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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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rmgcrcr Held als der Cherusker Herrmann. Jener Arnold von Win-
kelried, der die Spitzen von hundert Lanzen in seine Brust drückte, ist
nicht bewundernswerther, al^s diese jungen Flamänder, welche die Lan¬
zen des Spottes und der Verhöhnung, mit welchen man ihnen überall
entgegen kam, nicht achteten und vorwärts drangen. Und will man
wissen/ wie weit sie vorgedrungen, und wie sie die WalMatt behaupten,
so braucht man nur die Presse zu überschauen, und die Zahl der Jour¬
nale zu zählen, welche seit dem Anfange der flamändischen Bewegung
ins Leben traten, und allmählig ihre Zahl immer, stärker vermehrten,
um den immer größer werdenden Raum, die irtuner wachsende Theil¬
nahme ausfüllen und befriedigen zu können. Gegen dreißig periodische
Blätter sind seit den letzten Jahren in flamändischer Sprache hervorge¬
treten und -- bestehen! Darunter sind ohngefähr fünf, die sich mit
literarischen Interessen beschäftigen: Das Kunst- en Letterblad von
Or. Snellaert in Gent redigirt, der Nordstar (Nordstern) von
Vankcrckoven inAntwerpen herausgegeben, derMiddelaer, der
in Löwen erscheint, und unter der Redaktion des Ubbo David steht; das
belgisch Museum von Willens habe ich bereits erwähnt. Wie nun aber
in Belgien (gleich Frankreich und England) jedes Journal eine gewisse
Parabel vertritt, so ist dieß auch selbst auf dem kleinen Gebiete der fla¬
mändischen Interessen der Fall. Gent mit seinen Journalen zeigt noch
innrer theils literarische theils politische Sympathien für Holland. Der
Antwerpner Nordffar gehört der liberalen Parthei an, während der Mid¬
delaer die katholischen, Ideen vertritt.. Letzteres, ist, von Bedeutung; denn
welcher politischen oder religiösen Ansicht man auch , immer ist, so muß
man demClerus in Belgien das Zugeständnis machen, daß er es haupt¬
sächlich ist, , welcher die alte Landessprache aufrecht hält; , die aus
der Kammer und > den Gerichtsverhandlungen verbannte Sprache hat eine
Zuflucht auf der Kanzel gefunden, und das beredte Wort macht hier'
mehr Eroberungen als das gedruckte -- welches so Viele nicht lesen
können! > > - , ,

Vergleicht man den Flamänder mit dem Elsasser, so steigert sich
die Hochachtung mit der Bewunderung für die Kraft und Unerschütter¬
lichkeit mit der jener seine alte Sprache vertheidigt) um so höher. Wie
feige und indifferent zeigt sich Elsaß in Bezug auf seine angeerbte Mut¬
tersprache, eine Sprache, die von dreißig Millionen gesprochen wird,
und einen , Schiller und einen Göthe hat. Und mit welcher rührenden
Treue hängt der Flamänder an der seinigen, die nur ein kleines Häuf¬
lein zählt, und ihre großen Lichter, erst erwartet.




rmgcrcr Held als der Cherusker Herrmann. Jener Arnold von Win-
kelried, der die Spitzen von hundert Lanzen in seine Brust drückte, ist
nicht bewundernswerther, al^s diese jungen Flamänder, welche die Lan¬
zen des Spottes und der Verhöhnung, mit welchen man ihnen überall
entgegen kam, nicht achteten und vorwärts drangen. Und will man
wissen/ wie weit sie vorgedrungen, und wie sie die WalMatt behaupten,
so braucht man nur die Presse zu überschauen, und die Zahl der Jour¬
nale zu zählen, welche seit dem Anfange der flamändischen Bewegung
ins Leben traten, und allmählig ihre Zahl immer, stärker vermehrten,
um den immer größer werdenden Raum, die irtuner wachsende Theil¬
nahme ausfüllen und befriedigen zu können. Gegen dreißig periodische
Blätter sind seit den letzten Jahren in flamändischer Sprache hervorge¬
treten und — bestehen! Darunter sind ohngefähr fünf, die sich mit
literarischen Interessen beschäftigen: Das Kunst- en Letterblad von
Or. Snellaert in Gent redigirt, der Nordstar (Nordstern) von
Vankcrckoven inAntwerpen herausgegeben, derMiddelaer, der
in Löwen erscheint, und unter der Redaktion des Ubbo David steht; das
belgisch Museum von Willens habe ich bereits erwähnt. Wie nun aber
in Belgien (gleich Frankreich und England) jedes Journal eine gewisse
Parabel vertritt, so ist dieß auch selbst auf dem kleinen Gebiete der fla¬
mändischen Interessen der Fall. Gent mit seinen Journalen zeigt noch
innrer theils literarische theils politische Sympathien für Holland. Der
Antwerpner Nordffar gehört der liberalen Parthei an, während der Mid¬
delaer die katholischen, Ideen vertritt.. Letzteres, ist, von Bedeutung; denn
welcher politischen oder religiösen Ansicht man auch , immer ist, so muß
man demClerus in Belgien das Zugeständnis machen, daß er es haupt¬
sächlich ist, , welcher die alte Landessprache aufrecht hält; , die aus
der Kammer und > den Gerichtsverhandlungen verbannte Sprache hat eine
Zuflucht auf der Kanzel gefunden, und das beredte Wort macht hier'
mehr Eroberungen als das gedruckte — welches so Viele nicht lesen
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Vergleicht man den Flamänder mit dem Elsasser, so steigert sich
die Hochachtung mit der Bewunderung für die Kraft und Unerschütter¬
lichkeit mit der jener seine alte Sprache vertheidigt) um so höher. Wie
feige und indifferent zeigt sich Elsaß in Bezug auf seine angeerbte Mut¬
tersprache, eine Sprache, die von dreißig Millionen gesprochen wird,
und einen , Schiller und einen Göthe hat. Und mit welcher rührenden
Treue hängt der Flamänder an der seinigen, die nur ein kleines Häuf¬
lein zählt, und ihre großen Lichter, erst erwartet.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/498>, abgerufen am 25.08.2024.