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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Plaudereien aus Mainz.

De" Mhein und der Zapfenstreich. -- Bibm'es und die Fremden. -- Schnelle Reisen,
Die Literaten, Der Kölner Dom Und der Hamburger Brand.

Ueber mir der'dunkle Abendhimmel mit seinen Gestirnen, vor mir der Rhein
mit-seinen Wen Fluchen, von gespenstischen Dampfschiffen durchzogen, geschäftige
Menschen mit Laternen eilen wie Irrlichter am Ufer Hin und her, die lange Rhein¬
brücke steckt wie ein Leviathan den Riesenleib über den breiten Fluß, die Rhein-
Mften Mppern stille Mendsprüche, der Mond schleicht sich leise aus den Wolken,
um unbemerkt sein Reich zu belauschen; ich aber sitze am Fenster, und der warme
Nachtlvind lüftet das Papier, auf welchem ich Ihnen schreibe, mit neckischen Spiele.
Wenn nur der Zapfenstreich nicht wäre! Da kommen die dreißig österreichischen
und preußischen Trommler, und stören meinen stillen Nachtgenuß und wecken den
Rhein aus seinem ersten Schlummer. Welch Gcwirbel! Nun ja, wir wissen ja,
daß Ihr unsere Herren seid, Männer des Kriegs, wir erkennen Eure Herrschaft,
Eure Macht an, nicht nur wir, sondern auch unsere Weiber und Töchter. Warum
müßt Ihr uns jeden Augenblick daran erinnern? Wahrlich der Himmel wacht,
daß der Glückliche nicht übermüthig werde. Zeigt mir einen schöneren Punkt der
Welt, als dies Mainz, das wie ein glückliches Kind am Busen des Rheins schlum¬
mert, von Reben bekränzt -- sorgenlos und fröhlich I Aber um es vor Uebermuth
zu bewahren, hat es der Herr zu einer Vestung gemacht, und österreichische und
preußische Sporen und Schwerter klirren durch seine Straßen, und mitten im tief¬
sten Frieden ruft ihr Anblick ein memento inor!, gedenke des Kriegs, in die Seele.
Sonderbares Schicksal des Rheins und seiner Bewohner, von der Natur zum Frie¬
den, zum Genuß, zur ruhigen Beschaulichkeit geschaffen, wurden sie immer ein
Werkzeug wilden Streits. Welcher deutsche Fluß trägt den Stempel heiliger Ruhe,





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Plaudereien aus Mainz.

De» Mhein und der Zapfenstreich. — Bibm'es und die Fremden. — Schnelle Reisen,
Die Literaten, Der Kölner Dom Und der Hamburger Brand.

Ueber mir der'dunkle Abendhimmel mit seinen Gestirnen, vor mir der Rhein
mit-seinen Wen Fluchen, von gespenstischen Dampfschiffen durchzogen, geschäftige
Menschen mit Laternen eilen wie Irrlichter am Ufer Hin und her, die lange Rhein¬
brücke steckt wie ein Leviathan den Riesenleib über den breiten Fluß, die Rhein-
Mften Mppern stille Mendsprüche, der Mond schleicht sich leise aus den Wolken,
um unbemerkt sein Reich zu belauschen; ich aber sitze am Fenster, und der warme
Nachtlvind lüftet das Papier, auf welchem ich Ihnen schreibe, mit neckischen Spiele.
Wenn nur der Zapfenstreich nicht wäre! Da kommen die dreißig österreichischen
und preußischen Trommler, und stören meinen stillen Nachtgenuß und wecken den
Rhein aus seinem ersten Schlummer. Welch Gcwirbel! Nun ja, wir wissen ja,
daß Ihr unsere Herren seid, Männer des Kriegs, wir erkennen Eure Herrschaft,
Eure Macht an, nicht nur wir, sondern auch unsere Weiber und Töchter. Warum
müßt Ihr uns jeden Augenblick daran erinnern? Wahrlich der Himmel wacht,
daß der Glückliche nicht übermüthig werde. Zeigt mir einen schöneren Punkt der
Welt, als dies Mainz, das wie ein glückliches Kind am Busen des Rheins schlum¬
mert, von Reben bekränzt — sorgenlos und fröhlich I Aber um es vor Uebermuth
zu bewahren, hat es der Herr zu einer Vestung gemacht, und österreichische und
preußische Sporen und Schwerter klirren durch seine Straßen, und mitten im tief¬
sten Frieden ruft ihr Anblick ein memento inor!, gedenke des Kriegs, in die Seele.
Sonderbares Schicksal des Rheins und seiner Bewohner, von der Natur zum Frie¬
den, zum Genuß, zur ruhigen Beschaulichkeit geschaffen, wurden sie immer ein
Werkzeug wilden Streits. Welcher deutsche Fluß trägt den Stempel heiliger Ruhe,


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[0518] !. Plaudereien aus Mainz. De» Mhein und der Zapfenstreich. — Bibm'es und die Fremden. — Schnelle Reisen, Die Literaten, Der Kölner Dom Und der Hamburger Brand. Ueber mir der'dunkle Abendhimmel mit seinen Gestirnen, vor mir der Rhein mit-seinen Wen Fluchen, von gespenstischen Dampfschiffen durchzogen, geschäftige Menschen mit Laternen eilen wie Irrlichter am Ufer Hin und her, die lange Rhein¬ brücke steckt wie ein Leviathan den Riesenleib über den breiten Fluß, die Rhein- Mften Mppern stille Mendsprüche, der Mond schleicht sich leise aus den Wolken, um unbemerkt sein Reich zu belauschen; ich aber sitze am Fenster, und der warme Nachtlvind lüftet das Papier, auf welchem ich Ihnen schreibe, mit neckischen Spiele. Wenn nur der Zapfenstreich nicht wäre! Da kommen die dreißig österreichischen und preußischen Trommler, und stören meinen stillen Nachtgenuß und wecken den Rhein aus seinem ersten Schlummer. Welch Gcwirbel! Nun ja, wir wissen ja, daß Ihr unsere Herren seid, Männer des Kriegs, wir erkennen Eure Herrschaft, Eure Macht an, nicht nur wir, sondern auch unsere Weiber und Töchter. Warum müßt Ihr uns jeden Augenblick daran erinnern? Wahrlich der Himmel wacht, daß der Glückliche nicht übermüthig werde. Zeigt mir einen schöneren Punkt der Welt, als dies Mainz, das wie ein glückliches Kind am Busen des Rheins schlum¬ mert, von Reben bekränzt — sorgenlos und fröhlich I Aber um es vor Uebermuth zu bewahren, hat es der Herr zu einer Vestung gemacht, und österreichische und preußische Sporen und Schwerter klirren durch seine Straßen, und mitten im tief¬ sten Frieden ruft ihr Anblick ein memento inor!, gedenke des Kriegs, in die Seele. Sonderbares Schicksal des Rheins und seiner Bewohner, von der Natur zum Frie¬ den, zum Genuß, zur ruhigen Beschaulichkeit geschaffen, wurden sie immer ein Werkzeug wilden Streits. Welcher deutsche Fluß trägt den Stempel heiliger Ruhe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/518>, abgerufen am 27.06.2024.