und der dienenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/42>, abgerufen am 09.11.2024.