Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
Moritz Hartenau". *^



Vor Kurzem hatten die Grenzboten von einem Dichter aus
Oesterreich zu sprechen, der bereits längere Zeit in Deutschland be¬
kannt, und dessen Name schon tief in den jungen Baum der neueren
Poesie verwachsen ist. Diesmal wird dem Referenten die angenehme
Pflicht, eine junge Muse anzumelden, die so eben erst "mit klöster¬
lichem Zagen" oder doch mil erwartungsvollen Herzpochen über die
Schwelle des "deutschen Auslands" tritt; eine junge Kraft, überra¬
schend und vielverheißend durch den frischen Glanz ihrer Erstlings-
blüthen und den knospenden Reichthum mannichfacher Keime. In
Böhmen und Oesterreich ist Hartmann, durch einzelne sinnvolle Ge¬
dichte, schon ein ziemlich verbreiteter, überall froh begrüßter Name;
bald wird er auch in den weitern Kreisen deutscher Literatur einen
hellen Klang haben.

Die schönsten Talente, die uns der österreichische Süden zuschickt,
tragen alle das Zeichen weitläufiger Verwandtschaft, daß die Lyrik
ihr hervorstechender Zug ist. Man ist dadurch gewöhnt worden, bei
jedem jüngern Poeten aus jenen Gegenden zu fragen: singt er
er " la Grün, " la Lenau oder Ä la Beck? -- Hartmann ist we¬
sentlich Lyriker, aber wir haben die Genugthuung, sagen zu können:
Er ist kein Echo, keine neue Auflage der viel besprochenen österreichi¬
schen Dichterschule, sondern wirklich ein neuer Dichter, der selbst
sein Echo finden mag. Zum Lob des Verfassers von "Kelch und
Schwert" muß man es anführen, daß er, ein gerechter Bewunderer,



*) Kelch und Schwert. Dichtungen von Moritz Hartmann. Leip¬
zig, Verlagsbuchhandlung von I. I. Weber. 1845. -- (Ueber 20 Bogen).
Moritz Hartenau». *^



Vor Kurzem hatten die Grenzboten von einem Dichter aus
Oesterreich zu sprechen, der bereits längere Zeit in Deutschland be¬
kannt, und dessen Name schon tief in den jungen Baum der neueren
Poesie verwachsen ist. Diesmal wird dem Referenten die angenehme
Pflicht, eine junge Muse anzumelden, die so eben erst „mit klöster¬
lichem Zagen" oder doch mil erwartungsvollen Herzpochen über die
Schwelle des „deutschen Auslands" tritt; eine junge Kraft, überra¬
schend und vielverheißend durch den frischen Glanz ihrer Erstlings-
blüthen und den knospenden Reichthum mannichfacher Keime. In
Böhmen und Oesterreich ist Hartmann, durch einzelne sinnvolle Ge¬
dichte, schon ein ziemlich verbreiteter, überall froh begrüßter Name;
bald wird er auch in den weitern Kreisen deutscher Literatur einen
hellen Klang haben.

Die schönsten Talente, die uns der österreichische Süden zuschickt,
tragen alle das Zeichen weitläufiger Verwandtschaft, daß die Lyrik
ihr hervorstechender Zug ist. Man ist dadurch gewöhnt worden, bei
jedem jüngern Poeten aus jenen Gegenden zu fragen: singt er
er » la Grün, » la Lenau oder Ä la Beck? — Hartmann ist we¬
sentlich Lyriker, aber wir haben die Genugthuung, sagen zu können:
Er ist kein Echo, keine neue Auflage der viel besprochenen österreichi¬
schen Dichterschule, sondern wirklich ein neuer Dichter, der selbst
sein Echo finden mag. Zum Lob des Verfassers von „Kelch und
Schwert" muß man es anführen, daß er, ein gerechter Bewunderer,



*) Kelch und Schwert. Dichtungen von Moritz Hartmann. Leip¬
zig, Verlagsbuchhandlung von I. I. Weber. 1845. — (Ueber 20 Bogen).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269551"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Moritz Hartenau». *^</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_404"> Vor Kurzem hatten die Grenzboten von einem Dichter aus<lb/>
Oesterreich zu sprechen, der bereits längere Zeit in Deutschland be¬<lb/>
kannt, und dessen Name schon tief in den jungen Baum der neueren<lb/>
Poesie verwachsen ist. Diesmal wird dem Referenten die angenehme<lb/>
Pflicht, eine junge Muse anzumelden, die so eben erst &#x201E;mit klöster¬<lb/>
lichem Zagen" oder doch mil erwartungsvollen Herzpochen über die<lb/>
Schwelle des &#x201E;deutschen Auslands" tritt; eine junge Kraft, überra¬<lb/>
schend und vielverheißend durch den frischen Glanz ihrer Erstlings-<lb/>
blüthen und den knospenden Reichthum mannichfacher Keime. In<lb/>
Böhmen und Oesterreich ist Hartmann, durch einzelne sinnvolle Ge¬<lb/>
dichte, schon ein ziemlich verbreiteter, überall froh begrüßter Name;<lb/>
bald wird er auch in den weitern Kreisen deutscher Literatur einen<lb/>
hellen Klang haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_405" next="#ID_406"> Die schönsten Talente, die uns der österreichische Süden zuschickt,<lb/>
tragen alle das Zeichen weitläufiger Verwandtschaft, daß die Lyrik<lb/>
ihr hervorstechender Zug ist. Man ist dadurch gewöhnt worden, bei<lb/>
jedem jüngern Poeten aus jenen Gegenden zu fragen: singt er<lb/>
er » la Grün, » la Lenau oder Ä la Beck? &#x2014; Hartmann ist we¬<lb/>
sentlich Lyriker, aber wir haben die Genugthuung, sagen zu können:<lb/>
Er ist kein Echo, keine neue Auflage der viel besprochenen österreichi¬<lb/>
schen Dichterschule, sondern wirklich ein neuer Dichter, der selbst<lb/>
sein Echo finden mag. Zum Lob des Verfassers von &#x201E;Kelch und<lb/>
Schwert" muß man es anführen, daß er, ein gerechter Bewunderer,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_22" place="foot"> *) Kelch und Schwert. Dichtungen von Moritz Hartmann. Leip¬<lb/>
zig, Verlagsbuchhandlung von I. I. Weber. 1845. &#x2014; (Ueber 20 Bogen).</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0134] Moritz Hartenau». *^ Vor Kurzem hatten die Grenzboten von einem Dichter aus Oesterreich zu sprechen, der bereits längere Zeit in Deutschland be¬ kannt, und dessen Name schon tief in den jungen Baum der neueren Poesie verwachsen ist. Diesmal wird dem Referenten die angenehme Pflicht, eine junge Muse anzumelden, die so eben erst „mit klöster¬ lichem Zagen" oder doch mil erwartungsvollen Herzpochen über die Schwelle des „deutschen Auslands" tritt; eine junge Kraft, überra¬ schend und vielverheißend durch den frischen Glanz ihrer Erstlings- blüthen und den knospenden Reichthum mannichfacher Keime. In Böhmen und Oesterreich ist Hartmann, durch einzelne sinnvolle Ge¬ dichte, schon ein ziemlich verbreiteter, überall froh begrüßter Name; bald wird er auch in den weitern Kreisen deutscher Literatur einen hellen Klang haben. Die schönsten Talente, die uns der österreichische Süden zuschickt, tragen alle das Zeichen weitläufiger Verwandtschaft, daß die Lyrik ihr hervorstechender Zug ist. Man ist dadurch gewöhnt worden, bei jedem jüngern Poeten aus jenen Gegenden zu fragen: singt er er » la Grün, » la Lenau oder Ä la Beck? — Hartmann ist we¬ sentlich Lyriker, aber wir haben die Genugthuung, sagen zu können: Er ist kein Echo, keine neue Auflage der viel besprochenen österreichi¬ schen Dichterschule, sondern wirklich ein neuer Dichter, der selbst sein Echo finden mag. Zum Lob des Verfassers von „Kelch und Schwert" muß man es anführen, daß er, ein gerechter Bewunderer, *) Kelch und Schwert. Dichtungen von Moritz Hartmann. Leip¬ zig, Verlagsbuchhandlung von I. I. Weber. 1845. — (Ueber 20 Bogen).

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/134
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/134>, abgerufen am 22.07.2024.