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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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fparnissen und Verbesserungen des Staatshaushaltes, kurz ein bunter
Haufe von Wünschen, Hoffnungen, Entwürfen, Aussichten und Ver¬
sicherungen, welches Alles wir seit Jahren, namentlich aber seit der
Brandkatastrophe angehäuft haben. -- Mit der Geldkrisis waren auch
häufige Angrisse wider unsere Bank verbunden, welcher ein thätiges
Eingreifen zur Beförderung der Gcldcirculation, bei Verlegenheiten
wie die jetzt überstandenen, auch wirklich nicht nachgerühmt werden
kann. Die einzige ungewöhnliche Hülfe, die jüngst von der Bank
geleistet wurde, bestand darin, daß sie auf Münzsorten Vorschuß lei¬
stete, welche sonst von ihr nicht accevrirt wurden, z. B. auf Species,
preußische Thaler, Fünffrankenstücke u. f. w. -- In unserer mercan-
tilischen Welt sind jetzt die Fallissements so recht an der Tagesord¬
nung. Das Bankerottiren scheint hier kaum noch mit dem Begriffe
der Unehre verbunden zu sein. Leute, die heute "eingekommen" sind
-- wie ein hier besonders im Volksmunde gebräuchlicher Ausdruck
lautet -- lassen sich morgen schon wieder wohlgemuth an der Börse
und in der Gesellschaft sehen. Ein unbescholtener Name wird so et¬
was Gleichgültiges. Mit dem Verlust desselben wird oft der Grund
zu einem glänzenderen Leben gelegt, als man bis dahin geführt. Un¬
ser Trost ist jedoch, daß der Großhandel sich sehr ehrenfest und wacker
halt. Er ist die Säule von Hamburgs mercanrilischer Wichtigkeit
und Bedeutung.

Eine Calamität anderer als financieller Art war das jähe Auf¬
hören unserer Gasbeleuchtung, verschuldet durch die unpassende Wahl
eines moorigen Terrains zur Anlegung der Gasreservoirs, welche all-
mälig sämmtlich gesunken sind. Während man an dem früheren
Orte die Gasometer wieder zu heben sucht, sind an einem anderen
Punkte zahlreiche Arbeiter beschäftigt, neue Gasreservoirs zu schaffen,
doch macht man sich auf Rückkehr der Beleuchtung für das laufende
Jahr kaum noch Hoffnung. Die Unternehmer, eine englische Com¬
pagnie, erhielten durch dieses malitiöse Ereigniß eine Schicksalsohrfeige,
welche dasür, daß sie sich das Raumer erspart hatten, um Geld zu
sparen, ihren Geldbeutel um, sagt man, mehr als 100,000 Mark
leichter macht.

Das Tagesgespräch hat sich in dieser Zeit sehr lebhaft mit der
von Seiten der jetzigen Direction des Stadttheaters erfolgten Kündi¬
gung ihres Contractes beschäftigt. Die Leitung dieser Bühne ist mit
dem 31- März 1847 erledigt- Das Comite der Actionaire hat vor
einigen Tagen die erwartete Aufforderung zur Directionsübernahme
erlassen. Anmeldungen hiezu sind gültig bis zum 18. Jan. k. I.
Man will mit einer Gesellschaft, wie mit Einzelnen abschließen. Echt
kaufmännisch lautet die Bemerkung, daß es zur Uebernahme der Di.
rectior nicht für nöthig erachtet werde, vom Fache zu sein, so daß
also der erste beste Geldmensch, wenn er dem lieben Comite nur sonst


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fparnissen und Verbesserungen des Staatshaushaltes, kurz ein bunter
Haufe von Wünschen, Hoffnungen, Entwürfen, Aussichten und Ver¬
sicherungen, welches Alles wir seit Jahren, namentlich aber seit der
Brandkatastrophe angehäuft haben. — Mit der Geldkrisis waren auch
häufige Angrisse wider unsere Bank verbunden, welcher ein thätiges
Eingreifen zur Beförderung der Gcldcirculation, bei Verlegenheiten
wie die jetzt überstandenen, auch wirklich nicht nachgerühmt werden
kann. Die einzige ungewöhnliche Hülfe, die jüngst von der Bank
geleistet wurde, bestand darin, daß sie auf Münzsorten Vorschuß lei¬
stete, welche sonst von ihr nicht accevrirt wurden, z. B. auf Species,
preußische Thaler, Fünffrankenstücke u. f. w. — In unserer mercan-
tilischen Welt sind jetzt die Fallissements so recht an der Tagesord¬
nung. Das Bankerottiren scheint hier kaum noch mit dem Begriffe
der Unehre verbunden zu sein. Leute, die heute „eingekommen" sind
— wie ein hier besonders im Volksmunde gebräuchlicher Ausdruck
lautet — lassen sich morgen schon wieder wohlgemuth an der Börse
und in der Gesellschaft sehen. Ein unbescholtener Name wird so et¬
was Gleichgültiges. Mit dem Verlust desselben wird oft der Grund
zu einem glänzenderen Leben gelegt, als man bis dahin geführt. Un¬
ser Trost ist jedoch, daß der Großhandel sich sehr ehrenfest und wacker
halt. Er ist die Säule von Hamburgs mercanrilischer Wichtigkeit
und Bedeutung.

Eine Calamität anderer als financieller Art war das jähe Auf¬
hören unserer Gasbeleuchtung, verschuldet durch die unpassende Wahl
eines moorigen Terrains zur Anlegung der Gasreservoirs, welche all-
mälig sämmtlich gesunken sind. Während man an dem früheren
Orte die Gasometer wieder zu heben sucht, sind an einem anderen
Punkte zahlreiche Arbeiter beschäftigt, neue Gasreservoirs zu schaffen,
doch macht man sich auf Rückkehr der Beleuchtung für das laufende
Jahr kaum noch Hoffnung. Die Unternehmer, eine englische Com¬
pagnie, erhielten durch dieses malitiöse Ereigniß eine Schicksalsohrfeige,
welche dasür, daß sie sich das Raumer erspart hatten, um Geld zu
sparen, ihren Geldbeutel um, sagt man, mehr als 100,000 Mark
leichter macht.

Das Tagesgespräch hat sich in dieser Zeit sehr lebhaft mit der
von Seiten der jetzigen Direction des Stadttheaters erfolgten Kündi¬
gung ihres Contractes beschäftigt. Die Leitung dieser Bühne ist mit
dem 31- März 1847 erledigt- Das Comite der Actionaire hat vor
einigen Tagen die erwartete Aufforderung zur Directionsübernahme
erlassen. Anmeldungen hiezu sind gültig bis zum 18. Jan. k. I.
Man will mit einer Gesellschaft, wie mit Einzelnen abschließen. Echt
kaufmännisch lautet die Bemerkung, daß es zur Uebernahme der Di.
rectior nicht für nöthig erachtet werde, vom Fache zu sein, so daß
also der erste beste Geldmensch, wenn er dem lieben Comite nur sonst


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[0427] fparnissen und Verbesserungen des Staatshaushaltes, kurz ein bunter Haufe von Wünschen, Hoffnungen, Entwürfen, Aussichten und Ver¬ sicherungen, welches Alles wir seit Jahren, namentlich aber seit der Brandkatastrophe angehäuft haben. — Mit der Geldkrisis waren auch häufige Angrisse wider unsere Bank verbunden, welcher ein thätiges Eingreifen zur Beförderung der Gcldcirculation, bei Verlegenheiten wie die jetzt überstandenen, auch wirklich nicht nachgerühmt werden kann. Die einzige ungewöhnliche Hülfe, die jüngst von der Bank geleistet wurde, bestand darin, daß sie auf Münzsorten Vorschuß lei¬ stete, welche sonst von ihr nicht accevrirt wurden, z. B. auf Species, preußische Thaler, Fünffrankenstücke u. f. w. — In unserer mercan- tilischen Welt sind jetzt die Fallissements so recht an der Tagesord¬ nung. Das Bankerottiren scheint hier kaum noch mit dem Begriffe der Unehre verbunden zu sein. Leute, die heute „eingekommen" sind — wie ein hier besonders im Volksmunde gebräuchlicher Ausdruck lautet — lassen sich morgen schon wieder wohlgemuth an der Börse und in der Gesellschaft sehen. Ein unbescholtener Name wird so et¬ was Gleichgültiges. Mit dem Verlust desselben wird oft der Grund zu einem glänzenderen Leben gelegt, als man bis dahin geführt. Un¬ ser Trost ist jedoch, daß der Großhandel sich sehr ehrenfest und wacker halt. Er ist die Säule von Hamburgs mercanrilischer Wichtigkeit und Bedeutung. Eine Calamität anderer als financieller Art war das jähe Auf¬ hören unserer Gasbeleuchtung, verschuldet durch die unpassende Wahl eines moorigen Terrains zur Anlegung der Gasreservoirs, welche all- mälig sämmtlich gesunken sind. Während man an dem früheren Orte die Gasometer wieder zu heben sucht, sind an einem anderen Punkte zahlreiche Arbeiter beschäftigt, neue Gasreservoirs zu schaffen, doch macht man sich auf Rückkehr der Beleuchtung für das laufende Jahr kaum noch Hoffnung. Die Unternehmer, eine englische Com¬ pagnie, erhielten durch dieses malitiöse Ereigniß eine Schicksalsohrfeige, welche dasür, daß sie sich das Raumer erspart hatten, um Geld zu sparen, ihren Geldbeutel um, sagt man, mehr als 100,000 Mark leichter macht. Das Tagesgespräch hat sich in dieser Zeit sehr lebhaft mit der von Seiten der jetzigen Direction des Stadttheaters erfolgten Kündi¬ gung ihres Contractes beschäftigt. Die Leitung dieser Bühne ist mit dem 31- März 1847 erledigt- Das Comite der Actionaire hat vor einigen Tagen die erwartete Aufforderung zur Directionsübernahme erlassen. Anmeldungen hiezu sind gültig bis zum 18. Jan. k. I. Man will mit einer Gesellschaft, wie mit Einzelnen abschließen. Echt kaufmännisch lautet die Bemerkung, daß es zur Uebernahme der Di. rectior nicht für nöthig erachtet werde, vom Fache zu sein, so daß also der erste beste Geldmensch, wenn er dem lieben Comite nur sonst 54*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/427>, abgerufen am 05.02.2025.