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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Donna Elvira und Ottavio noch ein Mal auftreten, weglassen.
Denn, nachdem Don Juan vom Teufel geholt wurde, waS kann das
deutsche Volk da noch interessiren? Auch im Othello mußte man
die letzte Meisterscene aus gleichen Gründen streichen, während sie in
dem unphilosophischen Italien und Frankreich gesungen wird. Be¬
steht nun aber ein dramatischer Dichter darauf, daß die letzte Scene,
die er als poetischen Schlußstein, als Frucht der ganzen dramatischen
Fabel nöthig hat, gespielt werde, so sieht er mit trübem Herzen die
eine Hälfte des Auditoriums die Plätze verlassen; das Geräusch
stört die Aufmerksamkeit der andern Hälfte, und der Vorhang fällt
endlich unter allgemeiner Lauheit; das Stück, das bis zur vorletzten
Scene einen günstigen Erfolg hatte, scheint ihn plötzlich völlig einge¬
büßt zu haben. Die Schauspieler werden schwach oder auch gar
nicht gerufen. Alles scheidet in einer unbehaglichen Stimmung; denn
wohl gemerkt, dieses Volk der Denker vergißt die Wohlthaten eines
ganzen Abends während einer einzigen Scene. ES küßt den Dichter,
den Darsteller nur, so lange es den Zucker auf der Zunge hat. --
Gibt nun aber der Dichter den Vorstellungen des Regisseurs und
der mitwirkenden Darsteller nach und streicht mit blutendem Herzen
die letzte Scene, dann kommt die Kritik, die deutsche Kritik, die um
keine Praris sich kümmert, weil sie Nichts von ihr versteht, und geißelt
den armen, ohnehin genug unglücklichen Poeten und hält ihm ein
ganzes Register von Sünden vor, die er gewiß gesühnt hätte, wenn
er nur sein letztes Wort hätte sprechen können. Und was das
Schlimmste ist: das deutsche Publicum, der wüthigste Necensionenfresser
der Welt, macht gleich Chorus hinter den Kritikern her und derselbe
Götze, dem der arme Dichter das Herz seines Kindes geopfert, ver¬
urtheilt ihn nun als einen gemeinen Baalsdiener.

Diene Einer dem deutschen Parterre!


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Donna Elvira und Ottavio noch ein Mal auftreten, weglassen.
Denn, nachdem Don Juan vom Teufel geholt wurde, waS kann das
deutsche Volk da noch interessiren? Auch im Othello mußte man
die letzte Meisterscene aus gleichen Gründen streichen, während sie in
dem unphilosophischen Italien und Frankreich gesungen wird. Be¬
steht nun aber ein dramatischer Dichter darauf, daß die letzte Scene,
die er als poetischen Schlußstein, als Frucht der ganzen dramatischen
Fabel nöthig hat, gespielt werde, so sieht er mit trübem Herzen die
eine Hälfte des Auditoriums die Plätze verlassen; das Geräusch
stört die Aufmerksamkeit der andern Hälfte, und der Vorhang fällt
endlich unter allgemeiner Lauheit; das Stück, das bis zur vorletzten
Scene einen günstigen Erfolg hatte, scheint ihn plötzlich völlig einge¬
büßt zu haben. Die Schauspieler werden schwach oder auch gar
nicht gerufen. Alles scheidet in einer unbehaglichen Stimmung; denn
wohl gemerkt, dieses Volk der Denker vergißt die Wohlthaten eines
ganzen Abends während einer einzigen Scene. ES küßt den Dichter,
den Darsteller nur, so lange es den Zucker auf der Zunge hat. —
Gibt nun aber der Dichter den Vorstellungen des Regisseurs und
der mitwirkenden Darsteller nach und streicht mit blutendem Herzen
die letzte Scene, dann kommt die Kritik, die deutsche Kritik, die um
keine Praris sich kümmert, weil sie Nichts von ihr versteht, und geißelt
den armen, ohnehin genug unglücklichen Poeten und hält ihm ein
ganzes Register von Sünden vor, die er gewiß gesühnt hätte, wenn
er nur sein letztes Wort hätte sprechen können. Und was das
Schlimmste ist: das deutsche Publicum, der wüthigste Necensionenfresser
der Welt, macht gleich Chorus hinter den Kritikern her und derselbe
Götze, dem der arme Dichter das Herz seines Kindes geopfert, ver¬
urtheilt ihn nun als einen gemeinen Baalsdiener.

Diene Einer dem deutschen Parterre!


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[0167] Donna Elvira und Ottavio noch ein Mal auftreten, weglassen. Denn, nachdem Don Juan vom Teufel geholt wurde, waS kann das deutsche Volk da noch interessiren? Auch im Othello mußte man die letzte Meisterscene aus gleichen Gründen streichen, während sie in dem unphilosophischen Italien und Frankreich gesungen wird. Be¬ steht nun aber ein dramatischer Dichter darauf, daß die letzte Scene, die er als poetischen Schlußstein, als Frucht der ganzen dramatischen Fabel nöthig hat, gespielt werde, so sieht er mit trübem Herzen die eine Hälfte des Auditoriums die Plätze verlassen; das Geräusch stört die Aufmerksamkeit der andern Hälfte, und der Vorhang fällt endlich unter allgemeiner Lauheit; das Stück, das bis zur vorletzten Scene einen günstigen Erfolg hatte, scheint ihn plötzlich völlig einge¬ büßt zu haben. Die Schauspieler werden schwach oder auch gar nicht gerufen. Alles scheidet in einer unbehaglichen Stimmung; denn wohl gemerkt, dieses Volk der Denker vergißt die Wohlthaten eines ganzen Abends während einer einzigen Scene. ES küßt den Dichter, den Darsteller nur, so lange es den Zucker auf der Zunge hat. — Gibt nun aber der Dichter den Vorstellungen des Regisseurs und der mitwirkenden Darsteller nach und streicht mit blutendem Herzen die letzte Scene, dann kommt die Kritik, die deutsche Kritik, die um keine Praris sich kümmert, weil sie Nichts von ihr versteht, und geißelt den armen, ohnehin genug unglücklichen Poeten und hält ihm ein ganzes Register von Sünden vor, die er gewiß gesühnt hätte, wenn er nur sein letztes Wort hätte sprechen können. Und was das Schlimmste ist: das deutsche Publicum, der wüthigste Necensionenfresser der Welt, macht gleich Chorus hinter den Kritikern her und derselbe Götze, dem der arme Dichter das Herz seines Kindes geopfert, ver¬ urtheilt ihn nun als einen gemeinen Baalsdiener. Diene Einer dem deutschen Parterre! I. K—da. 21 >

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/167>, abgerufen am 22.12.2024.