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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Volksklasse angehören. -- Mit unserem Eisenbahnenbau steht ein
großartiges Project in engster Verbindung und nach dem Gutachten
Sachverständiger unterliegt die Ausführbarkeit desselben gar keinem
Zweifel. Wenn demnach die technische Möglichkeit der Sache ge¬
sichert erscheinen mag, so ist dies doch nicht von der finanziellen zu
behaupten und ohne diese würde die erstere bald in ihr Nichts ver¬
sinken. Wir meinen die Idee eines Tunnels, der durch den Fe¬
stungsberg bei Ofen gegraben werden soll und wozu bereits die Er¬
laubniß eingeholt ward, welcher aber einen nicht geringen Aufwand
von Geldmitteln erfordern würde und deßhalb noch ziemlich Problems"
tisch erscheint, trotzdem daß dieses etwas abenteuerliche Project, wie
jeder extravagante Gedanke in Ungarn von der hiesigen Journalistik
sehr heiß und vielseitig besprochen wird. Bei der Ausführung dieser
kostspieligen Idee ist eigentlich Niemand betheiligt, als der Brücken¬
pächter des im Bau begriffenen großen Kettensteges, Baron Sina
in Wien, indem durch die Führung der Bahnlinie durch den Fe¬
stungsberg von Ofen die gesammte Frequenz auf die Kettenbrücke ge¬
leitet würde und der Ertrag derselben mithin sich ins Ungeheure stei¬
gern müßte. Es entsteht nun der Zweifel, ob Baron Sina den ihm
durch dieses theuere Kunststück erwachsenden Wortheil so hoch an¬
schlägt, um die Kosten des kolossalen Tunnels willig zu übernehmen.

Die musikalische Saison hat in dem laufenden Jahre sehr
glänzend begonnen, mit Thalberg und David. Der Erstere fand je¬
nen pflichtmäßigen Enthusiasmus in Bereitschaft, wie er bei uns
stets vorhanden ist, wenn auch das Herz von den lärmenden Ova¬
tionen nicht das Mindeste fühlt; jedenfalls ist der berühmte Klavier-
virtuose befriedigter von bannen gezogen, als von der Residenz, wo er
nach seinen eigenen Aeußerungen mit einer "empörenden Gleichgültig¬
keit" aufgenommen worden. David fand hier wie in Wien eine
höchst ehrenvolle Aufnahme und seine berühmte Wüstensymphonie be¬
friedigte allgemein. David hat einen glücklichen Wurf gethan und von
diesem Wurfe wird er so lange als möglich zu zehren suchen; er ist
eines jener Talente, die durch Enthaltsamkeit gekräftigt, eine plötzliche
That verrichten, welche Staunen erregt, aber unter der Wucht dieser
einzigen That erliegen und nicht die Kraft besitzen ihr einen ebenbür¬
tigen Nachfolger zu geben. Wir erwarten mit dem nächsten Tagen
seinen Landsmann Berlioz. -- Die allgemeine Klage über die Flach¬
heit und Zerfahrenheit der hiesigen Kunstzustände hat doch endlich die
Wirkung gehabt, daß man an eine Verbesserung dieser traurigen Lage
denkt, und die zerstreuten Künstler, welche zersplittert verkümmern, durch
Centralisation zu heben und zu leiten gesonnen ist. Der Maler
Marraston hat von der Staatsregierung die Bewilligung zu der Er¬
richtung einer Akademie der bildenden Künste erhalten, und es sollen
die Statuten derselben in Bälde gedruckt erscheinen. Vor Allem


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Volksklasse angehören. — Mit unserem Eisenbahnenbau steht ein
großartiges Project in engster Verbindung und nach dem Gutachten
Sachverständiger unterliegt die Ausführbarkeit desselben gar keinem
Zweifel. Wenn demnach die technische Möglichkeit der Sache ge¬
sichert erscheinen mag, so ist dies doch nicht von der finanziellen zu
behaupten und ohne diese würde die erstere bald in ihr Nichts ver¬
sinken. Wir meinen die Idee eines Tunnels, der durch den Fe¬
stungsberg bei Ofen gegraben werden soll und wozu bereits die Er¬
laubniß eingeholt ward, welcher aber einen nicht geringen Aufwand
von Geldmitteln erfordern würde und deßhalb noch ziemlich Problems«
tisch erscheint, trotzdem daß dieses etwas abenteuerliche Project, wie
jeder extravagante Gedanke in Ungarn von der hiesigen Journalistik
sehr heiß und vielseitig besprochen wird. Bei der Ausführung dieser
kostspieligen Idee ist eigentlich Niemand betheiligt, als der Brücken¬
pächter des im Bau begriffenen großen Kettensteges, Baron Sina
in Wien, indem durch die Führung der Bahnlinie durch den Fe¬
stungsberg von Ofen die gesammte Frequenz auf die Kettenbrücke ge¬
leitet würde und der Ertrag derselben mithin sich ins Ungeheure stei¬
gern müßte. Es entsteht nun der Zweifel, ob Baron Sina den ihm
durch dieses theuere Kunststück erwachsenden Wortheil so hoch an¬
schlägt, um die Kosten des kolossalen Tunnels willig zu übernehmen.

Die musikalische Saison hat in dem laufenden Jahre sehr
glänzend begonnen, mit Thalberg und David. Der Erstere fand je¬
nen pflichtmäßigen Enthusiasmus in Bereitschaft, wie er bei uns
stets vorhanden ist, wenn auch das Herz von den lärmenden Ova¬
tionen nicht das Mindeste fühlt; jedenfalls ist der berühmte Klavier-
virtuose befriedigter von bannen gezogen, als von der Residenz, wo er
nach seinen eigenen Aeußerungen mit einer „empörenden Gleichgültig¬
keit" aufgenommen worden. David fand hier wie in Wien eine
höchst ehrenvolle Aufnahme und seine berühmte Wüstensymphonie be¬
friedigte allgemein. David hat einen glücklichen Wurf gethan und von
diesem Wurfe wird er so lange als möglich zu zehren suchen; er ist
eines jener Talente, die durch Enthaltsamkeit gekräftigt, eine plötzliche
That verrichten, welche Staunen erregt, aber unter der Wucht dieser
einzigen That erliegen und nicht die Kraft besitzen ihr einen ebenbür¬
tigen Nachfolger zu geben. Wir erwarten mit dem nächsten Tagen
seinen Landsmann Berlioz. — Die allgemeine Klage über die Flach¬
heit und Zerfahrenheit der hiesigen Kunstzustände hat doch endlich die
Wirkung gehabt, daß man an eine Verbesserung dieser traurigen Lage
denkt, und die zerstreuten Künstler, welche zersplittert verkümmern, durch
Centralisation zu heben und zu leiten gesonnen ist. Der Maler
Marraston hat von der Staatsregierung die Bewilligung zu der Er¬
richtung einer Akademie der bildenden Künste erhalten, und es sollen
die Statuten derselben in Bälde gedruckt erscheinen. Vor Allem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/43>, abgerufen am 22.12.2024.