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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Briefe ans Dresden.



Julius Mosen in Oldenburg__Gutzkow's historisches Lustspiel. -- Die Schau¬
spieler. -- Emil Devriem und Caroline Bauer. -- Kein Dramaturge. --
Gemäldegalerie und Museum.

Die Erhebung deS Nationalgefühls wirkt auch auf das Drama
günstig ein; je freier sich der Geist eines Volkes bewegt, je mehr
Vertrauen und Selbständigkeit eS gewinnt, je mehr es thut und han-
delt, um so mehr werden sich Dichter finden, die in jener Entwick¬
lung sich erheben und als Organe der allgemeinen Volksgesinnung auf
diese lebensvoll wieder zurückwirken. Deutschland hat in der Natio-
nalenlwicklung mächtige Fortschritte gethan. So blüht auch unserem
Drama eine fröhliche Zukunft; jugendliche frische Kräfte regen sich
für dasselbe, die Theilnahme des Publicums, das so wenig Sinn
für das Drama halte, das so lange Zeit, weil ihm eben wenig An¬
regendes geboten wurde, sich unberührt zeigte, wird jetzt immermehr
für dasselbe gewonnen; das Interesse aller Stände wirkt thätig für
das Drama. Die Fürsten widmen ihm eine größere Aufmerksamkeit
und wenden ihm eine achtsame Sorgfalt zu. Jetzt hat der Groß-
herzog von Oldenburg den Dichter Julius Mosen als Dramaturgen
an seinem Hoftheater angestellt. Wenn auch diese Stadt nicht groß ist
und uns fern liegt an den Grenzen Teutschlands, so darf uns jene An¬
stellung schon darum nicht unbedeutend erscheinen, weil sie eben die
Theilnahme eines Fürsten an der Kunst bekundet und sein Beispiel
nicht ohne Consequenzen sein und Nachahmung erwecken wird.

Für Dresden selbst ist Mosen's Weggang freilich ein Verlust,
denn von den verbältniß mäßig wenigen Literaten, die sich hier befin¬
den, wird ihm der vorzüglichste entrissen. Auf des Dichters fernere
dramatische Schöpfungen wird aber die praktische Wirksamkeit sicher
einen günstigen Einfluß haben, er wird die Anforderungen der Bühne
mehr noch berücksichtigen. Sicher wird er auch in seiner Stellung


Briefe ans Dresden.



Julius Mosen in Oldenburg__Gutzkow's historisches Lustspiel. — Die Schau¬
spieler. — Emil Devriem und Caroline Bauer. — Kein Dramaturge. —
Gemäldegalerie und Museum.

Die Erhebung deS Nationalgefühls wirkt auch auf das Drama
günstig ein; je freier sich der Geist eines Volkes bewegt, je mehr
Vertrauen und Selbständigkeit eS gewinnt, je mehr es thut und han-
delt, um so mehr werden sich Dichter finden, die in jener Entwick¬
lung sich erheben und als Organe der allgemeinen Volksgesinnung auf
diese lebensvoll wieder zurückwirken. Deutschland hat in der Natio-
nalenlwicklung mächtige Fortschritte gethan. So blüht auch unserem
Drama eine fröhliche Zukunft; jugendliche frische Kräfte regen sich
für dasselbe, die Theilnahme des Publicums, das so wenig Sinn
für das Drama halte, das so lange Zeit, weil ihm eben wenig An¬
regendes geboten wurde, sich unberührt zeigte, wird jetzt immermehr
für dasselbe gewonnen; das Interesse aller Stände wirkt thätig für
das Drama. Die Fürsten widmen ihm eine größere Aufmerksamkeit
und wenden ihm eine achtsame Sorgfalt zu. Jetzt hat der Groß-
herzog von Oldenburg den Dichter Julius Mosen als Dramaturgen
an seinem Hoftheater angestellt. Wenn auch diese Stadt nicht groß ist
und uns fern liegt an den Grenzen Teutschlands, so darf uns jene An¬
stellung schon darum nicht unbedeutend erscheinen, weil sie eben die
Theilnahme eines Fürsten an der Kunst bekundet und sein Beispiel
nicht ohne Consequenzen sein und Nachahmung erwecken wird.

Für Dresden selbst ist Mosen's Weggang freilich ein Verlust,
denn von den verbältniß mäßig wenigen Literaten, die sich hier befin¬
den, wird ihm der vorzüglichste entrissen. Auf des Dichters fernere
dramatische Schöpfungen wird aber die praktische Wirksamkeit sicher
einen günstigen Einfluß haben, er wird die Anforderungen der Bühne
mehr noch berücksichtigen. Sicher wird er auch in seiner Stellung


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[0191] Briefe ans Dresden. Julius Mosen in Oldenburg__Gutzkow's historisches Lustspiel. — Die Schau¬ spieler. — Emil Devriem und Caroline Bauer. — Kein Dramaturge. — Gemäldegalerie und Museum. Die Erhebung deS Nationalgefühls wirkt auch auf das Drama günstig ein; je freier sich der Geist eines Volkes bewegt, je mehr Vertrauen und Selbständigkeit eS gewinnt, je mehr es thut und han- delt, um so mehr werden sich Dichter finden, die in jener Entwick¬ lung sich erheben und als Organe der allgemeinen Volksgesinnung auf diese lebensvoll wieder zurückwirken. Deutschland hat in der Natio- nalenlwicklung mächtige Fortschritte gethan. So blüht auch unserem Drama eine fröhliche Zukunft; jugendliche frische Kräfte regen sich für dasselbe, die Theilnahme des Publicums, das so wenig Sinn für das Drama halte, das so lange Zeit, weil ihm eben wenig An¬ regendes geboten wurde, sich unberührt zeigte, wird jetzt immermehr für dasselbe gewonnen; das Interesse aller Stände wirkt thätig für das Drama. Die Fürsten widmen ihm eine größere Aufmerksamkeit und wenden ihm eine achtsame Sorgfalt zu. Jetzt hat der Groß- herzog von Oldenburg den Dichter Julius Mosen als Dramaturgen an seinem Hoftheater angestellt. Wenn auch diese Stadt nicht groß ist und uns fern liegt an den Grenzen Teutschlands, so darf uns jene An¬ stellung schon darum nicht unbedeutend erscheinen, weil sie eben die Theilnahme eines Fürsten an der Kunst bekundet und sein Beispiel nicht ohne Consequenzen sein und Nachahmung erwecken wird. Für Dresden selbst ist Mosen's Weggang freilich ein Verlust, denn von den verbältniß mäßig wenigen Literaten, die sich hier befin¬ den, wird ihm der vorzüglichste entrissen. Auf des Dichters fernere dramatische Schöpfungen wird aber die praktische Wirksamkeit sicher einen günstigen Einfluß haben, er wird die Anforderungen der Bühne mehr noch berücksichtigen. Sicher wird er auch in seiner Stellung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/191>, abgerufen am 22.07.2024.