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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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so wird er allmälig abgestumpft, er gewöhnt sich an sein Unglück, er
wird gleichgültig dagegen und trägt zuletzt sogar seinen Buckel mit
einer Art von Triumph, er reißt wohl gar selbst Witze darüber. So¬
bald man erst ein Volk gewöhnt, über seine politischen Höcker zu la¬
chen, dann ist es vorbei mit ihm. Reißt ihm tragisch das Herz auf,
daß es weint und heult, höhnt und geißelt es, daß es kreischt! schlagt
ihm zu Ader, daß sein Herzblut sich regt -- aber freilich das dürft
ihr nicht. Nun denn, so laßt auch das Kitzeln mit dem Strohhalm
weg. Könnt Ihr nicht mit der Scharfe des Schwertes es hauen, so
laßt die flachen Schläge gleichfalls bei Seite. Michel sitzt unten im
Parterre und applaudirt eure politische Phrase, und geht dann nach
Hause, trinkt einen Krug Bier, zieht die Schlafmütze über den Kopf
und legt sich auf's Ohr. Ist es nicht charakteristisch, daß Laube's
"Gottsched und Gellert," das in Leipzig spielt, mit den Worten
schließt: Fortan sei der deutsche Gast bei uns kein Ausländer mehr,
und wenn es vorkäme, daß Preußen dieses je vergäße, so soll man es
laut tadeln an allen Enden Deutschlands................
....... Das Publikum applaudirt diese Phrase mit beiden
Handen, schreit Bravo! und geht dann gemüthlich in's Wirthshaus,
um in der Zeitung zu lesen, wie viel Literaten neuerdings ausgewie¬
sen wurden.


I. K.
IV.
Notizen.

Die Redaction der Grenzboten. - Das Junkerthum in Berlin. -- "Auslän¬
der" unrer den Bankdilleten-

-- Man liest in der Augsburger Allgemeinen in einer Correspendenz
aus Leipzig: "Die kaiserl. österreichische Regierung verweigert dem
Redakteur der Grenzboten, Herrn Ignaz Kuranda, die Erneuerung
seines abgelaufenen Passes, und fordert ihn auf, nach Oesterreich zu¬
rückzukehren, um dort über die Waldung seines Blattes, vorzüglich
auch über einige darin enthaltene, Oesterreich betreffende Artikel Re¬
chenschaft zu geben. Man ist hier darüber um so mehr betroffen, als
sich die Grenzboten zwar als ein entschiedenes Journal mit scharf aus¬
gesprochenen Richtungen zu erkennen geben, aber sich im allgemeinen
durch eine gehaltene und gerecht würdigende Publicistik auszeichnen.
Wie ich höre, ist auch Kuranda, im Vertrauen auf seine gute Sache,
entschlossen, jener Aufforderung Folge zu leisten, und in Wien den
Fragen seiner Regierung Rede zu stehen."

-- Da bringen die Zeitungen eine hochwichtige Nachricht. Ein
vornehmer Hofmann in Berlin, dem der Theaterintendant Hr. v. Küstner
nicht sogleich seine Theatcrwünsche erfüllt hat, sagte beim Herausgehen


so wird er allmälig abgestumpft, er gewöhnt sich an sein Unglück, er
wird gleichgültig dagegen und trägt zuletzt sogar seinen Buckel mit
einer Art von Triumph, er reißt wohl gar selbst Witze darüber. So¬
bald man erst ein Volk gewöhnt, über seine politischen Höcker zu la¬
chen, dann ist es vorbei mit ihm. Reißt ihm tragisch das Herz auf,
daß es weint und heult, höhnt und geißelt es, daß es kreischt! schlagt
ihm zu Ader, daß sein Herzblut sich regt — aber freilich das dürft
ihr nicht. Nun denn, so laßt auch das Kitzeln mit dem Strohhalm
weg. Könnt Ihr nicht mit der Scharfe des Schwertes es hauen, so
laßt die flachen Schläge gleichfalls bei Seite. Michel sitzt unten im
Parterre und applaudirt eure politische Phrase, und geht dann nach
Hause, trinkt einen Krug Bier, zieht die Schlafmütze über den Kopf
und legt sich auf's Ohr. Ist es nicht charakteristisch, daß Laube's
„Gottsched und Gellert," das in Leipzig spielt, mit den Worten
schließt: Fortan sei der deutsche Gast bei uns kein Ausländer mehr,
und wenn es vorkäme, daß Preußen dieses je vergäße, so soll man es
laut tadeln an allen Enden Deutschlands................
....... Das Publikum applaudirt diese Phrase mit beiden
Handen, schreit Bravo! und geht dann gemüthlich in's Wirthshaus,
um in der Zeitung zu lesen, wie viel Literaten neuerdings ausgewie¬
sen wurden.


I. K.
IV.
Notizen.

Die Redaction der Grenzboten. - Das Junkerthum in Berlin. — „Auslän¬
der" unrer den Bankdilleten-

— Man liest in der Augsburger Allgemeinen in einer Correspendenz
aus Leipzig: „Die kaiserl. österreichische Regierung verweigert dem
Redakteur der Grenzboten, Herrn Ignaz Kuranda, die Erneuerung
seines abgelaufenen Passes, und fordert ihn auf, nach Oesterreich zu¬
rückzukehren, um dort über die Waldung seines Blattes, vorzüglich
auch über einige darin enthaltene, Oesterreich betreffende Artikel Re¬
chenschaft zu geben. Man ist hier darüber um so mehr betroffen, als
sich die Grenzboten zwar als ein entschiedenes Journal mit scharf aus¬
gesprochenen Richtungen zu erkennen geben, aber sich im allgemeinen
durch eine gehaltene und gerecht würdigende Publicistik auszeichnen.
Wie ich höre, ist auch Kuranda, im Vertrauen auf seine gute Sache,
entschlossen, jener Aufforderung Folge zu leisten, und in Wien den
Fragen seiner Regierung Rede zu stehen."

— Da bringen die Zeitungen eine hochwichtige Nachricht. Ein
vornehmer Hofmann in Berlin, dem der Theaterintendant Hr. v. Küstner
nicht sogleich seine Theatcrwünsche erfüllt hat, sagte beim Herausgehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/55>, abgerufen am 05.02.2025.