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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Das Abenteuer.
2.
Die Jahre fliehn mit geisterhafter Schnelle
An uns dahin, wie Welle fließt in Welle,
Und jede Welle auf Vernichtung zielt
Und eine Blume unserm Leben stiehlt;
Und plötzlich sieht mit namenloser Trauer
Die Seele sich von ihrem Lenz getrennt,
Erstaunt das bang erschreckte Herz erkennt,
Wie viel geraubt der Jahre kurze Dauer!
Beglückt, wer noch im flucht'gen Wellentanz
Nicht schaut das rasche Wandern, -- nur den Glanz!
Wer überhört am reich umblühten Ufer
Vergänglichkeit, den nimmermüden Rufer!
So Abdul, den kein trübes Erdenloos
'
Noch aus dem selgen Jugendtraum gerüttelt.
'
Ihm streut das Sein, ohn daß er mühvoll schüttelt,
Freiwillig seine Blüthen in den Schooß!--
Es pocht mit seiner Weltenpulse Schlägen
Das Meer dem heißen Sonnenkuß entgegen,
Es neigt Cypresse, Floras traurig Kind,
Sich schwermuthsvoll im leisen Abendwind,
Der Erde Lust und ihre nicht'gen Schmerzen
Verstummen allgemach im Ernst der Nacht,
Und ein verborgenes Geisterscin erwacht
In Blumen, Wellen -- und im Menschenherzen.
Der Orient nur küßt die Pflanzen wach.
Die dort umduftcn des Palastes Dach;
Und nur der Orient ein Weib entschleiert,
Wie's dort der Liebe erste Grüße feiert.
Ein Weib, aus dessen Antlitz Schimmer bricht
Vom Himmel, den die Seele tragt als Ahnung,
Ein Weib, aus dessen Schönheit dringt die Mahnung,
'
Daß laut ein Gott in irdschen Formen spricht.
Von des Geliebten Armen sanft umschlungen,
In Traum gewiegt von Abends Dämmerungen,
Empfängt den Frieden tiefer Seligkeit
Ihr Herz, das erst gepocht in Angst und Leid.

Das Abenteuer.
2.
Die Jahre fliehn mit geisterhafter Schnelle
An uns dahin, wie Welle fließt in Welle,
Und jede Welle auf Vernichtung zielt
Und eine Blume unserm Leben stiehlt;
Und plötzlich sieht mit namenloser Trauer
Die Seele sich von ihrem Lenz getrennt,
Erstaunt das bang erschreckte Herz erkennt,
Wie viel geraubt der Jahre kurze Dauer!
Beglückt, wer noch im flucht'gen Wellentanz
Nicht schaut das rasche Wandern, — nur den Glanz!
Wer überhört am reich umblühten Ufer
Vergänglichkeit, den nimmermüden Rufer!
So Abdul, den kein trübes Erdenloos
'
Noch aus dem selgen Jugendtraum gerüttelt.
'
Ihm streut das Sein, ohn daß er mühvoll schüttelt,
Freiwillig seine Blüthen in den Schooß!--
Es pocht mit seiner Weltenpulse Schlägen
Das Meer dem heißen Sonnenkuß entgegen,
Es neigt Cypresse, Floras traurig Kind,
Sich schwermuthsvoll im leisen Abendwind,
Der Erde Lust und ihre nicht'gen Schmerzen
Verstummen allgemach im Ernst der Nacht,
Und ein verborgenes Geisterscin erwacht
In Blumen, Wellen — und im Menschenherzen.
Der Orient nur küßt die Pflanzen wach.
Die dort umduftcn des Palastes Dach;
Und nur der Orient ein Weib entschleiert,
Wie's dort der Liebe erste Grüße feiert.
Ein Weib, aus dessen Antlitz Schimmer bricht
Vom Himmel, den die Seele tragt als Ahnung,
Ein Weib, aus dessen Schönheit dringt die Mahnung,
'
Daß laut ein Gott in irdschen Formen spricht.
Von des Geliebten Armen sanft umschlungen,
In Traum gewiegt von Abends Dämmerungen,
Empfängt den Frieden tiefer Seligkeit
Ihr Herz, das erst gepocht in Angst und Leid.

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[0585] Das Abenteuer. 2. Die Jahre fliehn mit geisterhafter Schnelle An uns dahin, wie Welle fließt in Welle, Und jede Welle auf Vernichtung zielt Und eine Blume unserm Leben stiehlt; Und plötzlich sieht mit namenloser Trauer Die Seele sich von ihrem Lenz getrennt, Erstaunt das bang erschreckte Herz erkennt, Wie viel geraubt der Jahre kurze Dauer! Beglückt, wer noch im flucht'gen Wellentanz Nicht schaut das rasche Wandern, — nur den Glanz! Wer überhört am reich umblühten Ufer Vergänglichkeit, den nimmermüden Rufer! So Abdul, den kein trübes Erdenloos ' Noch aus dem selgen Jugendtraum gerüttelt. ' Ihm streut das Sein, ohn daß er mühvoll schüttelt, Freiwillig seine Blüthen in den Schooß!-- Es pocht mit seiner Weltenpulse Schlägen Das Meer dem heißen Sonnenkuß entgegen, Es neigt Cypresse, Floras traurig Kind, Sich schwermuthsvoll im leisen Abendwind, Der Erde Lust und ihre nicht'gen Schmerzen Verstummen allgemach im Ernst der Nacht, Und ein verborgenes Geisterscin erwacht In Blumen, Wellen — und im Menschenherzen. Der Orient nur küßt die Pflanzen wach. Die dort umduftcn des Palastes Dach; Und nur der Orient ein Weib entschleiert, Wie's dort der Liebe erste Grüße feiert. Ein Weib, aus dessen Antlitz Schimmer bricht Vom Himmel, den die Seele tragt als Ahnung, Ein Weib, aus dessen Schönheit dringt die Mahnung, ' Daß laut ein Gott in irdschen Formen spricht. Von des Geliebten Armen sanft umschlungen, In Traum gewiegt von Abends Dämmerungen, Empfängt den Frieden tiefer Seligkeit Ihr Herz, das erst gepocht in Angst und Leid.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/585>, abgerufen am 27.07.2024.