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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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i.
Aus B r e s l a u.

special-Censur-Instruction für Schlesien, mit rückwirkender Kraft. -- Duncker,
Thebens und die Schlesier aus Berlin. -- Theologen und Nichttheologen;
Streit um die Seligkeit; kirchliche Mäßigkeitsvereine.

Sie werden sich gewundert haben, daß ich in allen meinen Brie¬
fen stets auf das Capitel: Censur umständlich zurückkam. Man
konnte denken, ich hatte das aus jener kindischen Rachsucht gethan,
die den Tisch schlägt, weil sich das weiche Köpfchen dran gestoßen;
dem ist aber nicht so. Ich habe es durch Uebung schon so weit ge¬
bracht, die Leichen meiner Gedankenkinder mit thränenlosen Auge zu
betrachten. Es geschah vielmehr in der Absicht, um Ihnen den specifi¬
schen Unterschied zwischen der schlesischen und der preußischen
Censur nachzuweisen. Wenn ich gestand, daß ich nicht wisse, warum
unsere Nothstifte scharfer seien, als in allen anderen Provinzen, so
kann ich heute sagen, daß ich es nur zu gut weiß. Für Schlesien
gibt es ein special-Censurgesctz. Hören Sie, auf welche Art wir
hievon Kenntniß erhalten haben. Dem Publicisten Hrn. F. W. Wolfs
war ein Artikel von dem hiesigen Censor abermals gestrichen worden,
nachdem bereits das Ober-Censurgericht den ersten Strich für null
und nichtig erklärt hatte. Auf die abermalige Beschwerde über diese
anscheinende Willkür des Censors ist nun in diesen Tagen das Er¬
kenntniß vom Ober-Censurgerichte eingegangen, wonach der Druck des
Artikels nicht verstattet ist und zwar deshalb nicht verstattet ist, weil
nach der Alters. Ordre vom 14. Juli d. I. Besprechungen von "Ge¬
genständen, welche die unteren Volksclassen gegen die höheren, und
die Armen gegen die Reichen aufzuwiegeln geeignet sein könnten, bis
auf Weiteres den in der Provinz Schlesien erscheinenden Zeitungen,
Wochenblättern und Flugschriften gar nicht gestattet sein sollen." Zu¬
erst drängt sich die Frage auf: Weshalb ist die Ordre nicht publicirt


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i.
Aus B r e s l a u.

special-Censur-Instruction für Schlesien, mit rückwirkender Kraft. — Duncker,
Thebens und die Schlesier aus Berlin. — Theologen und Nichttheologen;
Streit um die Seligkeit; kirchliche Mäßigkeitsvereine.

Sie werden sich gewundert haben, daß ich in allen meinen Brie¬
fen stets auf das Capitel: Censur umständlich zurückkam. Man
konnte denken, ich hatte das aus jener kindischen Rachsucht gethan,
die den Tisch schlägt, weil sich das weiche Köpfchen dran gestoßen;
dem ist aber nicht so. Ich habe es durch Uebung schon so weit ge¬
bracht, die Leichen meiner Gedankenkinder mit thränenlosen Auge zu
betrachten. Es geschah vielmehr in der Absicht, um Ihnen den specifi¬
schen Unterschied zwischen der schlesischen und der preußischen
Censur nachzuweisen. Wenn ich gestand, daß ich nicht wisse, warum
unsere Nothstifte scharfer seien, als in allen anderen Provinzen, so
kann ich heute sagen, daß ich es nur zu gut weiß. Für Schlesien
gibt es ein special-Censurgesctz. Hören Sie, auf welche Art wir
hievon Kenntniß erhalten haben. Dem Publicisten Hrn. F. W. Wolfs
war ein Artikel von dem hiesigen Censor abermals gestrichen worden,
nachdem bereits das Ober-Censurgericht den ersten Strich für null
und nichtig erklärt hatte. Auf die abermalige Beschwerde über diese
anscheinende Willkür des Censors ist nun in diesen Tagen das Er¬
kenntniß vom Ober-Censurgerichte eingegangen, wonach der Druck des
Artikels nicht verstattet ist und zwar deshalb nicht verstattet ist, weil
nach der Alters. Ordre vom 14. Juli d. I. Besprechungen von „Ge¬
genständen, welche die unteren Volksclassen gegen die höheren, und
die Armen gegen die Reichen aufzuwiegeln geeignet sein könnten, bis
auf Weiteres den in der Provinz Schlesien erscheinenden Zeitungen,
Wochenblättern und Flugschriften gar nicht gestattet sein sollen." Zu¬
erst drängt sich die Frage auf: Weshalb ist die Ordre nicht publicirt


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[0477] T a g e b u es. i. Aus B r e s l a u. special-Censur-Instruction für Schlesien, mit rückwirkender Kraft. — Duncker, Thebens und die Schlesier aus Berlin. — Theologen und Nichttheologen; Streit um die Seligkeit; kirchliche Mäßigkeitsvereine. Sie werden sich gewundert haben, daß ich in allen meinen Brie¬ fen stets auf das Capitel: Censur umständlich zurückkam. Man konnte denken, ich hatte das aus jener kindischen Rachsucht gethan, die den Tisch schlägt, weil sich das weiche Köpfchen dran gestoßen; dem ist aber nicht so. Ich habe es durch Uebung schon so weit ge¬ bracht, die Leichen meiner Gedankenkinder mit thränenlosen Auge zu betrachten. Es geschah vielmehr in der Absicht, um Ihnen den specifi¬ schen Unterschied zwischen der schlesischen und der preußischen Censur nachzuweisen. Wenn ich gestand, daß ich nicht wisse, warum unsere Nothstifte scharfer seien, als in allen anderen Provinzen, so kann ich heute sagen, daß ich es nur zu gut weiß. Für Schlesien gibt es ein special-Censurgesctz. Hören Sie, auf welche Art wir hievon Kenntniß erhalten haben. Dem Publicisten Hrn. F. W. Wolfs war ein Artikel von dem hiesigen Censor abermals gestrichen worden, nachdem bereits das Ober-Censurgericht den ersten Strich für null und nichtig erklärt hatte. Auf die abermalige Beschwerde über diese anscheinende Willkür des Censors ist nun in diesen Tagen das Er¬ kenntniß vom Ober-Censurgerichte eingegangen, wonach der Druck des Artikels nicht verstattet ist und zwar deshalb nicht verstattet ist, weil nach der Alters. Ordre vom 14. Juli d. I. Besprechungen von „Ge¬ genständen, welche die unteren Volksclassen gegen die höheren, und die Armen gegen die Reichen aufzuwiegeln geeignet sein könnten, bis auf Weiteres den in der Provinz Schlesien erscheinenden Zeitungen, Wochenblättern und Flugschriften gar nicht gestattet sein sollen." Zu¬ erst drängt sich die Frage auf: Weshalb ist die Ordre nicht publicirt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/477>, abgerufen am 22.12.2024.