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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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auf,antworten, als'daß'das Geschick es so will, und daß es mit diesen
Städten, wie mit jenen Völkern ist, die' ein'geheimiiißvöller Bannstrahl
getroffen', dem keine menschliche Macht abzuhelfen vermag. Auf Vene¬
dig richt ein Zauberbann, und alle Amulete der österreichischen Regierung
werden dessen bösartigen Einfluß ' nicht zerstören/ ' ' ^ /
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Die Venetianer/ die sich stets mit der Hoffnung wiederaufzuleben
schmeicheln, gleich wie auf ihrem ^odeöbette liegende 'Greise sich darin
gefallen, Pläne zu schmieden, "hoffen Wunderwerke von der Eisenbahn
zwischen ihrer Stadt und Mailand, deren Vorarbeiten schon weit vorge¬
rückt sind. Es ist die Rede davon, eine Brücke von beinahe einer Vier¬
telmeile Länge über die Lagunen zu schlagen. / Dieses riesenhafte Vor¬
haben, das, Wenn es ausgeführt, sehr schön sein wird, gefällt/der süd¬
lichen Einbildungskraft ganz - besonders. Das Volk vorzüglich. Striche
nur mit Bewunderung von der Strada ti ferro. ^.El"e/MHeVer¬
bindung, welche die Terra-ferri. bis in die Straßen Venedigs verlän¬
gern und Mailand'und die reiche Lombardei den Lagunen bis' auf eine
Entfernung von 6 Stunden nähern würde, könnte unfehlbar jede än¬
dere Stadt zu neuem Glänze rufen. Aber die arme Verlassene hüt so
wenig Glück!' Wird sie nicht die Kraft haben, sich an diesem letzten
Rettungsbalken festzuklammern ? Ich kann mein Vorurtheil kaum un¬
terdrücken; es ist eine gefeite Stadt, wie Walter Scott sagen würde./




,'/^-''",,

' So viele Reisende schon haben vor mir den Dogeupalast beschrie¬
ben, daß ich die Zahl der Nachbeter Nicht vermehren will/ 'Da ich ihn
übrigens gekannt habe, ehe ich ihn gesehen, so könnte es vielleicht Leute
geben, die mir Fehler nachweisen würden, ohne daß sie-ihren'heimath¬
lichen Heerd verlassen Hütten. Ich werde nur von den großen Zügen
seiner Physionomie sprechen. Dieses sonderbare Gebäude, das von au¬
ßen nur von wenigen unerreichbaren Fenstern durchbrochen ist/ paßt
wunderbar "zu dem finsternächtigen Spiel der venetianischen Negierung.
Der hätte sehr sein sein müssen, der es hätte versuchen wollen, einen
verwegenen Blick durch diese finstern Mauern zu werfen. Kaum sah
man bei großen Staatsercignifsen die Glieder der Signoria verstohlen
aus .ihren- schwarzen Gondeln herauskommen und sich durch , das Thor
des Canals unter dem traurigen Schatten der Seufzerbrücke hinschleichen.


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auf,antworten, als'daß'das Geschick es so will, und daß es mit diesen
Städten, wie mit jenen Völkern ist, die' ein'geheimiiißvöller Bannstrahl
getroffen', dem keine menschliche Macht abzuhelfen vermag. Auf Vene¬
dig richt ein Zauberbann, und alle Amulete der österreichischen Regierung
werden dessen bösartigen Einfluß ' nicht zerstören/ ' ' ^ /
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Die Venetianer/ die sich stets mit der Hoffnung wiederaufzuleben
schmeicheln, gleich wie auf ihrem ^odeöbette liegende 'Greise sich darin
gefallen, Pläne zu schmieden, „hoffen Wunderwerke von der Eisenbahn
zwischen ihrer Stadt und Mailand, deren Vorarbeiten schon weit vorge¬
rückt sind. Es ist die Rede davon, eine Brücke von beinahe einer Vier¬
telmeile Länge über die Lagunen zu schlagen. / Dieses riesenhafte Vor¬
haben, das, Wenn es ausgeführt, sehr schön sein wird, gefällt/der süd¬
lichen Einbildungskraft ganz - besonders. Das Volk vorzüglich. Striche
nur mit Bewunderung von der Strada ti ferro. ^.El«e/MHeVer¬
bindung, welche die Terra-ferri. bis in die Straßen Venedigs verlän¬
gern und Mailand'und die reiche Lombardei den Lagunen bis' auf eine
Entfernung von 6 Stunden nähern würde, könnte unfehlbar jede än¬
dere Stadt zu neuem Glänze rufen. Aber die arme Verlassene hüt so
wenig Glück!' Wird sie nicht die Kraft haben, sich an diesem letzten
Rettungsbalken festzuklammern ? Ich kann mein Vorurtheil kaum un¬
terdrücken; es ist eine gefeite Stadt, wie Walter Scott sagen würde./




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' So viele Reisende schon haben vor mir den Dogeupalast beschrie¬
ben, daß ich die Zahl der Nachbeter Nicht vermehren will/ 'Da ich ihn
übrigens gekannt habe, ehe ich ihn gesehen, so könnte es vielleicht Leute
geben, die mir Fehler nachweisen würden, ohne daß sie-ihren'heimath¬
lichen Heerd verlassen Hütten. Ich werde nur von den großen Zügen
seiner Physionomie sprechen. Dieses sonderbare Gebäude, das von au¬
ßen nur von wenigen unerreichbaren Fenstern durchbrochen ist/ paßt
wunderbar „zu dem finsternächtigen Spiel der venetianischen Negierung.
Der hätte sehr sein sein müssen, der es hätte versuchen wollen, einen
verwegenen Blick durch diese finstern Mauern zu werfen. Kaum sah
man bei großen Staatsercignifsen die Glieder der Signoria verstohlen
aus .ihren- schwarzen Gondeln herauskommen und sich durch , das Thor
des Canals unter dem traurigen Schatten der Seufzerbrücke hinschleichen.


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[0373] auf,antworten, als'daß'das Geschick es so will, und daß es mit diesen Städten, wie mit jenen Völkern ist, die' ein'geheimiiißvöller Bannstrahl getroffen', dem keine menschliche Macht abzuhelfen vermag. Auf Vene¬ dig richt ein Zauberbann, und alle Amulete der österreichischen Regierung werden dessen bösartigen Einfluß ' nicht zerstören/ ' ' ^ / ' Die Venetianer/ die sich stets mit der Hoffnung wiederaufzuleben schmeicheln, gleich wie auf ihrem ^odeöbette liegende 'Greise sich darin gefallen, Pläne zu schmieden, „hoffen Wunderwerke von der Eisenbahn zwischen ihrer Stadt und Mailand, deren Vorarbeiten schon weit vorge¬ rückt sind. Es ist die Rede davon, eine Brücke von beinahe einer Vier¬ telmeile Länge über die Lagunen zu schlagen. / Dieses riesenhafte Vor¬ haben, das, Wenn es ausgeführt, sehr schön sein wird, gefällt/der süd¬ lichen Einbildungskraft ganz - besonders. Das Volk vorzüglich. Striche nur mit Bewunderung von der Strada ti ferro. ^.El«e/MHeVer¬ bindung, welche die Terra-ferri. bis in die Straßen Venedigs verlän¬ gern und Mailand'und die reiche Lombardei den Lagunen bis' auf eine Entfernung von 6 Stunden nähern würde, könnte unfehlbar jede än¬ dere Stadt zu neuem Glänze rufen. Aber die arme Verlassene hüt so wenig Glück!' Wird sie nicht die Kraft haben, sich an diesem letzten Rettungsbalken festzuklammern ? Ich kann mein Vorurtheil kaum un¬ terdrücken; es ist eine gefeite Stadt, wie Walter Scott sagen würde./ ,'/^-''",, ' So viele Reisende schon haben vor mir den Dogeupalast beschrie¬ ben, daß ich die Zahl der Nachbeter Nicht vermehren will/ 'Da ich ihn übrigens gekannt habe, ehe ich ihn gesehen, so könnte es vielleicht Leute geben, die mir Fehler nachweisen würden, ohne daß sie-ihren'heimath¬ lichen Heerd verlassen Hütten. Ich werde nur von den großen Zügen seiner Physionomie sprechen. Dieses sonderbare Gebäude, das von au¬ ßen nur von wenigen unerreichbaren Fenstern durchbrochen ist/ paßt wunderbar „zu dem finsternächtigen Spiel der venetianischen Negierung. Der hätte sehr sein sein müssen, der es hätte versuchen wollen, einen verwegenen Blick durch diese finstern Mauern zu werfen. Kaum sah man bei großen Staatsercignifsen die Glieder der Signoria verstohlen aus .ihren- schwarzen Gondeln herauskommen und sich durch , das Thor des Canals unter dem traurigen Schatten der Seufzerbrücke hinschleichen. 60*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/373>, abgerufen am 22.07.2024.