Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.T a g e b u eh. i. Aus Prag. Der neue Gouverneur. -- Hoffnungen. -- Die Provinzialpresse und die Cen¬ sur; Folgen der Centralisation. -- Fünf deutsche Journale. Die Jnstallirung des Erzherzogs Stephan als Gouverneur von T a g e b u eh. i. Aus Prag. Der neue Gouverneur. — Hoffnungen. — Die Provinzialpresse und die Cen¬ sur; Folgen der Centralisation. — Fünf deutsche Journale. Die Jnstallirung des Erzherzogs Stephan als Gouverneur von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0168" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179881"/> </div> <div n="1"> <head> T a g e b u eh.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> i.<lb/> Aus Prag.</head><lb/> <note type="argument"> Der neue Gouverneur. — Hoffnungen. — Die Provinzialpresse und die Cen¬<lb/> sur; Folgen der Centralisation. — Fünf deutsche Journale.</note><lb/> <p xml:id="ID_463"> Die Jnstallirung des Erzherzogs Stephan als Gouverneur von<lb/> Böhmen hat vielerlei Hoffnungen rege gemacht. Das Ereigniß hat<lb/> allerdings für das, von vielfachen neuen Culturbewsgungen erregte<lb/> Böhmen eine wichtige politische Bedeutung. Seit vielen Jahren<lb/> war diese reiche österreichische Provinz blos von Oberstburggrafen<lb/> administrirt. Diese wurden gewöhnlich aus dem Adel des Landes ge¬<lb/> wählt und hatten eine zu schwere Verantwortlichkeit auf ihren Schul¬<lb/> tern lasten, um in wichtigen Augenblicken, wo der Chef einer Regie¬<lb/> rung energisch aus sich selbst schöpfen muß, selbständig handelnd auf¬<lb/> treten zu können. Zudem pflanzte die Intrigue und die Eifersucht<lb/> manches Standesgenossen genug der Dornen dem Oberstburggrafcn in<lb/> den Weg. Nach Oben sich vertheidigend und nach Unten anordnende<lb/> Befehle ertheilend, mußten die böhmischen Oberstburggrafcn bisher Hof¬<lb/> männer, Diplomaten und Administratoren in ein und derselben Per¬<lb/> son sein, und nicht Jeder hatte das Talent, diese drei Eigenschaften<lb/> zu vereinen. — Indem nun Böhmen gleich Ungarn und dem lom¬<lb/> bardisch-venezianischen Königreiche einen kaiserlichen Prinzen an die.<lb/> Spitze seiner politischen Verwaltung erhält, wird der Entwickelung des<lb/> Landes offenbar eine neue Phase geöffnet. Viele kostbare Zeit, die<lb/> früher durch die Aufklärungen, welche die Wiener Ccntralrcgicrung ver¬<lb/> langte, verschwendet wurde, wird jetzt bei neuen Unternehmungen er¬<lb/> spart werden, da der Hof in der Gegenwart eines seiner Erzherzoge<lb/> eine Garantie gegen persönliche ehrgeizige Absichten und Zwecke findet.<lb/> Andererseits muß der Einfluß eines kaiserlichen Prinzen auch nach<lb/> Unten zu belebend wirken, und Manches, was einem Obcrstburggrafen<lb/> bei neuen Organisationen ein unübersteigliches Hinderniß gewesen<lb/> wäre, wird von Seiten des stolzen Landesadels dem Wunsche und der<lb/> Verwendung deS neuen Gouverneurs gefällig weichen. —</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0168]
T a g e b u eh.
i.
Aus Prag.
Der neue Gouverneur. — Hoffnungen. — Die Provinzialpresse und die Cen¬
sur; Folgen der Centralisation. — Fünf deutsche Journale.
Die Jnstallirung des Erzherzogs Stephan als Gouverneur von
Böhmen hat vielerlei Hoffnungen rege gemacht. Das Ereigniß hat
allerdings für das, von vielfachen neuen Culturbewsgungen erregte
Böhmen eine wichtige politische Bedeutung. Seit vielen Jahren
war diese reiche österreichische Provinz blos von Oberstburggrafen
administrirt. Diese wurden gewöhnlich aus dem Adel des Landes ge¬
wählt und hatten eine zu schwere Verantwortlichkeit auf ihren Schul¬
tern lasten, um in wichtigen Augenblicken, wo der Chef einer Regie¬
rung energisch aus sich selbst schöpfen muß, selbständig handelnd auf¬
treten zu können. Zudem pflanzte die Intrigue und die Eifersucht
manches Standesgenossen genug der Dornen dem Oberstburggrafcn in
den Weg. Nach Oben sich vertheidigend und nach Unten anordnende
Befehle ertheilend, mußten die böhmischen Oberstburggrafcn bisher Hof¬
männer, Diplomaten und Administratoren in ein und derselben Per¬
son sein, und nicht Jeder hatte das Talent, diese drei Eigenschaften
zu vereinen. — Indem nun Böhmen gleich Ungarn und dem lom¬
bardisch-venezianischen Königreiche einen kaiserlichen Prinzen an die.
Spitze seiner politischen Verwaltung erhält, wird der Entwickelung des
Landes offenbar eine neue Phase geöffnet. Viele kostbare Zeit, die
früher durch die Aufklärungen, welche die Wiener Ccntralrcgicrung ver¬
langte, verschwendet wurde, wird jetzt bei neuen Unternehmungen er¬
spart werden, da der Hof in der Gegenwart eines seiner Erzherzoge
eine Garantie gegen persönliche ehrgeizige Absichten und Zwecke findet.
Andererseits muß der Einfluß eines kaiserlichen Prinzen auch nach
Unten zu belebend wirken, und Manches, was einem Obcrstburggrafen
bei neuen Organisationen ein unübersteigliches Hinderniß gewesen
wäre, wird von Seiten des stolzen Landesadels dem Wunsche und der
Verwendung deS neuen Gouverneurs gefällig weichen. —
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