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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Das Museum i"" Leipzig. *)



Leipzig war eS, von wo der große Gedanke zu einem deutschen
Nationalverein gegen ausländische Firmen, Wirthshausschildcr und Eti¬
ketten ausging. Aber der Prophet gilt immer am wenigsten im Va¬
terlande. So haben wir seit einem Jahre eine Lcseanstalt, Museum
genannt, wie mit großen Buchstaben auf dem Schilde über dem Ein-
ganae zu lesen ist. Es wurde zwar bei der Errichtung "Lesehalle",
"Zeitungshalle" vorgeschlagen, aberumsonst; sei es, daß man entweder
Dresden Nichts nachgeben wollte, welches eine ähnliche Anstalt so be¬
nannte, oder daß man solche Neuerungen wie "Lesehalle" in Leip¬
zig für unschicklich hielt. Neuerungen und neue Ideen finden in
Leipzig schwer Eingang. Referent macht nicht gern, eines Wortes
wegen, viele Worte. Indeß denken Manche bei dem Worte "Mu¬
seum" eher an jedes andere, als an ein ZeitungSkabinet. Der Fremde,
der hier allerlei Curiositäten zu sehen hofft, findet zu seinem Schrek-
ken Nichts als -- Zeitungen. Verblüfft stiert er die langweiligen
Blätter an und entfernt sich nach kurzem Verweilen und langen Bück¬
lingen. Die Stammgäste deö Museums verdanken diesem Umstände
manche angenehme Überraschung. Auch die schöne Welt bemüht sich
mitunter zwei Treppen hoch hinauf bis zu den Eingangspforten, um
enttäuscht wieder umzukehren. So ist dafür gesorgt, "daß auch was
holdes uns das Aug' ergötzt". Das ist auch Veranlassung zu je¬
ner täuschenden Benennung gewesen. O! es geht Nichts über "säch¬
sische Schlauheit". -- Das Museum ist keine Privatspcculation, son¬
dern ein auf Actien gegründetes Unternehmen, wodurch indeß Nie¬
mand zu Actienspeculationen verleitet werden soll. Das Museum



*) Vor Neujahr eingesandt.
Das Museum i»» Leipzig. *)



Leipzig war eS, von wo der große Gedanke zu einem deutschen
Nationalverein gegen ausländische Firmen, Wirthshausschildcr und Eti¬
ketten ausging. Aber der Prophet gilt immer am wenigsten im Va¬
terlande. So haben wir seit einem Jahre eine Lcseanstalt, Museum
genannt, wie mit großen Buchstaben auf dem Schilde über dem Ein-
ganae zu lesen ist. Es wurde zwar bei der Errichtung „Lesehalle",
„Zeitungshalle" vorgeschlagen, aberumsonst; sei es, daß man entweder
Dresden Nichts nachgeben wollte, welches eine ähnliche Anstalt so be¬
nannte, oder daß man solche Neuerungen wie „Lesehalle" in Leip¬
zig für unschicklich hielt. Neuerungen und neue Ideen finden in
Leipzig schwer Eingang. Referent macht nicht gern, eines Wortes
wegen, viele Worte. Indeß denken Manche bei dem Worte „Mu¬
seum" eher an jedes andere, als an ein ZeitungSkabinet. Der Fremde,
der hier allerlei Curiositäten zu sehen hofft, findet zu seinem Schrek-
ken Nichts als — Zeitungen. Verblüfft stiert er die langweiligen
Blätter an und entfernt sich nach kurzem Verweilen und langen Bück¬
lingen. Die Stammgäste deö Museums verdanken diesem Umstände
manche angenehme Überraschung. Auch die schöne Welt bemüht sich
mitunter zwei Treppen hoch hinauf bis zu den Eingangspforten, um
enttäuscht wieder umzukehren. So ist dafür gesorgt, „daß auch was
holdes uns das Aug' ergötzt". Das ist auch Veranlassung zu je¬
ner täuschenden Benennung gewesen. O! es geht Nichts über „säch¬
sische Schlauheit". — Das Museum ist keine Privatspcculation, son¬
dern ein auf Actien gegründetes Unternehmen, wodurch indeß Nie¬
mand zu Actienspeculationen verleitet werden soll. Das Museum



*) Vor Neujahr eingesandt.
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[0130] Das Museum i»» Leipzig. *) Leipzig war eS, von wo der große Gedanke zu einem deutschen Nationalverein gegen ausländische Firmen, Wirthshausschildcr und Eti¬ ketten ausging. Aber der Prophet gilt immer am wenigsten im Va¬ terlande. So haben wir seit einem Jahre eine Lcseanstalt, Museum genannt, wie mit großen Buchstaben auf dem Schilde über dem Ein- ganae zu lesen ist. Es wurde zwar bei der Errichtung „Lesehalle", „Zeitungshalle" vorgeschlagen, aberumsonst; sei es, daß man entweder Dresden Nichts nachgeben wollte, welches eine ähnliche Anstalt so be¬ nannte, oder daß man solche Neuerungen wie „Lesehalle" in Leip¬ zig für unschicklich hielt. Neuerungen und neue Ideen finden in Leipzig schwer Eingang. Referent macht nicht gern, eines Wortes wegen, viele Worte. Indeß denken Manche bei dem Worte „Mu¬ seum" eher an jedes andere, als an ein ZeitungSkabinet. Der Fremde, der hier allerlei Curiositäten zu sehen hofft, findet zu seinem Schrek- ken Nichts als — Zeitungen. Verblüfft stiert er die langweiligen Blätter an und entfernt sich nach kurzem Verweilen und langen Bück¬ lingen. Die Stammgäste deö Museums verdanken diesem Umstände manche angenehme Überraschung. Auch die schöne Welt bemüht sich mitunter zwei Treppen hoch hinauf bis zu den Eingangspforten, um enttäuscht wieder umzukehren. So ist dafür gesorgt, „daß auch was holdes uns das Aug' ergötzt". Das ist auch Veranlassung zu je¬ ner täuschenden Benennung gewesen. O! es geht Nichts über „säch¬ sische Schlauheit". — Das Museum ist keine Privatspcculation, son¬ dern ein auf Actien gegründetes Unternehmen, wodurch indeß Nie¬ mand zu Actienspeculationen verleitet werden soll. Das Museum *) Vor Neujahr eingesandt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/130>, abgerufen am 22.07.2024.