Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Lampe,
ein uraltes Märchen.
Von
M H. Geldern.



Amadeus, der Gutwillige, war König eines der vielen versun¬
kenen, überschwemmten, verschollenen Reiche, deren Geschichte das
Märchen ist. Er schloß, wie uralte Papiere besagen, mit dem fabel¬
haften Gören, dem Allen, und dem rothnasigen Zecherkönig von
Thule eine heilige und ewige Allianz, gründete eine Colonie auf
Atlantis und erbaute die Städte Vineta und Julin. -- Den Bei¬
namen des Gutwilligen gaben ihm die Geschichtschreiber auf aller¬
höchsten Befehl seines Nachfolgers; denn dieser und die Leute vom
Hofe wußten wohl, daß er den allerbesten Willen hatte und gönnten
ihm gerne den unschuldigen Titel. -- Amadeus war ein mächtiger
König: die Finanzen seines Landes waren in Ordnung, die Berg¬
werke waren ergiebig, ein großes Heer stand immer schlagfertig und
seine Flotte kam nach und nach in alle Meere und wurde überall
als höchst merkwürdige Seltenheit bewundert und begrüßt. -- Aber ein
Kleinod besaß König Amadeus, um das ihn vor Allem die Könige
aller Länder hätte" beneiden sollen, wie schlicht und unscheinbar auch
dieses Kleinod sich auf den ersten Anblick ausnahm. -- Es war dies
eine kleine Lampe von wunderbarer Eigenschaft, die er einst von der
Königin von Saba, als er sie besuchte, als Gastgeschenk erhielt und
die nun in seinem Arbeitszimmer, gerade über seinem Schreibpulte,
ih", zu Häupten aufgehängt war. -- Die Königin von Saba, wie
männiglich bekannt, eine kluge Frau, gab Jedem, was ihm Noth
that. -- Sie hatte bald eingesehen, daß König Amadeus zwar den


Grenzboten I86!>. I. 8
Die Lampe,
ein uraltes Märchen.
Von
M H. Geldern.



Amadeus, der Gutwillige, war König eines der vielen versun¬
kenen, überschwemmten, verschollenen Reiche, deren Geschichte das
Märchen ist. Er schloß, wie uralte Papiere besagen, mit dem fabel¬
haften Gören, dem Allen, und dem rothnasigen Zecherkönig von
Thule eine heilige und ewige Allianz, gründete eine Colonie auf
Atlantis und erbaute die Städte Vineta und Julin. — Den Bei¬
namen des Gutwilligen gaben ihm die Geschichtschreiber auf aller¬
höchsten Befehl seines Nachfolgers; denn dieser und die Leute vom
Hofe wußten wohl, daß er den allerbesten Willen hatte und gönnten
ihm gerne den unschuldigen Titel. — Amadeus war ein mächtiger
König: die Finanzen seines Landes waren in Ordnung, die Berg¬
werke waren ergiebig, ein großes Heer stand immer schlagfertig und
seine Flotte kam nach und nach in alle Meere und wurde überall
als höchst merkwürdige Seltenheit bewundert und begrüßt. — Aber ein
Kleinod besaß König Amadeus, um das ihn vor Allem die Könige
aller Länder hätte» beneiden sollen, wie schlicht und unscheinbar auch
dieses Kleinod sich auf den ersten Anblick ausnahm. — Es war dies
eine kleine Lampe von wunderbarer Eigenschaft, die er einst von der
Königin von Saba, als er sie besuchte, als Gastgeschenk erhielt und
die nun in seinem Arbeitszimmer, gerade über seinem Schreibpulte,
ih», zu Häupten aufgehängt war. — Die Königin von Saba, wie
männiglich bekannt, eine kluge Frau, gab Jedem, was ihm Noth
that. — Sie hatte bald eingesehen, daß König Amadeus zwar den


Grenzboten I86!>. I. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269476"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Lampe,<lb/>
ein uraltes Märchen.<lb/><note type="byline"> Von<lb/>
M H. Geldern.</note></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_135" next="#ID_136"> Amadeus, der Gutwillige, war König eines der vielen versun¬<lb/>
kenen, überschwemmten, verschollenen Reiche, deren Geschichte das<lb/>
Märchen ist. Er schloß, wie uralte Papiere besagen, mit dem fabel¬<lb/>
haften Gören, dem Allen, und dem rothnasigen Zecherkönig von<lb/>
Thule eine heilige und ewige Allianz, gründete eine Colonie auf<lb/>
Atlantis und erbaute die Städte Vineta und Julin. &#x2014; Den Bei¬<lb/>
namen des Gutwilligen gaben ihm die Geschichtschreiber auf aller¬<lb/>
höchsten Befehl seines Nachfolgers; denn dieser und die Leute vom<lb/>
Hofe wußten wohl, daß er den allerbesten Willen hatte und gönnten<lb/>
ihm gerne den unschuldigen Titel. &#x2014; Amadeus war ein mächtiger<lb/>
König: die Finanzen seines Landes waren in Ordnung, die Berg¬<lb/>
werke waren ergiebig, ein großes Heer stand immer schlagfertig und<lb/>
seine Flotte kam nach und nach in alle Meere und wurde überall<lb/>
als höchst merkwürdige Seltenheit bewundert und begrüßt. &#x2014; Aber ein<lb/>
Kleinod besaß König Amadeus, um das ihn vor Allem die Könige<lb/>
aller Länder hätte» beneiden sollen, wie schlicht und unscheinbar auch<lb/>
dieses Kleinod sich auf den ersten Anblick ausnahm. &#x2014; Es war dies<lb/>
eine kleine Lampe von wunderbarer Eigenschaft, die er einst von der<lb/>
Königin von Saba, als er sie besuchte, als Gastgeschenk erhielt und<lb/>
die nun in seinem Arbeitszimmer, gerade über seinem Schreibpulte,<lb/>
ih», zu Häupten aufgehängt war. &#x2014; Die Königin von Saba, wie<lb/>
männiglich bekannt, eine kluge Frau, gab Jedem, was ihm Noth<lb/>
that. &#x2014; Sie hatte bald eingesehen, daß König Amadeus zwar den</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I86!&gt;.  I. 8</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] Die Lampe, ein uraltes Märchen. Von M H. Geldern. Amadeus, der Gutwillige, war König eines der vielen versun¬ kenen, überschwemmten, verschollenen Reiche, deren Geschichte das Märchen ist. Er schloß, wie uralte Papiere besagen, mit dem fabel¬ haften Gören, dem Allen, und dem rothnasigen Zecherkönig von Thule eine heilige und ewige Allianz, gründete eine Colonie auf Atlantis und erbaute die Städte Vineta und Julin. — Den Bei¬ namen des Gutwilligen gaben ihm die Geschichtschreiber auf aller¬ höchsten Befehl seines Nachfolgers; denn dieser und die Leute vom Hofe wußten wohl, daß er den allerbesten Willen hatte und gönnten ihm gerne den unschuldigen Titel. — Amadeus war ein mächtiger König: die Finanzen seines Landes waren in Ordnung, die Berg¬ werke waren ergiebig, ein großes Heer stand immer schlagfertig und seine Flotte kam nach und nach in alle Meere und wurde überall als höchst merkwürdige Seltenheit bewundert und begrüßt. — Aber ein Kleinod besaß König Amadeus, um das ihn vor Allem die Könige aller Länder hätte» beneiden sollen, wie schlicht und unscheinbar auch dieses Kleinod sich auf den ersten Anblick ausnahm. — Es war dies eine kleine Lampe von wunderbarer Eigenschaft, die er einst von der Königin von Saba, als er sie besuchte, als Gastgeschenk erhielt und die nun in seinem Arbeitszimmer, gerade über seinem Schreibpulte, ih», zu Häupten aufgehängt war. — Die Königin von Saba, wie männiglich bekannt, eine kluge Frau, gab Jedem, was ihm Noth that. — Sie hatte bald eingesehen, daß König Amadeus zwar den Grenzboten I86!>. I. 8

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/59
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/59>, abgerufen am 22.07.2024.