Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.mit Geld und Versprechungen gewonnen worden, bei seiner Ankunft Im Hofburgtheater wurde vor ein paar Tagen das neueste Lust¬ Mren,boten, I. 5
mit Geld und Versprechungen gewonnen worden, bei seiner Ankunft Im Hofburgtheater wurde vor ein paar Tagen das neueste Lust¬ Mren,boten, I. 5
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181851"/> <p xml:id="ID_73" prev="#ID_72"> mit Geld und Versprechungen gewonnen worden, bei seiner Ankunft<lb/> in Mailand die bestimmte Weisung, statt seine Reise nach Florenz<lb/> fortzusetzen, nach Genua zurückzukehren. Auf unserer Börse erregt<lb/> die Nachricht von der Entschließung Seiner Heiligkeit, den Bau einer<lb/> Eisenbahn durch das Gebiet des Kirchenstaates an die neapolitani¬<lb/> sche Grenze zu gestatten, keine geringe Sensation, indem sich die<lb/> Börsenleute mit der Hoffnung schmeicheln, da auch die Actien dieser<lb/> Bahn gleich den übrigen Italiens hierwarts kursfähig sein würden,<lb/> was indeß noch immer einigem Zweifel unterliegt. Dagegen ist es<lb/> nichts weniger als ungewiß, daß es lediglich die nachdrückliche Ver¬<lb/> wendung der österreich. Negierung gewesen, welche die päpstliche Curie<lb/> zu dieser Concession an die Aeitbedürfnisse vermochte, indem sie der¬<lb/> selben vorstellte, daß die Unzufriedenheit der Delegationen wol haupt¬<lb/> sachlich in Folge der Nahrungslosigkeit und des Niederhaltens des in¬<lb/> dustriellen Geistes zu offenbaren Kundgebungen schreite, welche nicht<lb/> blos das Gedeihen und die Ruhe des Kirchenstaates selbst, sondern<lb/> die Ruhe und die Wohlfahrt des gesammten Italiens stören. Auch<lb/> soll die militärische Wichtigkeit eines von der Lombardei bis nach<lb/> Neapel reichenden Schienenweges ins rechte Licht gesetzt worden sein,<lb/> denn durch diese Linie gewonnen alle italienischen Staaten, die das<lb/> gleiche Staatsprincip in^t Oesterreich theilen, eine gewisse solidarische<lb/> Sicherheit gegen jeden Angriff zur See und nur eine Flankirung über<lb/> Piemont könnte diese starke Stellung ernstlich gefährden.</p><lb/> <p xml:id="ID_74" next="#ID_75"> Im Hofburgtheater wurde vor ein paar Tagen das neueste Lust¬<lb/> spiel: Die rothe Schleife „von Deinhardstein" gegeben. Die Hand¬<lb/> lung der Novität berührt das vertraute Verhältniß Voltaires zur<lb/> Marquise Duchatelet und dreht sich hauptsächlich um die Schwierig¬<lb/> keiten, mit welchen der berühmte Schriftsteller bei seiner Wahl in die<lb/> Akademie zu kämpfen hatte und welche auch heut zu Tage nicht viel<lb/> geringer sein mögen. Voltaire macht die Aufnahme in die Akademie<lb/> zur Bedingniß seines Bleibens in Paris, da er eben erst eine höchst<lb/> schmeichelhafte Einladung von Seiten des preußischen Königs nach<lb/> Berlin erhalten hat, und nun läßt die geistreiche Dame alle Federn<lb/> springen, um ihren Schützling in dem Rath der Vierzig einzuschmug¬<lb/> geln, was ihrer List denn auch vollständig gelingt. Der Dialog ist<lb/> voll witziger Dialektik, aber Voltaire selbst erscheint in einer so ab¬<lb/> gefärbten Gestalt, daß der Philosoph des 18. Jahrhunderts, dessen<lb/> Ideen die sociale Umwälzung vorbereiteten, darin kaum zu erkennen<lb/> ist. Zudem wird das Liebesspiel, worin die Art und Weise, wie Vol-<lb/> taire lieben könne, durch die gemeine Bedingniß, welche den Ent¬<lb/> schluß der Neigung zum Resultat der Wahlurne in der akademischen<lb/> Versammlung stempelt, jedes höheren Interesses entlediget und in die<lb/> ordinärste Region des Eigennutzes und der Eitelkeit herabgezogen.<lb/> Deinhardstein ist mit diesem ,u einem Jnttiguenstück ganz vortrcffli-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Mren,boten, I. 5</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
mit Geld und Versprechungen gewonnen worden, bei seiner Ankunft
in Mailand die bestimmte Weisung, statt seine Reise nach Florenz
fortzusetzen, nach Genua zurückzukehren. Auf unserer Börse erregt
die Nachricht von der Entschließung Seiner Heiligkeit, den Bau einer
Eisenbahn durch das Gebiet des Kirchenstaates an die neapolitani¬
sche Grenze zu gestatten, keine geringe Sensation, indem sich die
Börsenleute mit der Hoffnung schmeicheln, da auch die Actien dieser
Bahn gleich den übrigen Italiens hierwarts kursfähig sein würden,
was indeß noch immer einigem Zweifel unterliegt. Dagegen ist es
nichts weniger als ungewiß, daß es lediglich die nachdrückliche Ver¬
wendung der österreich. Negierung gewesen, welche die päpstliche Curie
zu dieser Concession an die Aeitbedürfnisse vermochte, indem sie der¬
selben vorstellte, daß die Unzufriedenheit der Delegationen wol haupt¬
sachlich in Folge der Nahrungslosigkeit und des Niederhaltens des in¬
dustriellen Geistes zu offenbaren Kundgebungen schreite, welche nicht
blos das Gedeihen und die Ruhe des Kirchenstaates selbst, sondern
die Ruhe und die Wohlfahrt des gesammten Italiens stören. Auch
soll die militärische Wichtigkeit eines von der Lombardei bis nach
Neapel reichenden Schienenweges ins rechte Licht gesetzt worden sein,
denn durch diese Linie gewonnen alle italienischen Staaten, die das
gleiche Staatsprincip in^t Oesterreich theilen, eine gewisse solidarische
Sicherheit gegen jeden Angriff zur See und nur eine Flankirung über
Piemont könnte diese starke Stellung ernstlich gefährden.
Im Hofburgtheater wurde vor ein paar Tagen das neueste Lust¬
spiel: Die rothe Schleife „von Deinhardstein" gegeben. Die Hand¬
lung der Novität berührt das vertraute Verhältniß Voltaires zur
Marquise Duchatelet und dreht sich hauptsächlich um die Schwierig¬
keiten, mit welchen der berühmte Schriftsteller bei seiner Wahl in die
Akademie zu kämpfen hatte und welche auch heut zu Tage nicht viel
geringer sein mögen. Voltaire macht die Aufnahme in die Akademie
zur Bedingniß seines Bleibens in Paris, da er eben erst eine höchst
schmeichelhafte Einladung von Seiten des preußischen Königs nach
Berlin erhalten hat, und nun läßt die geistreiche Dame alle Federn
springen, um ihren Schützling in dem Rath der Vierzig einzuschmug¬
geln, was ihrer List denn auch vollständig gelingt. Der Dialog ist
voll witziger Dialektik, aber Voltaire selbst erscheint in einer so ab¬
gefärbten Gestalt, daß der Philosoph des 18. Jahrhunderts, dessen
Ideen die sociale Umwälzung vorbereiteten, darin kaum zu erkennen
ist. Zudem wird das Liebesspiel, worin die Art und Weise, wie Vol-
taire lieben könne, durch die gemeine Bedingniß, welche den Ent¬
schluß der Neigung zum Resultat der Wahlurne in der akademischen
Versammlung stempelt, jedes höheren Interesses entlediget und in die
ordinärste Region des Eigennutzes und der Eitelkeit herabgezogen.
Deinhardstein ist mit diesem ,u einem Jnttiguenstück ganz vortrcffli-
Mren,boten, I. 5
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