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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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befördert worden. Von jetzt an wird Halm, der bisher unentgeldlich
dem Staate gedient, seine Besoldung beziehen. Grillparzer, der schon
beim Tode des Hofraths Mosel um diesen Posten gebeten, ist in Folge
seines zurückhaltender Betragens (?) auch diesmal mit seiner Bewerbung
ducchgefallen. Er zahlt jetzt achtundfunfzig Jahre (Halm siebenund¬
dreißig) und dreißig Dienstjahre; seine Anstellung als Director des
Hofkammerarchivs tragt achtzehnhundert Gulden Gehalt und so eben
wird für das Papierchaos diefes Amtes in der Stadt ein neues Ge¬
bäude aufgeführt, das, nach einem Plane des Hofbauraths Sprenger
gebaut, seiner Bestimmung völlig entspricht. Grillparzer hat in den
letzten Jahren eine entschieden menschenfeindliche Stellung eingenom¬
men; obwohl in seinem Herzen keine Spur jenes Menschenhasses zu
finden ist, den sein Verhalten zu verrathen scheint. Wer zu stolz ist,
um der Meinung nachzujagen und die Menge über sich selbst aufzu¬
klären, der thut ganz wohl daran, wenn er sich in den Mantel seines
Bewußtseins hüllt und in einen Winkel der Gegenwart gelehnt, ruhig
auf die Nachwelt wartet. Freilich kann er dann auch nicht von dieser
verschmähten Gegenwart jene warme und brausende Theilnahme hof¬
fen, die ihm eigentlich gebührt und um welche ihn einzig seine Ein¬
-- Von der Freiung. -- samkeit gebracht hat.


III.
Aus Berlin.

Localvcrcin und Centrolvercin. -- ."ollmann gegen V°ß. -- Püttmann. --
Jenny Lind. -- Klein's Zenobia. -- Tartüffe.

Ein Gespräch des Tages und ein Gegenstand mannichfacher In¬
teressen ist der hier sich bildende Localverein. Die Bedeutung des Cen-
tralveceins, in dem die aristokratischen Elemente vorherrschend sind,
scheint für die Zukunft sehr zusammenzuschmelzen und immer kleiner
zu werden, je freier die Localvereine sich entwickeln. Vielleicht gehen
auch von dieser Besorgniß die Hemmnisse aus, mit denen der Central-
verein die Localvereine zu beschränken sucht. Der Centralverein sollte
bedenken, daß auch darin ein Verdienst liegt, und kein geringes, den
Anstoß gegeben zu haben, daß er aber dieses große Verdienst, welches
ihm nicht abgesprochen werden darf, geradewegs wieder aufhebt, indem
er durch das System der Bevormundung die jungen Keime erdrückt,
welche sich frei und selbständig entwickeln wollen. In so weiter Ferne
uns auch die praktische Bedeutung dieser Vereine zu liegen scheint, so
wichtig sind doch die. theoretischen Folgen derselben und aus der Theo¬
rie folgt einmal wieder die Praxis. Um so mehr müssen wir uns
wundern, daß man außerhalb Preußens an dieser großen Bewegung
keinen Antheil nimmt und daß selbst Preußen ganze Provinzen aus¬
zuweisen hat, z. B. Schlesien, wo man bis jetzt ganz theilnahmlos


is"

befördert worden. Von jetzt an wird Halm, der bisher unentgeldlich
dem Staate gedient, seine Besoldung beziehen. Grillparzer, der schon
beim Tode des Hofraths Mosel um diesen Posten gebeten, ist in Folge
seines zurückhaltender Betragens (?) auch diesmal mit seiner Bewerbung
ducchgefallen. Er zahlt jetzt achtundfunfzig Jahre (Halm siebenund¬
dreißig) und dreißig Dienstjahre; seine Anstellung als Director des
Hofkammerarchivs tragt achtzehnhundert Gulden Gehalt und so eben
wird für das Papierchaos diefes Amtes in der Stadt ein neues Ge¬
bäude aufgeführt, das, nach einem Plane des Hofbauraths Sprenger
gebaut, seiner Bestimmung völlig entspricht. Grillparzer hat in den
letzten Jahren eine entschieden menschenfeindliche Stellung eingenom¬
men; obwohl in seinem Herzen keine Spur jenes Menschenhasses zu
finden ist, den sein Verhalten zu verrathen scheint. Wer zu stolz ist,
um der Meinung nachzujagen und die Menge über sich selbst aufzu¬
klären, der thut ganz wohl daran, wenn er sich in den Mantel seines
Bewußtseins hüllt und in einen Winkel der Gegenwart gelehnt, ruhig
auf die Nachwelt wartet. Freilich kann er dann auch nicht von dieser
verschmähten Gegenwart jene warme und brausende Theilnahme hof¬
fen, die ihm eigentlich gebührt und um welche ihn einzig seine Ein¬
— Von der Freiung. — samkeit gebracht hat.


III.
Aus Berlin.

Localvcrcin und Centrolvercin. — .«ollmann gegen V°ß. — Püttmann. —
Jenny Lind. — Klein's Zenobia. — Tartüffe.

Ein Gespräch des Tages und ein Gegenstand mannichfacher In¬
teressen ist der hier sich bildende Localverein. Die Bedeutung des Cen-
tralveceins, in dem die aristokratischen Elemente vorherrschend sind,
scheint für die Zukunft sehr zusammenzuschmelzen und immer kleiner
zu werden, je freier die Localvereine sich entwickeln. Vielleicht gehen
auch von dieser Besorgniß die Hemmnisse aus, mit denen der Central-
verein die Localvereine zu beschränken sucht. Der Centralverein sollte
bedenken, daß auch darin ein Verdienst liegt, und kein geringes, den
Anstoß gegeben zu haben, daß er aber dieses große Verdienst, welches
ihm nicht abgesprochen werden darf, geradewegs wieder aufhebt, indem
er durch das System der Bevormundung die jungen Keime erdrückt,
welche sich frei und selbständig entwickeln wollen. In so weiter Ferne
uns auch die praktische Bedeutung dieser Vereine zu liegen scheint, so
wichtig sind doch die. theoretischen Folgen derselben und aus der Theo¬
rie folgt einmal wieder die Praxis. Um so mehr müssen wir uns
wundern, daß man außerhalb Preußens an dieser großen Bewegung
keinen Antheil nimmt und daß selbst Preußen ganze Provinzen aus¬
zuweisen hat, z. B. Schlesien, wo man bis jetzt ganz theilnahmlos


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/149>, abgerufen am 22.07.2024.