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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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zu ihm: So handelt kein Edelmann! Alle die geistvollen Correspon-
denten, die diese großartige Meldung machen, stemmen dabei schaden¬
froh die Hände in die Seiten und sagen: Man ist begierig was Herr
von Küstncr darauf thun wird? -- Herr von Küstner mag als Inten¬
dant Mißgriffe thun, es ist ihm dies nirgends rücksichtsloser und der¬
ber gesagt worden als in unserem Blatte. Aber wenn die Anmaßung
des Junkerthums einen achtbaren Mann beleidigt, indem sie auf seine
bürgerliche Abkunft anspielt, so ist dies nicht eine vereinzelte Beleidi¬
gung gegen diesen Mann, sondern es ist eine Beleidigung gegen uns
alle, die wir ohne sechszehn Ahnen, ohne Wappenbrief und Kammer-
herrnschlüssel den Anspruch machen, eben so ehrenvoll und noch ehrenvoller
zu handeln als manches Dutzend Vollblutjunker. Und wer von uns würoe
nicht Den zur Thüre herauswerfen, der ihm unter die Nase sagen
würde, ihm sei eine bessere Handlungsweise angeboren? So han¬
delt kein Edelmann! Ja, wie handelt denn einer? Ist man denn in
Berlin, wo die Universitätsprofessoren wieder in mittelalterliche Gewän¬
der gehüllt werden, so ganz und gar ins Mittelalter zurückversetzt, daß
es einen Unterschied zwischen dem Handeln eines Bürgerlichen und
eines Adeligen gibt? Ist etwa Rüxners Turnierbuch noch heute der
civil unserer Ritterschaft? Ist die Lectüre des Don Quirotte
als eine böswillige Schrift in Preußen verboten? So handelt kein
Edelmann? Gott sei Dank, unsere Edelleute handeln jetzt eben so gut
mit Aktien und mit Börsenpapier, wie die Banquiers Abraham, Jsaak
und Jacob. Und wieder andererseits geben die Banquiers Abraham,
Jsaak und Jacob jetzt mehr für ein gutes Gemälde, für eine abge¬
brannte Stadt, für einen guten Tisch aus, als die Freiherrn von
Rittersporn und Ältsabel. Und die hochgeborncn Herren kommen an
diesen guten Tisch und lassen sich's gut schmecken und wenn man sie
in acht Tagen wieder einladet, so handeln sie gar nicht, sondern neh¬
men die Einladung sogleich an.

-- Wir armen Proletarier, die wir tu'ne Hunderttausende in
Bankactien anzulegen haben, bemerken gar nicht, daß gegenwartig zwi¬
schen Dessau und Berlin eine Frage über deutsche Einheit in Schwebe
steht. Die dessauische Regierung hat einem dortigen Banquierhause
die Concession zur Gründung einer deutschen Nationalbank ertheilt.
Preußen aber will keine Concurrenz vor seiner Thüre, die ihr der
königliche Bank die Hegemonie entwinden kann. Es gedenkt also jene
dessauischen Bankbillette als "Ausländer" zu behandln.




Verlag von Fr. Lndw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

zu ihm: So handelt kein Edelmann! Alle die geistvollen Correspon-
denten, die diese großartige Meldung machen, stemmen dabei schaden¬
froh die Hände in die Seiten und sagen: Man ist begierig was Herr
von Küstncr darauf thun wird? — Herr von Küstner mag als Inten¬
dant Mißgriffe thun, es ist ihm dies nirgends rücksichtsloser und der¬
ber gesagt worden als in unserem Blatte. Aber wenn die Anmaßung
des Junkerthums einen achtbaren Mann beleidigt, indem sie auf seine
bürgerliche Abkunft anspielt, so ist dies nicht eine vereinzelte Beleidi¬
gung gegen diesen Mann, sondern es ist eine Beleidigung gegen uns
alle, die wir ohne sechszehn Ahnen, ohne Wappenbrief und Kammer-
herrnschlüssel den Anspruch machen, eben so ehrenvoll und noch ehrenvoller
zu handeln als manches Dutzend Vollblutjunker. Und wer von uns würoe
nicht Den zur Thüre herauswerfen, der ihm unter die Nase sagen
würde, ihm sei eine bessere Handlungsweise angeboren? So han¬
delt kein Edelmann! Ja, wie handelt denn einer? Ist man denn in
Berlin, wo die Universitätsprofessoren wieder in mittelalterliche Gewän¬
der gehüllt werden, so ganz und gar ins Mittelalter zurückversetzt, daß
es einen Unterschied zwischen dem Handeln eines Bürgerlichen und
eines Adeligen gibt? Ist etwa Rüxners Turnierbuch noch heute der
civil unserer Ritterschaft? Ist die Lectüre des Don Quirotte
als eine böswillige Schrift in Preußen verboten? So handelt kein
Edelmann? Gott sei Dank, unsere Edelleute handeln jetzt eben so gut
mit Aktien und mit Börsenpapier, wie die Banquiers Abraham, Jsaak
und Jacob. Und wieder andererseits geben die Banquiers Abraham,
Jsaak und Jacob jetzt mehr für ein gutes Gemälde, für eine abge¬
brannte Stadt, für einen guten Tisch aus, als die Freiherrn von
Rittersporn und Ältsabel. Und die hochgeborncn Herren kommen an
diesen guten Tisch und lassen sich's gut schmecken und wenn man sie
in acht Tagen wieder einladet, so handeln sie gar nicht, sondern neh¬
men die Einladung sogleich an.

— Wir armen Proletarier, die wir tu'ne Hunderttausende in
Bankactien anzulegen haben, bemerken gar nicht, daß gegenwartig zwi¬
schen Dessau und Berlin eine Frage über deutsche Einheit in Schwebe
steht. Die dessauische Regierung hat einem dortigen Banquierhause
die Concession zur Gründung einer deutschen Nationalbank ertheilt.
Preußen aber will keine Concurrenz vor seiner Thüre, die ihr der
königliche Bank die Hegemonie entwinden kann. Es gedenkt also jene
dessauischen Bankbillette als „Ausländer" zu behandln.




Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/56>, abgerufen am 05.02.2025.