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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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j.
Briefe aus Aachen.

Fremde und Einheimisch-, -- Postbeschwerdcn, -- Die Literaten, -- DaS Theater,

Ich soll Ihnen Berichte während unserer Badezeit zusenden? Ich will es ver¬
suchen; versprechen kann ich es Ihnen nicht. Wenn die Götter nicht einige verrückte
Engländer, einige duellsüchtige Franzosen oder sonst einiges spektakclmachendeVolk
hicherscndcn, so wird es mit meinen Eorrcspoiidenzcn ungemein^ knapp aussehen,
Aachen nährt sich von erotischen Pflanzen, das einheimische Gewächs ist dürr und
unerquicklich. Es giebt kaum eine zweite StM, welche die Natur sowie die Ge¬
schichte mit so vielem Reiz ausgestattet hat, und welche dabei so nüchtern und poe¬
sielos geblieben ist. In Mitte der herrlichsten Umgebungen, in Mitte der roman¬
tischsten Erinnerungen und Traditionen, bewegen sich die Menschen/ die man nicht
ansehen kann, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten, um ihnen nicht unan¬
ständigerweise in's Gesicht zu gähnen.

Noch ist es leer am Brunnen, obschon die Sonne glühend wie im Juli uns
auf den Kopf brennt. Sogar die Belgier, sonst unsere frühesten Kurgäste, haben
sich noch nicht eingestellt. Mit welcher Ungeduld man der Vollendung der Eisen¬
bahn zwischen Lüttich und Aachen entgegensieht, kann nur derjenige wissen, der das
Unangenehme des Mcssagericwescns kennt. Die PostVerbindung zwischen Belgien
und Preußen macht unserer raffinirten Zeit alle mögliche Unehre. Und damit Sie
es wissen, die Schuld liegt diesesmal nicht an Preußen. Um Ihnen nur ein Bei¬
spiel zu geben, will ich mit der Briefpost beginnen. Warum bleibt die pariser
Post 5 bis 6 Stunden in Brüssel liegen? Die Post von Paris kömmt in Brüssel


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Briefe aus Aachen.

Fremde und Einheimisch-, — Postbeschwerdcn, — Die Literaten, — DaS Theater,

Ich soll Ihnen Berichte während unserer Badezeit zusenden? Ich will es ver¬
suchen; versprechen kann ich es Ihnen nicht. Wenn die Götter nicht einige verrückte
Engländer, einige duellsüchtige Franzosen oder sonst einiges spektakclmachendeVolk
hicherscndcn, so wird es mit meinen Eorrcspoiidenzcn ungemein^ knapp aussehen,
Aachen nährt sich von erotischen Pflanzen, das einheimische Gewächs ist dürr und
unerquicklich. Es giebt kaum eine zweite StM, welche die Natur sowie die Ge¬
schichte mit so vielem Reiz ausgestattet hat, und welche dabei so nüchtern und poe¬
sielos geblieben ist. In Mitte der herrlichsten Umgebungen, in Mitte der roman¬
tischsten Erinnerungen und Traditionen, bewegen sich die Menschen/ die man nicht
ansehen kann, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten, um ihnen nicht unan¬
ständigerweise in's Gesicht zu gähnen.

Noch ist es leer am Brunnen, obschon die Sonne glühend wie im Juli uns
auf den Kopf brennt. Sogar die Belgier, sonst unsere frühesten Kurgäste, haben
sich noch nicht eingestellt. Mit welcher Ungeduld man der Vollendung der Eisen¬
bahn zwischen Lüttich und Aachen entgegensieht, kann nur derjenige wissen, der das
Unangenehme des Mcssagericwescns kennt. Die PostVerbindung zwischen Belgien
und Preußen macht unserer raffinirten Zeit alle mögliche Unehre. Und damit Sie
es wissen, die Schuld liegt diesesmal nicht an Preußen. Um Ihnen nur ein Bei¬
spiel zu geben, will ich mit der Briefpost beginnen. Warum bleibt die pariser
Post 5 bis 6 Stunden in Brüssel liegen? Die Post von Paris kömmt in Brüssel


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[0485] ü g eet j. Briefe aus Aachen. Fremde und Einheimisch-, — Postbeschwerdcn, — Die Literaten, — DaS Theater, Ich soll Ihnen Berichte während unserer Badezeit zusenden? Ich will es ver¬ suchen; versprechen kann ich es Ihnen nicht. Wenn die Götter nicht einige verrückte Engländer, einige duellsüchtige Franzosen oder sonst einiges spektakclmachendeVolk hicherscndcn, so wird es mit meinen Eorrcspoiidenzcn ungemein^ knapp aussehen, Aachen nährt sich von erotischen Pflanzen, das einheimische Gewächs ist dürr und unerquicklich. Es giebt kaum eine zweite StM, welche die Natur sowie die Ge¬ schichte mit so vielem Reiz ausgestattet hat, und welche dabei so nüchtern und poe¬ sielos geblieben ist. In Mitte der herrlichsten Umgebungen, in Mitte der roman¬ tischsten Erinnerungen und Traditionen, bewegen sich die Menschen/ die man nicht ansehen kann, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten, um ihnen nicht unan¬ ständigerweise in's Gesicht zu gähnen. Noch ist es leer am Brunnen, obschon die Sonne glühend wie im Juli uns auf den Kopf brennt. Sogar die Belgier, sonst unsere frühesten Kurgäste, haben sich noch nicht eingestellt. Mit welcher Ungeduld man der Vollendung der Eisen¬ bahn zwischen Lüttich und Aachen entgegensieht, kann nur derjenige wissen, der das Unangenehme des Mcssagericwescns kennt. Die PostVerbindung zwischen Belgien und Preußen macht unserer raffinirten Zeit alle mögliche Unehre. Und damit Sie es wissen, die Schuld liegt diesesmal nicht an Preußen. Um Ihnen nur ein Bei¬ spiel zu geben, will ich mit der Briefpost beginnen. Warum bleibt die pariser Post 5 bis 6 Stunden in Brüssel liegen? Die Post von Paris kömmt in Brüssel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/485>, abgerufen am 27.06.2024.