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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Ueberreste aus den Seiten des Faustrechts
in Deutschland.



In Frankreich und auf dem deutschen linken Rheinufer sind durch
das Gewitter der Revolution so ziemlich alle aus den Zeiten des
Faustrechts und der Entstehung und Blüthe der Lehnsrechte sich her¬
schreibenden Gewohnheiten, Gebräuche und rechtlichen Verhältnisse
unter Herren und Unterthanen vertilgt worden und verschwunden.
Dagegen trifft man auf der rechten Rheinseite ganz unerwartet noch
auf Rechtsverhältnisse und Gebräuche, welche direct aus der erwähn¬
ten Zeit des Naubritterthums stammen.

Ein Beispiel dieser Art trat mir vor einiger Zeit selbst entgegen.
Ich reiste nämlich Ende Julius d. I. von Hof nach Münchberg.
Im Walde hinter Conradsreuth aus der Hohe traf ich in den Vor¬
mittagsstunden eine Schaar von 18 bis 20 Landleuten, welche sich
ein großes Wachtfeuer gemacht und dabei gelagert hatten. Da ich
schon vorher im Walde einige Trupps solcher Leute gesehen hatte, so
erkundigte ich mich nnn nach der Ursache und dem Zwecke ihres Auf¬
enthalts und Thun und Treibens an diesem Orte und erhielt von
ihnen folgende Auskunft: "Es sei gerade Messe zu Hof, und sowohl
die Gemeinde, zu der sie gehörten, als auch andere in dieser Gegend
liegende Dorfgemeinden wären seit den Zeiten des Faustrechts (dies
waren ihre Worte) verpflichtet, während der Dauer derselben für die
Sicherheit der Straße in dieser Gegend zu sorge", die diese Messe
beziehenden, hier durchkommenden Kaufleute zu beschützen und ihnen
das sogenannte Geleite zu geben. Gerade hier wären zu den be¬
merkten Zeiten öfters Raubanfälle auf die Kaufleute geschehen, wes¬
halb auch dieser Wald "die Untreu" geheißen worden, welchen Na¬
men er noch führe. Dieser Dienst gehe bei den betreffenden Ge¬
meinden der Reihe herum und jede müsse 24 Stunden lang Wache
halten."


Ueberreste aus den Seiten des Faustrechts
in Deutschland.



In Frankreich und auf dem deutschen linken Rheinufer sind durch
das Gewitter der Revolution so ziemlich alle aus den Zeiten des
Faustrechts und der Entstehung und Blüthe der Lehnsrechte sich her¬
schreibenden Gewohnheiten, Gebräuche und rechtlichen Verhältnisse
unter Herren und Unterthanen vertilgt worden und verschwunden.
Dagegen trifft man auf der rechten Rheinseite ganz unerwartet noch
auf Rechtsverhältnisse und Gebräuche, welche direct aus der erwähn¬
ten Zeit des Naubritterthums stammen.

Ein Beispiel dieser Art trat mir vor einiger Zeit selbst entgegen.
Ich reiste nämlich Ende Julius d. I. von Hof nach Münchberg.
Im Walde hinter Conradsreuth aus der Hohe traf ich in den Vor¬
mittagsstunden eine Schaar von 18 bis 20 Landleuten, welche sich
ein großes Wachtfeuer gemacht und dabei gelagert hatten. Da ich
schon vorher im Walde einige Trupps solcher Leute gesehen hatte, so
erkundigte ich mich nnn nach der Ursache und dem Zwecke ihres Auf¬
enthalts und Thun und Treibens an diesem Orte und erhielt von
ihnen folgende Auskunft: „Es sei gerade Messe zu Hof, und sowohl
die Gemeinde, zu der sie gehörten, als auch andere in dieser Gegend
liegende Dorfgemeinden wären seit den Zeiten des Faustrechts (dies
waren ihre Worte) verpflichtet, während der Dauer derselben für die
Sicherheit der Straße in dieser Gegend zu sorge», die diese Messe
beziehenden, hier durchkommenden Kaufleute zu beschützen und ihnen
das sogenannte Geleite zu geben. Gerade hier wären zu den be¬
merkten Zeiten öfters Raubanfälle auf die Kaufleute geschehen, wes¬
halb auch dieser Wald „die Untreu" geheißen worden, welchen Na¬
men er noch führe. Dieser Dienst gehe bei den betreffenden Ge¬
meinden der Reihe herum und jede müsse 24 Stunden lang Wache
halten."


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[0593] Ueberreste aus den Seiten des Faustrechts in Deutschland. In Frankreich und auf dem deutschen linken Rheinufer sind durch das Gewitter der Revolution so ziemlich alle aus den Zeiten des Faustrechts und der Entstehung und Blüthe der Lehnsrechte sich her¬ schreibenden Gewohnheiten, Gebräuche und rechtlichen Verhältnisse unter Herren und Unterthanen vertilgt worden und verschwunden. Dagegen trifft man auf der rechten Rheinseite ganz unerwartet noch auf Rechtsverhältnisse und Gebräuche, welche direct aus der erwähn¬ ten Zeit des Naubritterthums stammen. Ein Beispiel dieser Art trat mir vor einiger Zeit selbst entgegen. Ich reiste nämlich Ende Julius d. I. von Hof nach Münchberg. Im Walde hinter Conradsreuth aus der Hohe traf ich in den Vor¬ mittagsstunden eine Schaar von 18 bis 20 Landleuten, welche sich ein großes Wachtfeuer gemacht und dabei gelagert hatten. Da ich schon vorher im Walde einige Trupps solcher Leute gesehen hatte, so erkundigte ich mich nnn nach der Ursache und dem Zwecke ihres Auf¬ enthalts und Thun und Treibens an diesem Orte und erhielt von ihnen folgende Auskunft: „Es sei gerade Messe zu Hof, und sowohl die Gemeinde, zu der sie gehörten, als auch andere in dieser Gegend liegende Dorfgemeinden wären seit den Zeiten des Faustrechts (dies waren ihre Worte) verpflichtet, während der Dauer derselben für die Sicherheit der Straße in dieser Gegend zu sorge», die diese Messe beziehenden, hier durchkommenden Kaufleute zu beschützen und ihnen das sogenannte Geleite zu geben. Gerade hier wären zu den be¬ merkten Zeiten öfters Raubanfälle auf die Kaufleute geschehen, wes¬ halb auch dieser Wald „die Untreu" geheißen worden, welchen Na¬ men er noch führe. Dieser Dienst gehe bei den betreffenden Ge¬ meinden der Reihe herum und jede müsse 24 Stunden lang Wache halten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/593>, abgerufen am 05.02.2025.