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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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i.
Briefe aus Paris.

Aschermittwoch auf allen Seiren. Mtc und junac Weiber. Herr Guijot und die Guy^c.
Cousin. Der todte Jcoffroy und die lebenden Comödianten. Bittschrift der drama¬
tischen Schriftsteller an den Minister des Innern. DaS Journal deS Di-hals und
die preußische StciatSzcituna. Huaophilcn und Huaophobcn. Neueste Literatur. Dal
Dictionaire der Acadcnne und seine neue Colonie. Gußtoiu erwartet. Zustiminen-
tresfcu mit Heine.

Warum ich Ihnen während der Fasten nicht so fleißig schreibe, als während des
Camevals? Lieber Freund, eben weil wir Fasten haben. Die Leute gehen hier
mit AscherinittwochSgesichtcrn umher-- wollen Sie Briefe über den Katzenjammer?
Die Kammer, die Presse, die Theater, das Publikum, überall blasse Gesichter,
erschlaffte Glieder, Aschcnkrcuze auf Aller Stirne. Die Journale.Putzen zwar noch
jeden Tag ihre welken Leiber auf, aber man ist stumpf für ihren Reiz, und die
alten Künste locken nicht mehr. Ist dieses eine bloß momentane Erschöpfung, und
wird morgen, übermorgen die Lust von Neuem auflodern, und das Bachanal wie¬
der beginnen? Dieß wissen die Götter, welche in dem Spiegel der Seine die Zu¬
kunft schauen. Aber gräßlich wäre es, wenn dieses schöne Frankreich wie eine alte
Grisette stumpf und abgehetzt am Wege sitzen bliebe, während rings die Welt zu
neuem Leben, zu neuer Jugend vorwärts stürzt. Man beschäftigt sich jetzt hier
viel mit Deutschland, deutscher Literatur, deutschem Handel, deutschen Eisenbahnen-^-
ist dies ein gutes Zeichen? Mich erschreckt es. So lange Frankreich jung war,
da war es avancee und eroberungssüchtig. Nun, da es nachzudenken und um seine
Nachbarn sich zu bekümmern beginnt, da will es mich bedünken, als fühlte es Run¬
zeln auf seinem Gesichte. Es liegt etwas > Tragisches in dem Momente, wo ein
schönes Weib ahnt, daß cel zu altern beginnt. An Glanz und Eroberungen ge¬
wöhnt, soll es Plötzlich an seine Zukunft denken, und mit den kleinen Sorgen, des
Hauswesens sich belasten. Gestern noch wollte Frankreich den Rhein erobern, und
heute -- Gott erhalte die Epiciers, wir werden bald mehr Kaffee trinket,, Tabak
schnupfen, einen Mops anschaffen und die Karten uns aufschlagen lassen. Die Ge¬
betbücher steigen schon im Preise.


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i.
Briefe aus Paris.

Aschermittwoch auf allen Seiren. Mtc und junac Weiber. Herr Guijot und die Guy^c.
Cousin. Der todte Jcoffroy und die lebenden Comödianten. Bittschrift der drama¬
tischen Schriftsteller an den Minister des Innern. DaS Journal deS Di-hals und
die preußische StciatSzcituna. Huaophilcn und Huaophobcn. Neueste Literatur. Dal
Dictionaire der Acadcnne und seine neue Colonie. Gußtoiu erwartet. Zustiminen-
tresfcu mit Heine.

Warum ich Ihnen während der Fasten nicht so fleißig schreibe, als während des
Camevals? Lieber Freund, eben weil wir Fasten haben. Die Leute gehen hier
mit AscherinittwochSgesichtcrn umher— wollen Sie Briefe über den Katzenjammer?
Die Kammer, die Presse, die Theater, das Publikum, überall blasse Gesichter,
erschlaffte Glieder, Aschcnkrcuze auf Aller Stirne. Die Journale.Putzen zwar noch
jeden Tag ihre welken Leiber auf, aber man ist stumpf für ihren Reiz, und die
alten Künste locken nicht mehr. Ist dieses eine bloß momentane Erschöpfung, und
wird morgen, übermorgen die Lust von Neuem auflodern, und das Bachanal wie¬
der beginnen? Dieß wissen die Götter, welche in dem Spiegel der Seine die Zu¬
kunft schauen. Aber gräßlich wäre es, wenn dieses schöne Frankreich wie eine alte
Grisette stumpf und abgehetzt am Wege sitzen bliebe, während rings die Welt zu
neuem Leben, zu neuer Jugend vorwärts stürzt. Man beschäftigt sich jetzt hier
viel mit Deutschland, deutscher Literatur, deutschem Handel, deutschen Eisenbahnen-^-
ist dies ein gutes Zeichen? Mich erschreckt es. So lange Frankreich jung war,
da war es avancee und eroberungssüchtig. Nun, da es nachzudenken und um seine
Nachbarn sich zu bekümmern beginnt, da will es mich bedünken, als fühlte es Run¬
zeln auf seinem Gesichte. Es liegt etwas > Tragisches in dem Momente, wo ein
schönes Weib ahnt, daß cel zu altern beginnt. An Glanz und Eroberungen ge¬
wöhnt, soll es Plötzlich an seine Zukunft denken, und mit den kleinen Sorgen, des
Hauswesens sich belasten. Gestern noch wollte Frankreich den Rhein erobern, und
heute — Gott erhalte die Epiciers, wir werden bald mehr Kaffee trinket,, Tabak
schnupfen, einen Mops anschaffen und die Karten uns aufschlagen lassen. Die Ge¬
betbücher steigen schon im Preise.


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[0290] Tagebu es» i. Briefe aus Paris. Aschermittwoch auf allen Seiren. Mtc und junac Weiber. Herr Guijot und die Guy^c. Cousin. Der todte Jcoffroy und die lebenden Comödianten. Bittschrift der drama¬ tischen Schriftsteller an den Minister des Innern. DaS Journal deS Di-hals und die preußische StciatSzcituna. Huaophilcn und Huaophobcn. Neueste Literatur. Dal Dictionaire der Acadcnne und seine neue Colonie. Gußtoiu erwartet. Zustiminen- tresfcu mit Heine. Warum ich Ihnen während der Fasten nicht so fleißig schreibe, als während des Camevals? Lieber Freund, eben weil wir Fasten haben. Die Leute gehen hier mit AscherinittwochSgesichtcrn umher— wollen Sie Briefe über den Katzenjammer? Die Kammer, die Presse, die Theater, das Publikum, überall blasse Gesichter, erschlaffte Glieder, Aschcnkrcuze auf Aller Stirne. Die Journale.Putzen zwar noch jeden Tag ihre welken Leiber auf, aber man ist stumpf für ihren Reiz, und die alten Künste locken nicht mehr. Ist dieses eine bloß momentane Erschöpfung, und wird morgen, übermorgen die Lust von Neuem auflodern, und das Bachanal wie¬ der beginnen? Dieß wissen die Götter, welche in dem Spiegel der Seine die Zu¬ kunft schauen. Aber gräßlich wäre es, wenn dieses schöne Frankreich wie eine alte Grisette stumpf und abgehetzt am Wege sitzen bliebe, während rings die Welt zu neuem Leben, zu neuer Jugend vorwärts stürzt. Man beschäftigt sich jetzt hier viel mit Deutschland, deutscher Literatur, deutschem Handel, deutschen Eisenbahnen-^- ist dies ein gutes Zeichen? Mich erschreckt es. So lange Frankreich jung war, da war es avancee und eroberungssüchtig. Nun, da es nachzudenken und um seine Nachbarn sich zu bekümmern beginnt, da will es mich bedünken, als fühlte es Run¬ zeln auf seinem Gesichte. Es liegt etwas > Tragisches in dem Momente, wo ein schönes Weib ahnt, daß cel zu altern beginnt. An Glanz und Eroberungen ge¬ wöhnt, soll es Plötzlich an seine Zukunft denken, und mit den kleinen Sorgen, des Hauswesens sich belasten. Gestern noch wollte Frankreich den Rhein erobern, und heute — Gott erhalte die Epiciers, wir werden bald mehr Kaffee trinket,, Tabak schnupfen, einen Mops anschaffen und die Karten uns aufschlagen lassen. Die Ge¬ betbücher steigen schon im Preise.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/290>, abgerufen am 27.06.2024.