Ohnmacht. -- Scribe und Dumas. -- Süße Literatur. -- Victor Hugo un> die Zuckerbäcker. -- Zur Charakteristik Arnold Ruge's. -- Die drei Perioden der Juliregierung. -- Die englischen Gesandten in Paris und in Wien. -- Ein Nothschildischcr Ball und Karl Beck. --
Das abgelaufene Jahr ging wie ein Eunuch zu seinen Walern, unfruchtbar in Politik, wie in Kunst und Literatur: Während daS Guizot'sche Ministerium seinen Alltagsgang dahinschritt, ohne durch einen genialen Zug in der Administration sich auszuzeichnen, zeigte sich auf dem Theater, in den schönen Wissenschaften und Künsten dieselbe Sterilität. Wie wenig Bühnenstücke haben einen glänzenden Erfolg gehabt, wie wenig Partituren haben ein nachhaltiges Leben entwickelt. Meyerbeer, Ander, Adam, Halevy sind stumm geblieben, und nur letzterer bereitet eine neue Oper zur Aufführung vo.r. Auch keine Statue, keine Staffelei von Bedeutung wurde vorgeführt, diese geschäftige Actien- und Jndustriewelt, von augenblicklichen Interessen bewegt, mißtrauisch gegen die Zukunft, sucht höchstens materielle Er¬ holungen und kümmert sich wenig um die geistigen Bewegungen. Sogar Scribe und Alexander Dumas, Schriftsteller, die eben nicht auf die höchsten Richtungen der Poesie hinzielen, haben das Publicum zu wenig ernst gefunden, zu wenig hingebend, um von der National¬ bühne herab zu ihm zu sprechen. An dem ist das Theatre frau?ais eine Mischung von Jnvalidenhaus und Theaterschule geworden, über¬ lebte und beginnende Schauspieler theilen sich die Rollen und die Dar¬ stellungen sind so mittelmäßig wie nur irgend an einem deutschen Hoftheater. Dumas hat sich darum ganz dem Roman zugewendet und Scribe dem Boulevardtheater, wo er wieder Vaudevillesspäße und Coupletswitze schasst wie in seiner ersten Periode.
T a g e u es.
i Aus Paris.
Ohnmacht. — Scribe und Dumas. — Süße Literatur. — Victor Hugo un> die Zuckerbäcker. — Zur Charakteristik Arnold Ruge's. — Die drei Perioden der Juliregierung. — Die englischen Gesandten in Paris und in Wien. — Ein Nothschildischcr Ball und Karl Beck. —
Das abgelaufene Jahr ging wie ein Eunuch zu seinen Walern, unfruchtbar in Politik, wie in Kunst und Literatur: Während daS Guizot'sche Ministerium seinen Alltagsgang dahinschritt, ohne durch einen genialen Zug in der Administration sich auszuzeichnen, zeigte sich auf dem Theater, in den schönen Wissenschaften und Künsten dieselbe Sterilität. Wie wenig Bühnenstücke haben einen glänzenden Erfolg gehabt, wie wenig Partituren haben ein nachhaltiges Leben entwickelt. Meyerbeer, Ander, Adam, Halevy sind stumm geblieben, und nur letzterer bereitet eine neue Oper zur Aufführung vo.r. Auch keine Statue, keine Staffelei von Bedeutung wurde vorgeführt, diese geschäftige Actien- und Jndustriewelt, von augenblicklichen Interessen bewegt, mißtrauisch gegen die Zukunft, sucht höchstens materielle Er¬ holungen und kümmert sich wenig um die geistigen Bewegungen. Sogar Scribe und Alexander Dumas, Schriftsteller, die eben nicht auf die höchsten Richtungen der Poesie hinzielen, haben das Publicum zu wenig ernst gefunden, zu wenig hingebend, um von der National¬ bühne herab zu ihm zu sprechen. An dem ist das Theatre frau?ais eine Mischung von Jnvalidenhaus und Theaterschule geworden, über¬ lebte und beginnende Schauspieler theilen sich die Rollen und die Dar¬ stellungen sind so mittelmäßig wie nur irgend an einem deutschen Hoftheater. Dumas hat sich darum ganz dem Roman zugewendet und Scribe dem Boulevardtheater, wo er wieder Vaudevillesspäße und Coupletswitze schasst wie in seiner ersten Periode.
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i
Aus Paris.
Ohnmacht. — Scribe und Dumas. — Süße Literatur. — Victor Hugo un>
die Zuckerbäcker. — Zur Charakteristik Arnold Ruge's. — Die drei Perioden
der Juliregierung. — Die englischen Gesandten in Paris und in Wien. —
Ein Nothschildischcr Ball und Karl Beck. —
Das abgelaufene Jahr ging wie ein Eunuch zu seinen Walern,
unfruchtbar in Politik, wie in Kunst und Literatur: Während daS
Guizot'sche Ministerium seinen Alltagsgang dahinschritt, ohne durch
einen genialen Zug in der Administration sich auszuzeichnen, zeigte
sich auf dem Theater, in den schönen Wissenschaften und Künsten
dieselbe Sterilität. Wie wenig Bühnenstücke haben einen glänzenden
Erfolg gehabt, wie wenig Partituren haben ein nachhaltiges Leben
entwickelt. Meyerbeer, Ander, Adam, Halevy sind stumm geblieben,
und nur letzterer bereitet eine neue Oper zur Aufführung vo.r. Auch
keine Statue, keine Staffelei von Bedeutung wurde vorgeführt, diese
geschäftige Actien- und Jndustriewelt, von augenblicklichen Interessen
bewegt, mißtrauisch gegen die Zukunft, sucht höchstens materielle Er¬
holungen und kümmert sich wenig um die geistigen Bewegungen.
Sogar Scribe und Alexander Dumas, Schriftsteller, die eben nicht
auf die höchsten Richtungen der Poesie hinzielen, haben das Publicum
zu wenig ernst gefunden, zu wenig hingebend, um von der National¬
bühne herab zu ihm zu sprechen. An dem ist das Theatre frau?ais
eine Mischung von Jnvalidenhaus und Theaterschule geworden, über¬
lebte und beginnende Schauspieler theilen sich die Rollen und die Dar¬
stellungen sind so mittelmäßig wie nur irgend an einem deutschen
Hoftheater. Dumas hat sich darum ganz dem Roman zugewendet
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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/130>, abgerufen am 20.02.2025.
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