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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Göthe'S Monument in Frankfurt am Main.



Sonst', wenn der Fremde nach Frankfurt kam, so war eine der
ersten Merkwürdigkeiten, die er in Augenschein nehmen mußte --
das Göthe'sche Haus auf dem Hirschgraben. Nicht leicht war diese
Aufgabe; denn der Frankfurter, der für die Vorzüge seiner Stadt
und seiner Verfassung im höchsten Grade eingenommen ist, verzeiht
es nicht leicht, wenn man, wie Göthe, das schwer zu erlangende
Bürgerrecht leichtsinnig aufgibt und sich an dem Hofe eines fremden
Fürsten eine behaglichere Stellung gründet, als die eifersüchtige Viel¬
herrschaft von Coterien und Gesellschaften einem ausgezeichneten Manne
jemals zugestehen wird.

Göthe, wenn auch von der noch im ersten literarischen Feuer
sich befindenden Jugend verehrt, konnte sich einer eigentlichen Aner¬
kennung bei seinen Mitbürgern niemals rühmen; nicht daß man ihm
seinen ministeriellen Glanz beneidet hätte, aber er war kein Frank¬
furter.

Ohne Auszeichnung stand das Haus, wo er die ersten Lebens¬
eindrücke empfangen, und war den Nachbarhäusern so ähnlich, daß,
bei der allgemeinen Gleichgiltigkeit, unter hundert Einwohnern der Stadt
keine zwanzig im Stande waren, die Geburtsstätte ihres großen Lands¬
mannes zu bezeichnen. So war es natürlich, daß vor einigen Jah¬
ren ein niedliches Quiproquo sich häufig wiederholte. Damals wohnte
ein Oberst in der Nähe des erwähnten Hauses; ein Engländer, des
Deutschen kundig, aber schlecht zurechtgewiesen von Leuten, die sich
selbst nicht unterrichtet hatten, stand auf der Straße, unschlüssig, wel¬
chem von den einander so ähnlich sehenden Häusern er seine verehrende
Beschauung widmen sollte. Da wendet er sich an die Schildwache


Göthe'S Monument in Frankfurt am Main.



Sonst', wenn der Fremde nach Frankfurt kam, so war eine der
ersten Merkwürdigkeiten, die er in Augenschein nehmen mußte —
das Göthe'sche Haus auf dem Hirschgraben. Nicht leicht war diese
Aufgabe; denn der Frankfurter, der für die Vorzüge seiner Stadt
und seiner Verfassung im höchsten Grade eingenommen ist, verzeiht
es nicht leicht, wenn man, wie Göthe, das schwer zu erlangende
Bürgerrecht leichtsinnig aufgibt und sich an dem Hofe eines fremden
Fürsten eine behaglichere Stellung gründet, als die eifersüchtige Viel¬
herrschaft von Coterien und Gesellschaften einem ausgezeichneten Manne
jemals zugestehen wird.

Göthe, wenn auch von der noch im ersten literarischen Feuer
sich befindenden Jugend verehrt, konnte sich einer eigentlichen Aner¬
kennung bei seinen Mitbürgern niemals rühmen; nicht daß man ihm
seinen ministeriellen Glanz beneidet hätte, aber er war kein Frank¬
furter.

Ohne Auszeichnung stand das Haus, wo er die ersten Lebens¬
eindrücke empfangen, und war den Nachbarhäusern so ähnlich, daß,
bei der allgemeinen Gleichgiltigkeit, unter hundert Einwohnern der Stadt
keine zwanzig im Stande waren, die Geburtsstätte ihres großen Lands¬
mannes zu bezeichnen. So war es natürlich, daß vor einigen Jah¬
ren ein niedliches Quiproquo sich häufig wiederholte. Damals wohnte
ein Oberst in der Nähe des erwähnten Hauses; ein Engländer, des
Deutschen kundig, aber schlecht zurechtgewiesen von Leuten, die sich
selbst nicht unterrichtet hatten, stand auf der Straße, unschlüssig, wel¬
chem von den einander so ähnlich sehenden Häusern er seine verehrende
Beschauung widmen sollte. Da wendet er sich an die Schildwache


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[0293] Göthe'S Monument in Frankfurt am Main. Sonst', wenn der Fremde nach Frankfurt kam, so war eine der ersten Merkwürdigkeiten, die er in Augenschein nehmen mußte — das Göthe'sche Haus auf dem Hirschgraben. Nicht leicht war diese Aufgabe; denn der Frankfurter, der für die Vorzüge seiner Stadt und seiner Verfassung im höchsten Grade eingenommen ist, verzeiht es nicht leicht, wenn man, wie Göthe, das schwer zu erlangende Bürgerrecht leichtsinnig aufgibt und sich an dem Hofe eines fremden Fürsten eine behaglichere Stellung gründet, als die eifersüchtige Viel¬ herrschaft von Coterien und Gesellschaften einem ausgezeichneten Manne jemals zugestehen wird. Göthe, wenn auch von der noch im ersten literarischen Feuer sich befindenden Jugend verehrt, konnte sich einer eigentlichen Aner¬ kennung bei seinen Mitbürgern niemals rühmen; nicht daß man ihm seinen ministeriellen Glanz beneidet hätte, aber er war kein Frank¬ furter. Ohne Auszeichnung stand das Haus, wo er die ersten Lebens¬ eindrücke empfangen, und war den Nachbarhäusern so ähnlich, daß, bei der allgemeinen Gleichgiltigkeit, unter hundert Einwohnern der Stadt keine zwanzig im Stande waren, die Geburtsstätte ihres großen Lands¬ mannes zu bezeichnen. So war es natürlich, daß vor einigen Jah¬ ren ein niedliches Quiproquo sich häufig wiederholte. Damals wohnte ein Oberst in der Nähe des erwähnten Hauses; ein Engländer, des Deutschen kundig, aber schlecht zurechtgewiesen von Leuten, die sich selbst nicht unterrichtet hatten, stand auf der Straße, unschlüssig, wel¬ chem von den einander so ähnlich sehenden Häusern er seine verehrende Beschauung widmen sollte. Da wendet er sich an die Schildwache

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/293>, abgerufen am 04.12.2024.