Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
T h e a t e r b l ä t t e r.



z."
Die deutschen Lustspieldichter und die Berliner Anforderungen^

Also unter den hundert und fünfzig Lustspielen, welche.zur Preis-
bewerbung nach Berlin gesendet wurden, hat nicht eins dcrrcrsten Preis
erhalten. , Es ist eine hübsche Zahl, hundert und fünfzig/ und' wenn
man sich dabei denkt, wie viele Nächte diese Dichter an ihrem Schreib¬
tische durchgearbeitet, um Lust-zu-spielen, und wie ihnen nun durch den
Ausspruch der Berliner Richter alle Lust vergangen ist, so hat man in
der That ein gewisses Mitleid, nicht mit diesen Herrn sondern überhaupt
mit der deutschen Lust und Lustigkeit, -die so unfruchtbar ist, daß sie
nicht ein Kind, welches nur drei/ Stunden hindurch sein Leben vor den
"Lampen erhalten kann, zur Welt bringt. Denn auch nicht' einmal den
zweiten Preis haben sie gewonnen! Nicht einmal mäßigen Ansprüchen
haben sie entsprochen. Wie? Dieß scheint uns' doch etwas zu stark.
Sollte wirklich die ganze Schuld auf den Dichtern beruhen? Nicht auf
den Richtern ? Wenn Horaz die Regel aufstellt, daß der, welcher, wei¬
nen machen will, selbst erst zu weinen verstehen muß, so könnte man
auch den Herrn Schiedsrichtern die Frage stellen: Ihr, die Ihr über
Lust und Scherz urtheilen sollt, seid Ihr denn der Lust und dem Scherze
zugänglich? ' Sind keine Pedanten, unter Euch? Keine Theoretiker mit
steifen Anforderungen? Die Preisrichter- haben vier Stücken den.dritten
Nreis zuerkannt, und sie zur Aufführung angenommen; drei andre Lust¬
spiele haben eine ehrenvolle Erwähnug erhalten, und werden gleichfalls
zur Aufführung kommen. Die Berliner Hofbühne ist nächst der Wiener
die erste Deutschlands. Wenn ein Stück daselbst aufgenommen wird,
so darf man voraussetzen, daß es ein gutes sei; die drei letzten,-ehren¬
voll erwähnten, zur Aufführung angenommenen Stücke, müssen also doch


T h e a t e r b l ä t t e r.



z.»
Die deutschen Lustspieldichter und die Berliner Anforderungen^

Also unter den hundert und fünfzig Lustspielen, welche.zur Preis-
bewerbung nach Berlin gesendet wurden, hat nicht eins dcrrcrsten Preis
erhalten. , Es ist eine hübsche Zahl, hundert und fünfzig/ und' wenn
man sich dabei denkt, wie viele Nächte diese Dichter an ihrem Schreib¬
tische durchgearbeitet, um Lust-zu-spielen, und wie ihnen nun durch den
Ausspruch der Berliner Richter alle Lust vergangen ist, so hat man in
der That ein gewisses Mitleid, nicht mit diesen Herrn sondern überhaupt
mit der deutschen Lust und Lustigkeit, -die so unfruchtbar ist, daß sie
nicht ein Kind, welches nur drei/ Stunden hindurch sein Leben vor den
«Lampen erhalten kann, zur Welt bringt. Denn auch nicht' einmal den
zweiten Preis haben sie gewonnen! Nicht einmal mäßigen Ansprüchen
haben sie entsprochen. Wie? Dieß scheint uns' doch etwas zu stark.
Sollte wirklich die ganze Schuld auf den Dichtern beruhen? Nicht auf
den Richtern ? Wenn Horaz die Regel aufstellt, daß der, welcher, wei¬
nen machen will, selbst erst zu weinen verstehen muß, so könnte man
auch den Herrn Schiedsrichtern die Frage stellen: Ihr, die Ihr über
Lust und Scherz urtheilen sollt, seid Ihr denn der Lust und dem Scherze
zugänglich? ' Sind keine Pedanten, unter Euch? Keine Theoretiker mit
steifen Anforderungen? Die Preisrichter- haben vier Stücken den.dritten
Nreis zuerkannt, und sie zur Aufführung angenommen; drei andre Lust¬
spiele haben eine ehrenvolle Erwähnug erhalten, und werden gleichfalls
zur Aufführung kommen. Die Berliner Hofbühne ist nächst der Wiener
die erste Deutschlands. Wenn ein Stück daselbst aufgenommen wird,
so darf man voraussetzen, daß es ein gutes sei; die drei letzten,-ehren¬
voll erwähnten, zur Aufführung angenommenen Stücke, müssen also doch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267690"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> T h e a t e r b l ä t t e r.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> z.»<lb/>
Die deutschen Lustspieldichter und die Berliner Anforderungen^</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1686" next="#ID_1687"> Also unter den hundert und fünfzig Lustspielen, welche.zur Preis-<lb/>
bewerbung nach Berlin gesendet wurden, hat nicht eins dcrrcrsten Preis<lb/>
erhalten. , Es ist eine hübsche Zahl, hundert und fünfzig/ und' wenn<lb/>
man sich dabei denkt, wie viele Nächte diese Dichter an ihrem Schreib¬<lb/>
tische durchgearbeitet, um Lust-zu-spielen, und wie ihnen nun durch den<lb/>
Ausspruch der Berliner Richter alle Lust vergangen ist, so hat man in<lb/>
der That ein gewisses Mitleid, nicht mit diesen Herrn sondern überhaupt<lb/>
mit der deutschen Lust und Lustigkeit, -die so unfruchtbar ist, daß sie<lb/>
nicht ein Kind, welches nur drei/ Stunden hindurch sein Leben vor den<lb/>
«Lampen erhalten kann, zur Welt bringt. Denn auch nicht' einmal den<lb/>
zweiten Preis haben sie gewonnen! Nicht einmal mäßigen Ansprüchen<lb/>
haben sie entsprochen. Wie? Dieß scheint uns' doch etwas zu stark.<lb/>
Sollte wirklich die ganze Schuld auf den Dichtern beruhen? Nicht auf<lb/>
den Richtern ? Wenn Horaz die Regel aufstellt, daß der, welcher, wei¬<lb/>
nen machen will, selbst erst zu weinen verstehen muß, so könnte man<lb/>
auch den Herrn Schiedsrichtern die Frage stellen: Ihr, die Ihr über<lb/>
Lust und Scherz urtheilen sollt, seid Ihr denn der Lust und dem Scherze<lb/>
zugänglich? ' Sind keine Pedanten, unter Euch? Keine Theoretiker mit<lb/>
steifen Anforderungen? Die Preisrichter- haben vier Stücken den.dritten<lb/>
Nreis zuerkannt, und sie zur Aufführung angenommen; drei andre Lust¬<lb/>
spiele haben eine ehrenvolle Erwähnug erhalten, und werden gleichfalls<lb/>
zur Aufführung kommen. Die Berliner Hofbühne ist nächst der Wiener<lb/>
die erste Deutschlands. Wenn ein Stück daselbst aufgenommen wird,<lb/>
so darf man voraussetzen, daß es ein gutes sei; die drei letzten,-ehren¬<lb/>
voll erwähnten, zur Aufführung angenommenen Stücke, müssen also doch</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] T h e a t e r b l ä t t e r. z.» Die deutschen Lustspieldichter und die Berliner Anforderungen^ Also unter den hundert und fünfzig Lustspielen, welche.zur Preis- bewerbung nach Berlin gesendet wurden, hat nicht eins dcrrcrsten Preis erhalten. , Es ist eine hübsche Zahl, hundert und fünfzig/ und' wenn man sich dabei denkt, wie viele Nächte diese Dichter an ihrem Schreib¬ tische durchgearbeitet, um Lust-zu-spielen, und wie ihnen nun durch den Ausspruch der Berliner Richter alle Lust vergangen ist, so hat man in der That ein gewisses Mitleid, nicht mit diesen Herrn sondern überhaupt mit der deutschen Lust und Lustigkeit, -die so unfruchtbar ist, daß sie nicht ein Kind, welches nur drei/ Stunden hindurch sein Leben vor den «Lampen erhalten kann, zur Welt bringt. Denn auch nicht' einmal den zweiten Preis haben sie gewonnen! Nicht einmal mäßigen Ansprüchen haben sie entsprochen. Wie? Dieß scheint uns' doch etwas zu stark. Sollte wirklich die ganze Schuld auf den Dichtern beruhen? Nicht auf den Richtern ? Wenn Horaz die Regel aufstellt, daß der, welcher, wei¬ nen machen will, selbst erst zu weinen verstehen muß, so könnte man auch den Herrn Schiedsrichtern die Frage stellen: Ihr, die Ihr über Lust und Scherz urtheilen sollt, seid Ihr denn der Lust und dem Scherze zugänglich? ' Sind keine Pedanten, unter Euch? Keine Theoretiker mit steifen Anforderungen? Die Preisrichter- haben vier Stücken den.dritten Nreis zuerkannt, und sie zur Aufführung angenommen; drei andre Lust¬ spiele haben eine ehrenvolle Erwähnug erhalten, und werden gleichfalls zur Aufführung kommen. Die Berliner Hofbühne ist nächst der Wiener die erste Deutschlands. Wenn ein Stück daselbst aufgenommen wird, so darf man voraussetzen, daß es ein gutes sei; die drei letzten,-ehren¬ voll erwähnten, zur Aufführung angenommenen Stücke, müssen also doch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/477>, abgerufen am 22.12.2024.