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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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-Oesterreich Vom französischen Gesichtspunkte.
Briefe aus Böhmen.



Ich weiß nicht, welches charakteristische Beiwort die Geographen
Böhmen gewöhnlich beigeben.

Die Einen, von dein Anblick, den der Erdboden bietet, aus¬
gehend, nennen es eine gebirgige, waldige, an Minen aller Art reiche
Gegend. Andre, mehr, der Bevölkerung als dem Lande ihre Aufmerk¬
samkeit zuwendend, schildern es ungefähr folgendermaßen: ,/Böhmen
Wird von einer Bevölkerung bewohnt, deren Sitten, sanft sind, die aber
trotz ihres unterwürfigen Charakters nicht der Niederträchtigkeit beschul¬
digt werden kann; sie ist übrigens gelehrig und durchaus nicht ohne
Geist. Die Böhmen sind zunächst auch tapfer, wie es alle Europäer
sind, aber minder zur Gewaltthätigkeit geneigt, als andre; sie sind ar¬
beitsamer und fleißiger als ihre südlichen Nachbarn, die Oesterreichs,
und doch fast ebenso wie diese, den Freuden der Tafel von Herzen er¬
geben." Ein Dritter endlich wird Böhmen das vor allen andern , musi¬
kalische Land nennen, weil er selbst in den kleinsten Dörfern bemerkt
haben wird, wie die barfüßigen Buben mit einer Moline unter dem Arm
oder einer Clarinette in der Hand in die Schule gehen. , Die Englän¬
der, welche die Nationen nach den Gasthäusern und Gastwirthen zu be¬
urtheilen Pflegen, werden in ihren Reiseberichten sich wahrscheinlich da¬
hin äußern, daß die Reinlichkeit die vorherrschende Eigenschaft des Lan¬
des ist. Wenn man jedoch hierüber nur nach Carlsbad urtheilen wollte,
so würde man einen ungerechten Ausspruch ergehen lassen; denn Carls¬
bad ist die gefallsüchtigst reichste Stadt, die man sehen kann. Wenn



Die Redaktion.
. 5) Die ",co"e ALS lieux mcmcie" enthält einen Artikel über die absoluten Mo¬
narchien in Deutschland. Dieser Artikel ist'von Michel Chevalier, einem
Schriftsteller, der auch in Deutschland noch ans der Se. Simonistischen Pe¬
riode eine hohe Celebrität genießt. Oesterreich beginnt mit dem Reigen und
Wir halten es für Wichtig, die Gesichtspunkte, welche der ehemalige Se. Si¬
monist aufstellt, unsern Lesern'vorzuführen, da wir durch die Art, wie die
Gegensätze der französischen und österreichischen Regierungsweise geschildert
werden, einen tiefen Blick in die geheimsten Gedanken der konservativen.
Partei in Frankreich gewinnen. Mögen unsere Leser selbst urtheilen.
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-Oesterreich Vom französischen Gesichtspunkte.
Briefe aus Böhmen.



Ich weiß nicht, welches charakteristische Beiwort die Geographen
Böhmen gewöhnlich beigeben.

Die Einen, von dein Anblick, den der Erdboden bietet, aus¬
gehend, nennen es eine gebirgige, waldige, an Minen aller Art reiche
Gegend. Andre, mehr, der Bevölkerung als dem Lande ihre Aufmerk¬
samkeit zuwendend, schildern es ungefähr folgendermaßen: ,/Böhmen
Wird von einer Bevölkerung bewohnt, deren Sitten, sanft sind, die aber
trotz ihres unterwürfigen Charakters nicht der Niederträchtigkeit beschul¬
digt werden kann; sie ist übrigens gelehrig und durchaus nicht ohne
Geist. Die Böhmen sind zunächst auch tapfer, wie es alle Europäer
sind, aber minder zur Gewaltthätigkeit geneigt, als andre; sie sind ar¬
beitsamer und fleißiger als ihre südlichen Nachbarn, die Oesterreichs,
und doch fast ebenso wie diese, den Freuden der Tafel von Herzen er¬
geben." Ein Dritter endlich wird Böhmen das vor allen andern , musi¬
kalische Land nennen, weil er selbst in den kleinsten Dörfern bemerkt
haben wird, wie die barfüßigen Buben mit einer Moline unter dem Arm
oder einer Clarinette in der Hand in die Schule gehen. , Die Englän¬
der, welche die Nationen nach den Gasthäusern und Gastwirthen zu be¬
urtheilen Pflegen, werden in ihren Reiseberichten sich wahrscheinlich da¬
hin äußern, daß die Reinlichkeit die vorherrschende Eigenschaft des Lan¬
des ist. Wenn man jedoch hierüber nur nach Carlsbad urtheilen wollte,
so würde man einen ungerechten Ausspruch ergehen lassen; denn Carls¬
bad ist die gefallsüchtigst reichste Stadt, die man sehen kann. Wenn



Die Redaktion.
. 5) Die «,co«e ALS lieux mcmcie« enthält einen Artikel über die absoluten Mo¬
narchien in Deutschland. Dieser Artikel ist'von Michel Chevalier, einem
Schriftsteller, der auch in Deutschland noch ans der Se. Simonistischen Pe¬
riode eine hohe Celebrität genießt. Oesterreich beginnt mit dem Reigen und
Wir halten es für Wichtig, die Gesichtspunkte, welche der ehemalige Se. Si¬
monist aufstellt, unsern Lesern'vorzuführen, da wir durch die Art, wie die
Gegensätze der französischen und österreichischen Regierungsweise geschildert
werden, einen tiefen Blick in die geheimsten Gedanken der konservativen.
Partei in Frankreich gewinnen. Mögen unsere Leser selbst urtheilen.
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[0499] -Oesterreich Vom französischen Gesichtspunkte. Briefe aus Böhmen. Ich weiß nicht, welches charakteristische Beiwort die Geographen Böhmen gewöhnlich beigeben. Die Einen, von dein Anblick, den der Erdboden bietet, aus¬ gehend, nennen es eine gebirgige, waldige, an Minen aller Art reiche Gegend. Andre, mehr, der Bevölkerung als dem Lande ihre Aufmerk¬ samkeit zuwendend, schildern es ungefähr folgendermaßen: ,/Böhmen Wird von einer Bevölkerung bewohnt, deren Sitten, sanft sind, die aber trotz ihres unterwürfigen Charakters nicht der Niederträchtigkeit beschul¬ digt werden kann; sie ist übrigens gelehrig und durchaus nicht ohne Geist. Die Böhmen sind zunächst auch tapfer, wie es alle Europäer sind, aber minder zur Gewaltthätigkeit geneigt, als andre; sie sind ar¬ beitsamer und fleißiger als ihre südlichen Nachbarn, die Oesterreichs, und doch fast ebenso wie diese, den Freuden der Tafel von Herzen er¬ geben." Ein Dritter endlich wird Böhmen das vor allen andern , musi¬ kalische Land nennen, weil er selbst in den kleinsten Dörfern bemerkt haben wird, wie die barfüßigen Buben mit einer Moline unter dem Arm oder einer Clarinette in der Hand in die Schule gehen. , Die Englän¬ der, welche die Nationen nach den Gasthäusern und Gastwirthen zu be¬ urtheilen Pflegen, werden in ihren Reiseberichten sich wahrscheinlich da¬ hin äußern, daß die Reinlichkeit die vorherrschende Eigenschaft des Lan¬ des ist. Wenn man jedoch hierüber nur nach Carlsbad urtheilen wollte, so würde man einen ungerechten Ausspruch ergehen lassen; denn Carls¬ bad ist die gefallsüchtigst reichste Stadt, die man sehen kann. Wenn Die Redaktion. . 5) Die «,co«e ALS lieux mcmcie« enthält einen Artikel über die absoluten Mo¬ narchien in Deutschland. Dieser Artikel ist'von Michel Chevalier, einem Schriftsteller, der auch in Deutschland noch ans der Se. Simonistischen Pe¬ riode eine hohe Celebrität genießt. Oesterreich beginnt mit dem Reigen und Wir halten es für Wichtig, die Gesichtspunkte, welche der ehemalige Se. Si¬ monist aufstellt, unsern Lesern'vorzuführen, da wir durch die Art, wie die Gegensätze der französischen und österreichischen Regierungsweise geschildert werden, einen tiefen Blick in die geheimsten Gedanken der konservativen. Partei in Frankreich gewinnen. Mögen unsere Leser selbst urtheilen. ^ 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/499>, abgerufen am 22.07.2024.