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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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H a M b u r g n a es dem Brande.
Zerstreute Skizzen
vür
G. S.



I.

Der eigentlich pittoresken Punkte und Massen, welche Hamburg
während des Feuers und unmittelbar daraus darbot, werden immer we¬
niger; nicht lange, so fallen auch die letzten standhaften Mauerblöcke,
die der Wuth einen furchtbaren Trotz entgegen gesetzt haben, diese hohen,
hohlen Giebel, diese einzelnen schmalen Wände, diese Pyramiden und
Zickzacke und diese Reste von Thurm und Kirchen. Bald wird Alles
Ein großer, kahler Scheiterhaufen sein, zwischen welchem die schattenlosen
weißen Straßen vor Grauen sich selbst den Weg zu kürzen scheinen.
Dann erst ist die Stätte traurig einzusehn; jetzt findet das Auge noch
Ruhepunkte, auf denen es hasten kann, wenn auch nur um dem Ge¬
danken, eine Augenweide darzubieten, auf welcher Leid und Trübsal freien
Lauf finden. So lange noch allnächtlich die rothe Gluth auflodert und
hie und da im Mondlicht und, stiller klarer, Luft der dichte, blaue Dampf
emporkräuselt; so lange die monotonen Stöße der pumpenden Spritze
noch ertönen; so lange der Blick noch aus zwei große mächtige Ruinen,
eine von Se. Petri, eine andere von Se. Nicolai stößt, wird der
Wandrer mit Wehmuth vor diesem Schauplatz der Verwüstung weilen.
Aber dann, wenn nichts ist wie Eine Masse, Schutt auf Schutt, Trüm¬
mer über Trümmer, wenn die Menschen darüber hinweggckrochcn sind,
wie flüchtige Ameisen über einen zerstörten Bau, dann wird eS häßli¬
cher und trauriger sein wie eine Sandwüste. Die Künstler scheinen das
sehr richtig vorauSzufühlen. Biow sitzt im hellen Sonnenbrande, in der


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Zerstreute Skizzen
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G. S.



I.

Der eigentlich pittoresken Punkte und Massen, welche Hamburg
während des Feuers und unmittelbar daraus darbot, werden immer we¬
niger; nicht lange, so fallen auch die letzten standhaften Mauerblöcke,
die der Wuth einen furchtbaren Trotz entgegen gesetzt haben, diese hohen,
hohlen Giebel, diese einzelnen schmalen Wände, diese Pyramiden und
Zickzacke und diese Reste von Thurm und Kirchen. Bald wird Alles
Ein großer, kahler Scheiterhaufen sein, zwischen welchem die schattenlosen
weißen Straßen vor Grauen sich selbst den Weg zu kürzen scheinen.
Dann erst ist die Stätte traurig einzusehn; jetzt findet das Auge noch
Ruhepunkte, auf denen es hasten kann, wenn auch nur um dem Ge¬
danken, eine Augenweide darzubieten, auf welcher Leid und Trübsal freien
Lauf finden. So lange noch allnächtlich die rothe Gluth auflodert und
hie und da im Mondlicht und, stiller klarer, Luft der dichte, blaue Dampf
emporkräuselt; so lange die monotonen Stöße der pumpenden Spritze
noch ertönen; so lange der Blick noch aus zwei große mächtige Ruinen,
eine von Se. Petri, eine andere von Se. Nicolai stößt, wird der
Wandrer mit Wehmuth vor diesem Schauplatz der Verwüstung weilen.
Aber dann, wenn nichts ist wie Eine Masse, Schutt auf Schutt, Trüm¬
mer über Trümmer, wenn die Menschen darüber hinweggckrochcn sind,
wie flüchtige Ameisen über einen zerstörten Bau, dann wird eS häßli¬
cher und trauriger sein wie eine Sandwüste. Die Künstler scheinen das
sehr richtig vorauSzufühlen. Biow sitzt im hellen Sonnenbrande, in der


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[0565] H a M b u r g n a es dem Brande. Zerstreute Skizzen vür G. S. I. Der eigentlich pittoresken Punkte und Massen, welche Hamburg während des Feuers und unmittelbar daraus darbot, werden immer we¬ niger; nicht lange, so fallen auch die letzten standhaften Mauerblöcke, die der Wuth einen furchtbaren Trotz entgegen gesetzt haben, diese hohen, hohlen Giebel, diese einzelnen schmalen Wände, diese Pyramiden und Zickzacke und diese Reste von Thurm und Kirchen. Bald wird Alles Ein großer, kahler Scheiterhaufen sein, zwischen welchem die schattenlosen weißen Straßen vor Grauen sich selbst den Weg zu kürzen scheinen. Dann erst ist die Stätte traurig einzusehn; jetzt findet das Auge noch Ruhepunkte, auf denen es hasten kann, wenn auch nur um dem Ge¬ danken, eine Augenweide darzubieten, auf welcher Leid und Trübsal freien Lauf finden. So lange noch allnächtlich die rothe Gluth auflodert und hie und da im Mondlicht und, stiller klarer, Luft der dichte, blaue Dampf emporkräuselt; so lange die monotonen Stöße der pumpenden Spritze noch ertönen; so lange der Blick noch aus zwei große mächtige Ruinen, eine von Se. Petri, eine andere von Se. Nicolai stößt, wird der Wandrer mit Wehmuth vor diesem Schauplatz der Verwüstung weilen. Aber dann, wenn nichts ist wie Eine Masse, Schutt auf Schutt, Trüm¬ mer über Trümmer, wenn die Menschen darüber hinweggckrochcn sind, wie flüchtige Ameisen über einen zerstörten Bau, dann wird eS häßli¬ cher und trauriger sein wie eine Sandwüste. Die Künstler scheinen das sehr richtig vorauSzufühlen. Biow sitzt im hellen Sonnenbrande, in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/565>, abgerufen am 27.06.2024.