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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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zusagt, sich die Leitung eines der ersten und ältesten deutschen Kunst¬
institute anvertraut sehen kann. Uebrigens glaubt man noch immer,
daß gar kein Wechsel eintreten, sondern daß noch Verständigung zwi¬
schen den Actionairen und der bisherigen Direction erfolgen werde.
Letztere behauptet, unter den jetzigen Bedingungen, namentlich wegen
der schweren Concurrenz mit dem Thaliatheater, die Bühne nicht wei¬
ter fortführen zu können. Die Stellung des Stadttheatcrs mit dem
enormen Kostenetat und dem merklich verringerten Besuche -- wenn
nicht gerade etwas Außerordentliches seine Zugkraft entwickelt -- ist
allerdings schwieriger als früher; doch das Bühnenglück zieht abwech¬
selnd von dem einen Alstcruser zum andern hinüber. Augenblicklich
hatte das Thaliatheatcr das Uebergewicht und eine erstaunliche Reihe-
folge gefüllter Häuser, namentlich veranlaßt durch die Gesangsvortrage
der italienischen Altistin Mariette Albani, durch die Vorführung der
kläglichen Pivce "der ewige Jude" und durch die in ihrer Art vor¬
züglichen Leistungen der Lehmann'sehen Gesellschaft von Pantomimi-
kern und Gymnastikern. -- Im Stadttheater wurde mit ungewöhn¬
lich gutem Erfolg gegeben "Graf Waldron oder Subordination", eine
Novantike, die ursprünglich den längstverstorbenen Schauspieler Heinr.
Möller zum Verfasser hat. Dieser war früher zwei Jahre Offizier
gewesen, ließ jenes Drama im Jahre 1776 zu Prag aufführen und
soll dort selbst die Rolle des Auditeurs darin gegeben haben. Mad.
Birch-Pfeiffer hat sich über das alte Stück -- welches überhaupt
mehrfach zu Opern und zu Schauspielen benutzt worden -- herge¬
macht, hat es gekürzt, zurechtgestutzt, den Dialog gesellt und so das
Ganze, mit einigen wenigen eigenen Zuthaten, der jetzigen Generation
wieder aufgetischt.

Im nächsten Jahre werden wir hier, nach langer Pause, wieder
eine große Gemäldeausstellung haben, wozu schon Vorbereitungen ge¬
troffen werden.


V.
Notizen.

Schauspieler und Literaten. -- Die Mysterien der Sahara. -- Rom und
Petersburg. -- Ein Vorschlag in Güte. -- Glückliches Deutschland.

-- Ueber die neuen Berliner Theatergesetze hat man von meh¬
ren Seiten ein furchtbares Wehgeschrei erhoben, so daß ein Korre¬
spondent aus Berlin für nöthig fand, sie in der Augsburger Allge¬
meinen zu vertheidigen. In der That haben ahnliche Ordonnanzen
schon früher bestanden und bestehen noch in Wien, Dresden und an¬
dern Hoftheatern; nur ist man selten hart genug, sie buchstäblich in
Anwendung zu bringen. Berlin wird, wie es scheint, die Sache
ernst nehmen, was aber nur consequent und dem streng gesetzlichen
Geist der preußischen Verwaltung ganz angemessen ist. Freilich wer¬
den die zarten Seelen und die schönen Geister lamentiren; es empört
sie der Gedanke, daß ein erster Liebhaber soll in den Fall kommen


zusagt, sich die Leitung eines der ersten und ältesten deutschen Kunst¬
institute anvertraut sehen kann. Uebrigens glaubt man noch immer,
daß gar kein Wechsel eintreten, sondern daß noch Verständigung zwi¬
schen den Actionairen und der bisherigen Direction erfolgen werde.
Letztere behauptet, unter den jetzigen Bedingungen, namentlich wegen
der schweren Concurrenz mit dem Thaliatheater, die Bühne nicht wei¬
ter fortführen zu können. Die Stellung des Stadttheatcrs mit dem
enormen Kostenetat und dem merklich verringerten Besuche — wenn
nicht gerade etwas Außerordentliches seine Zugkraft entwickelt — ist
allerdings schwieriger als früher; doch das Bühnenglück zieht abwech¬
selnd von dem einen Alstcruser zum andern hinüber. Augenblicklich
hatte das Thaliatheatcr das Uebergewicht und eine erstaunliche Reihe-
folge gefüllter Häuser, namentlich veranlaßt durch die Gesangsvortrage
der italienischen Altistin Mariette Albani, durch die Vorführung der
kläglichen Pivce „der ewige Jude" und durch die in ihrer Art vor¬
züglichen Leistungen der Lehmann'sehen Gesellschaft von Pantomimi-
kern und Gymnastikern. — Im Stadttheater wurde mit ungewöhn¬
lich gutem Erfolg gegeben „Graf Waldron oder Subordination", eine
Novantike, die ursprünglich den längstverstorbenen Schauspieler Heinr.
Möller zum Verfasser hat. Dieser war früher zwei Jahre Offizier
gewesen, ließ jenes Drama im Jahre 1776 zu Prag aufführen und
soll dort selbst die Rolle des Auditeurs darin gegeben haben. Mad.
Birch-Pfeiffer hat sich über das alte Stück — welches überhaupt
mehrfach zu Opern und zu Schauspielen benutzt worden — herge¬
macht, hat es gekürzt, zurechtgestutzt, den Dialog gesellt und so das
Ganze, mit einigen wenigen eigenen Zuthaten, der jetzigen Generation
wieder aufgetischt.

Im nächsten Jahre werden wir hier, nach langer Pause, wieder
eine große Gemäldeausstellung haben, wozu schon Vorbereitungen ge¬
troffen werden.


V.
Notizen.

Schauspieler und Literaten. — Die Mysterien der Sahara. — Rom und
Petersburg. — Ein Vorschlag in Güte. — Glückliches Deutschland.

— Ueber die neuen Berliner Theatergesetze hat man von meh¬
ren Seiten ein furchtbares Wehgeschrei erhoben, so daß ein Korre¬
spondent aus Berlin für nöthig fand, sie in der Augsburger Allge¬
meinen zu vertheidigen. In der That haben ahnliche Ordonnanzen
schon früher bestanden und bestehen noch in Wien, Dresden und an¬
dern Hoftheatern; nur ist man selten hart genug, sie buchstäblich in
Anwendung zu bringen. Berlin wird, wie es scheint, die Sache
ernst nehmen, was aber nur consequent und dem streng gesetzlichen
Geist der preußischen Verwaltung ganz angemessen ist. Freilich wer¬
den die zarten Seelen und die schönen Geister lamentiren; es empört
sie der Gedanke, daß ein erster Liebhaber soll in den Fall kommen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/428>, abgerufen am 05.02.2025.