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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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außer der Mainzer politischen Zeitung drei UnterhaltnngSülätter: das Rheinland
von Wiese, der rheinische Telegraph, von einem ehemaligen Arzt Dr. Reis redi-
girt, und die Mainzer Unterhaltungsblätter, welche ein HerrVölsche leitet. Das
erste und das letzte Blatt liegen im Kriege mit einander, wobei Wiese manchen gu¬
ten Spaß bringt. In diesen drei Blättern besteht die ganze Mainzer schöne Lite¬
ratur, denn Berthold Auerbach, der seit zwei Jahren hier wohnt, ist blos als
Gast zu betrachten. Ein talentvoller junger Poet, Kalisch, von dem die elegante
Zeitung einige gelungene Arbeiten enthielt, ist gleichfalls eine exotische Pflanze, die
sich zufällig hierher verirrte. Was den Buchhandel betrifft, so ist er mchtgecignet,
junge Talente aufzumuntern und anzuziehen. Die beiden wohlhabendsten Handlun¬
gen beschäftigen sich nur mit dem Verlag von Gebetbüchern und katholischen Schrif¬
ten; eine dritte gedenkt nach Magdeburg überzusiedeln. Ein geschichtliches Werk
über Kur-Mainz, das bedeutendste, was über diesen Gegenstand bisher geliefert
wurde, hat hier nicht ein Mal einen Verleger gefunden und mußte nach Hamburg
wandern. Dies ist das Schicksal des gedruckten Worts in der Stadt Guttenbergs.

Daß sich auch hier ein Dombauvercin gebildet hat, wissen Sie wohl. ES gab
Mär Anfangs eine Opposition, die da meinte, daß, wenn wir Dome bauen wollen,
wir zuerst bei unserm eigenen anfangen sollten, indessen wollte man den alten
Vorwurf, die Mainzer seien aus alter Anhänglichkeit an die Franzosen gegen jede
deutsche Sache, von sich ablehnen, und so bildete sich ein Leimes Conn-5. Doch
werden die Beiträge schwerlich auf fünfzig Millionen sich belaufen,-um so weniger
als die öffentliche Theilnahme durch das beispiellose Unglück Hamburgs zu ganz
andern Beisteuern sich gedrungen fühlt. Das wirklich großartige Beispiel, welches
das benachbarte Frankfurt gegeben, wo der Senat gleich den Tag, nach welchem
die Nachricht von dem gräßlichen Brande eintraf, aus den Kassen der Stadt eine
Unterstützung von .einmalhunderttausend Gulden votirte, während zugleich ein
Comite von Privatmännern eine Collecte veranstaltete, welche eine gleiche Summe
einbrachte; dies Beispiel wirkte electrisch auch auf Mainz, und Sie werden hof¬
fentlich bald schöne Resultate hören. Der Kölner Dombau hat durch das Ham¬
burger Unglück einen harten Stoß bekommen, und Deutschland wird seinen Ueber-
fluß und seine Wohlthätigkeit jetzt einer'ganz andern Stadt zuwenden, als dem
-- ! --- reichen Köln.




2.
Frack, Wohlgeboren und Tabakspfeife.

Welches ist das revolutionärste Blatt in Deutschland? Der allgemeine An¬
zeiger der Deutschen, der in Gotha herauskommt. Der allgemeine Anzeiger wird
sich verwundert stellen. Aber glaubet seinem naiven, unbefangenen LammSgesichtc >


außer der Mainzer politischen Zeitung drei UnterhaltnngSülätter: das Rheinland
von Wiese, der rheinische Telegraph, von einem ehemaligen Arzt Dr. Reis redi-
girt, und die Mainzer Unterhaltungsblätter, welche ein HerrVölsche leitet. Das
erste und das letzte Blatt liegen im Kriege mit einander, wobei Wiese manchen gu¬
ten Spaß bringt. In diesen drei Blättern besteht die ganze Mainzer schöne Lite¬
ratur, denn Berthold Auerbach, der seit zwei Jahren hier wohnt, ist blos als
Gast zu betrachten. Ein talentvoller junger Poet, Kalisch, von dem die elegante
Zeitung einige gelungene Arbeiten enthielt, ist gleichfalls eine exotische Pflanze, die
sich zufällig hierher verirrte. Was den Buchhandel betrifft, so ist er mchtgecignet,
junge Talente aufzumuntern und anzuziehen. Die beiden wohlhabendsten Handlun¬
gen beschäftigen sich nur mit dem Verlag von Gebetbüchern und katholischen Schrif¬
ten; eine dritte gedenkt nach Magdeburg überzusiedeln. Ein geschichtliches Werk
über Kur-Mainz, das bedeutendste, was über diesen Gegenstand bisher geliefert
wurde, hat hier nicht ein Mal einen Verleger gefunden und mußte nach Hamburg
wandern. Dies ist das Schicksal des gedruckten Worts in der Stadt Guttenbergs.

Daß sich auch hier ein Dombauvercin gebildet hat, wissen Sie wohl. ES gab
Mär Anfangs eine Opposition, die da meinte, daß, wenn wir Dome bauen wollen,
wir zuerst bei unserm eigenen anfangen sollten, indessen wollte man den alten
Vorwurf, die Mainzer seien aus alter Anhänglichkeit an die Franzosen gegen jede
deutsche Sache, von sich ablehnen, und so bildete sich ein Leimes Conn-5. Doch
werden die Beiträge schwerlich auf fünfzig Millionen sich belaufen,-um so weniger
als die öffentliche Theilnahme durch das beispiellose Unglück Hamburgs zu ganz
andern Beisteuern sich gedrungen fühlt. Das wirklich großartige Beispiel, welches
das benachbarte Frankfurt gegeben, wo der Senat gleich den Tag, nach welchem
die Nachricht von dem gräßlichen Brande eintraf, aus den Kassen der Stadt eine
Unterstützung von .einmalhunderttausend Gulden votirte, während zugleich ein
Comite von Privatmännern eine Collecte veranstaltete, welche eine gleiche Summe
einbrachte; dies Beispiel wirkte electrisch auch auf Mainz, und Sie werden hof¬
fentlich bald schöne Resultate hören. Der Kölner Dombau hat durch das Ham¬
burger Unglück einen harten Stoß bekommen, und Deutschland wird seinen Ueber-
fluß und seine Wohlthätigkeit jetzt einer'ganz andern Stadt zuwenden, als dem
— ! —- reichen Köln.




2.
Frack, Wohlgeboren und Tabakspfeife.

Welches ist das revolutionärste Blatt in Deutschland? Der allgemeine An¬
zeiger der Deutschen, der in Gotha herauskommt. Der allgemeine Anzeiger wird
sich verwundert stellen. Aber glaubet seinem naiven, unbefangenen LammSgesichtc >


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[0520] außer der Mainzer politischen Zeitung drei UnterhaltnngSülätter: das Rheinland von Wiese, der rheinische Telegraph, von einem ehemaligen Arzt Dr. Reis redi- girt, und die Mainzer Unterhaltungsblätter, welche ein HerrVölsche leitet. Das erste und das letzte Blatt liegen im Kriege mit einander, wobei Wiese manchen gu¬ ten Spaß bringt. In diesen drei Blättern besteht die ganze Mainzer schöne Lite¬ ratur, denn Berthold Auerbach, der seit zwei Jahren hier wohnt, ist blos als Gast zu betrachten. Ein talentvoller junger Poet, Kalisch, von dem die elegante Zeitung einige gelungene Arbeiten enthielt, ist gleichfalls eine exotische Pflanze, die sich zufällig hierher verirrte. Was den Buchhandel betrifft, so ist er mchtgecignet, junge Talente aufzumuntern und anzuziehen. Die beiden wohlhabendsten Handlun¬ gen beschäftigen sich nur mit dem Verlag von Gebetbüchern und katholischen Schrif¬ ten; eine dritte gedenkt nach Magdeburg überzusiedeln. Ein geschichtliches Werk über Kur-Mainz, das bedeutendste, was über diesen Gegenstand bisher geliefert wurde, hat hier nicht ein Mal einen Verleger gefunden und mußte nach Hamburg wandern. Dies ist das Schicksal des gedruckten Worts in der Stadt Guttenbergs. Daß sich auch hier ein Dombauvercin gebildet hat, wissen Sie wohl. ES gab Mär Anfangs eine Opposition, die da meinte, daß, wenn wir Dome bauen wollen, wir zuerst bei unserm eigenen anfangen sollten, indessen wollte man den alten Vorwurf, die Mainzer seien aus alter Anhänglichkeit an die Franzosen gegen jede deutsche Sache, von sich ablehnen, und so bildete sich ein Leimes Conn-5. Doch werden die Beiträge schwerlich auf fünfzig Millionen sich belaufen,-um so weniger als die öffentliche Theilnahme durch das beispiellose Unglück Hamburgs zu ganz andern Beisteuern sich gedrungen fühlt. Das wirklich großartige Beispiel, welches das benachbarte Frankfurt gegeben, wo der Senat gleich den Tag, nach welchem die Nachricht von dem gräßlichen Brande eintraf, aus den Kassen der Stadt eine Unterstützung von .einmalhunderttausend Gulden votirte, während zugleich ein Comite von Privatmännern eine Collecte veranstaltete, welche eine gleiche Summe einbrachte; dies Beispiel wirkte electrisch auch auf Mainz, und Sie werden hof¬ fentlich bald schöne Resultate hören. Der Kölner Dombau hat durch das Ham¬ burger Unglück einen harten Stoß bekommen, und Deutschland wird seinen Ueber- fluß und seine Wohlthätigkeit jetzt einer'ganz andern Stadt zuwenden, als dem — ! —- reichen Köln. 2. Frack, Wohlgeboren und Tabakspfeife. Welches ist das revolutionärste Blatt in Deutschland? Der allgemeine An¬ zeiger der Deutschen, der in Gotha herauskommt. Der allgemeine Anzeiger wird sich verwundert stellen. Aber glaubet seinem naiven, unbefangenen LammSgesichtc >

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/520>, abgerufen am 27.06.2024.