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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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berger thun es/' Wir cMiben nicht, daß die hiesige Universität einen
Professor besitzt, der den Muth hätte, dem Minister mit solchem Frei¬
muth entgegen zu treten, wie es der ehrwürdige Burdach gethan, von
dem die Stadt Leipzig sich rühmen kann, daß sie ihn erzeugt und er¬
zogen hat. Herr Eichhorn hat dort manche unangenehme Wahrheit
hören müssen, und zwar hatte er sich dadurch seine Stellung noch
mißlicher gemacht, daß er gerade kurz vor seiner Abreise nach Königs¬
berg die nicht blos in Preußen, sondern im ganzen nördlichen Deutsch¬
land in vielen Auflagen verbreitete und allgemein beliebte Schullehrer¬
bibel von Dinter verbot. Der vor einigen Jahren in hohem Alter
verstorbene Consistorialrath und Professor Dinter (ebenfalls ein hal¬
ber Leipziger: er war nämlich in Borna geboren, studi?te in Leipzig
und war lange Pastor in Borna und Dresden) hatte an der Univer¬
sität sowohl, als in der Stadt Königsberg, deren beliebtester Prediger
er war, ein unvcrtilgbarcs Andenken hinterlassen, und nun trifft ihn
gerade der ministerielle Bannstrahl wegen seines angeblichen Rationa¬
lismus unmittelbar vor der Jubelfeier der während der Reformation
und zur Ausbreitung derselben gestifteten Universität! Der Minister
soll sehr verstimmt von Königsberg hier wieder angekommen sein.

Haben Sie schon davon gehört, daß unser Oberbürgermeister den
König bei seiner bevorstehenden Rückkehr singend empfangen will?
Es klingt zwar unglaublich, aber er hat selbst in einem Umlaufschrei-
ben an die städtischen Beamten dieselben aufgefordert, ihn bei jenem
Gesänge zu unterstützen.


Justus.
^
Ans Tirol.

Literoriscbe Bestrebungen, Lobhudeleien, Schmähungen und Zarismus. --
Jäger's Tyrsl im ^ahre - Beda Weber. - Eine Hausdurchsuchunq
und ein Unterthanentrcue-Revers.

Kaum tragt der Baum der Dichtung in unserem Baterlande
einige spärliche Blüthen und Früchte, so ist mit dem Frühling der
Poesie auch Eris eingezogen, und die wenigen Männer, deren Name
der deutschen Literatur nicht fremd, haben nichts Eiligeres zu thun,
als sich gegenseitig mit Koth zu bespritzen. -- Die erste harmlose
Besprechung von Tirols "poetischen Regungen" rief eine Reihe pole¬
mischer Artikel hervor, deren Verfasser mit mehr oder minder Geschick
Ill-o 1'",<-is et -ni" (?) kämpfend, nicht bedachten, wie wenig ehrenvoll
ihr Kampf sei, und wie das an Producrionen höheren Werthes noch
immer arme Land nur zum Gespötts der productiven deutschen Pro¬
vinzen werde, die nicht mit Unrecht "viel Geschrei und wenig Wolle"
sagen dürfen. -- Artikel aus Parteien- und Religionshaß hervor-


berger thun es/' Wir cMiben nicht, daß die hiesige Universität einen
Professor besitzt, der den Muth hätte, dem Minister mit solchem Frei¬
muth entgegen zu treten, wie es der ehrwürdige Burdach gethan, von
dem die Stadt Leipzig sich rühmen kann, daß sie ihn erzeugt und er¬
zogen hat. Herr Eichhorn hat dort manche unangenehme Wahrheit
hören müssen, und zwar hatte er sich dadurch seine Stellung noch
mißlicher gemacht, daß er gerade kurz vor seiner Abreise nach Königs¬
berg die nicht blos in Preußen, sondern im ganzen nördlichen Deutsch¬
land in vielen Auflagen verbreitete und allgemein beliebte Schullehrer¬
bibel von Dinter verbot. Der vor einigen Jahren in hohem Alter
verstorbene Consistorialrath und Professor Dinter (ebenfalls ein hal¬
ber Leipziger: er war nämlich in Borna geboren, studi?te in Leipzig
und war lange Pastor in Borna und Dresden) hatte an der Univer¬
sität sowohl, als in der Stadt Königsberg, deren beliebtester Prediger
er war, ein unvcrtilgbarcs Andenken hinterlassen, und nun trifft ihn
gerade der ministerielle Bannstrahl wegen seines angeblichen Rationa¬
lismus unmittelbar vor der Jubelfeier der während der Reformation
und zur Ausbreitung derselben gestifteten Universität! Der Minister
soll sehr verstimmt von Königsberg hier wieder angekommen sein.

Haben Sie schon davon gehört, daß unser Oberbürgermeister den
König bei seiner bevorstehenden Rückkehr singend empfangen will?
Es klingt zwar unglaublich, aber er hat selbst in einem Umlaufschrei-
ben an die städtischen Beamten dieselben aufgefordert, ihn bei jenem
Gesänge zu unterstützen.


Justus.
^
Ans Tirol.

Literoriscbe Bestrebungen, Lobhudeleien, Schmähungen und Zarismus. —
Jäger's Tyrsl im ^ahre - Beda Weber. - Eine Hausdurchsuchunq
und ein Unterthanentrcue-Revers.

Kaum tragt der Baum der Dichtung in unserem Baterlande
einige spärliche Blüthen und Früchte, so ist mit dem Frühling der
Poesie auch Eris eingezogen, und die wenigen Männer, deren Name
der deutschen Literatur nicht fremd, haben nichts Eiligeres zu thun,
als sich gegenseitig mit Koth zu bespritzen. — Die erste harmlose
Besprechung von Tirols „poetischen Regungen" rief eine Reihe pole¬
mischer Artikel hervor, deren Verfasser mit mehr oder minder Geschick
Ill-o 1'«,<-is et -ni« (?) kämpfend, nicht bedachten, wie wenig ehrenvoll
ihr Kampf sei, und wie das an Producrionen höheren Werthes noch
immer arme Land nur zum Gespötts der productiven deutschen Pro¬
vinzen werde, die nicht mit Unrecht „viel Geschrei und wenig Wolle"
sagen dürfen. — Artikel aus Parteien- und Religionshaß hervor-


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[0567] berger thun es/' Wir cMiben nicht, daß die hiesige Universität einen Professor besitzt, der den Muth hätte, dem Minister mit solchem Frei¬ muth entgegen zu treten, wie es der ehrwürdige Burdach gethan, von dem die Stadt Leipzig sich rühmen kann, daß sie ihn erzeugt und er¬ zogen hat. Herr Eichhorn hat dort manche unangenehme Wahrheit hören müssen, und zwar hatte er sich dadurch seine Stellung noch mißlicher gemacht, daß er gerade kurz vor seiner Abreise nach Königs¬ berg die nicht blos in Preußen, sondern im ganzen nördlichen Deutsch¬ land in vielen Auflagen verbreitete und allgemein beliebte Schullehrer¬ bibel von Dinter verbot. Der vor einigen Jahren in hohem Alter verstorbene Consistorialrath und Professor Dinter (ebenfalls ein hal¬ ber Leipziger: er war nämlich in Borna geboren, studi?te in Leipzig und war lange Pastor in Borna und Dresden) hatte an der Univer¬ sität sowohl, als in der Stadt Königsberg, deren beliebtester Prediger er war, ein unvcrtilgbarcs Andenken hinterlassen, und nun trifft ihn gerade der ministerielle Bannstrahl wegen seines angeblichen Rationa¬ lismus unmittelbar vor der Jubelfeier der während der Reformation und zur Ausbreitung derselben gestifteten Universität! Der Minister soll sehr verstimmt von Königsberg hier wieder angekommen sein. Haben Sie schon davon gehört, daß unser Oberbürgermeister den König bei seiner bevorstehenden Rückkehr singend empfangen will? Es klingt zwar unglaublich, aber er hat selbst in einem Umlaufschrei- ben an die städtischen Beamten dieselben aufgefordert, ihn bei jenem Gesänge zu unterstützen. Justus. ^ Ans Tirol. Literoriscbe Bestrebungen, Lobhudeleien, Schmähungen und Zarismus. — Jäger's Tyrsl im ^ahre - Beda Weber. - Eine Hausdurchsuchunq und ein Unterthanentrcue-Revers. Kaum tragt der Baum der Dichtung in unserem Baterlande einige spärliche Blüthen und Früchte, so ist mit dem Frühling der Poesie auch Eris eingezogen, und die wenigen Männer, deren Name der deutschen Literatur nicht fremd, haben nichts Eiligeres zu thun, als sich gegenseitig mit Koth zu bespritzen. — Die erste harmlose Besprechung von Tirols „poetischen Regungen" rief eine Reihe pole¬ mischer Artikel hervor, deren Verfasser mit mehr oder minder Geschick Ill-o 1'«,<-is et -ni« (?) kämpfend, nicht bedachten, wie wenig ehrenvoll ihr Kampf sei, und wie das an Producrionen höheren Werthes noch immer arme Land nur zum Gespötts der productiven deutschen Pro¬ vinzen werde, die nicht mit Unrecht „viel Geschrei und wenig Wolle" sagen dürfen. — Artikel aus Parteien- und Religionshaß hervor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/567>, abgerufen am 22.12.2024.