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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Musikalischer Salon.



Das Stabat von,Rossini.



Nun, da wir dasselbe auch in Brüssel hörten, können wie Nähe¬
res über das geistliche Werk des berühmten Maestro, welches kaum weni¬
ger Spektakel in der Welt verursachte, als eins seiner weltlichen Kin¬
der, berichten.

Das nach seinen Anfangsworten (StsKst instsr) benannte Kir¬
chenlied der beiligen Jungfrau hat einer großen Anzahl Componisten
als Prüfstein ihres Talentes gedient/ Einige von diesen haben mehrere,
untereinander verschiedene Compositionen 'dieses Schmerzengesanges ge¬
schrieben; der fruchtbarste unter allen war aber Zingarelli, von dem
26 Stabat's bekannt sind. Leider erhebt sich keins von diesen über die
Mittelmäßigkeit; mehrere stehen noch tiefer. Fünf Stabat's aber haben
zu verschiedenen Epochen einer großen Berühmtheit sich erfreut. Das'
erste wurde gegen Ende des töten Jahrhunderts von Joachim von Prez,
einem belgischen Musiker geschriebrn, dessen Geburtsort ein Dorf im
Hennegau war.' Diese Composition trägt das Gepräge eines düstren
Charakters, der vorzüglich von den tiefen Noten herrührt, in welchen
die Stimmen sich bewegen, und von der sonderbaren Rauhheit, welche
in dem Aufeinanderfolgen der Harmonie herrscht. Fast hundert Jahre
später schrieb Palestrina ein Stabat in zwei Chören, einen Gesang
voll zärtlicher und schmerzenreicher Klagen, dessen Effekt man nicht nach
der bloßen Lesung der Partitur beurtheilen kann; denn ein großer Theil
desselben hängt von der Ausführung ab, und davon besitzen nur die
Päbftlichen Sänger zu Rom die Tradition. Man hört dies Stück wäd-


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Musikalischer Salon.



Das Stabat von,Rossini.



Nun, da wir dasselbe auch in Brüssel hörten, können wie Nähe¬
res über das geistliche Werk des berühmten Maestro, welches kaum weni¬
ger Spektakel in der Welt verursachte, als eins seiner weltlichen Kin¬
der, berichten.

Das nach seinen Anfangsworten (StsKst instsr) benannte Kir¬
chenlied der beiligen Jungfrau hat einer großen Anzahl Componisten
als Prüfstein ihres Talentes gedient/ Einige von diesen haben mehrere,
untereinander verschiedene Compositionen 'dieses Schmerzengesanges ge¬
schrieben; der fruchtbarste unter allen war aber Zingarelli, von dem
26 Stabat's bekannt sind. Leider erhebt sich keins von diesen über die
Mittelmäßigkeit; mehrere stehen noch tiefer. Fünf Stabat's aber haben
zu verschiedenen Epochen einer großen Berühmtheit sich erfreut. Das'
erste wurde gegen Ende des töten Jahrhunderts von Joachim von Prez,
einem belgischen Musiker geschriebrn, dessen Geburtsort ein Dorf im
Hennegau war.' Diese Composition trägt das Gepräge eines düstren
Charakters, der vorzüglich von den tiefen Noten herrührt, in welchen
die Stimmen sich bewegen, und von der sonderbaren Rauhheit, welche
in dem Aufeinanderfolgen der Harmonie herrscht. Fast hundert Jahre
später schrieb Palestrina ein Stabat in zwei Chören, einen Gesang
voll zärtlicher und schmerzenreicher Klagen, dessen Effekt man nicht nach
der bloßen Lesung der Partitur beurtheilen kann; denn ein großer Theil
desselben hängt von der Ausführung ab, und davon besitzen nur die
Päbftlichen Sänger zu Rom die Tradition. Man hört dies Stück wäd-


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[0258] Musikalischer Salon. Das Stabat von,Rossini. Nun, da wir dasselbe auch in Brüssel hörten, können wie Nähe¬ res über das geistliche Werk des berühmten Maestro, welches kaum weni¬ ger Spektakel in der Welt verursachte, als eins seiner weltlichen Kin¬ der, berichten. Das nach seinen Anfangsworten (StsKst instsr) benannte Kir¬ chenlied der beiligen Jungfrau hat einer großen Anzahl Componisten als Prüfstein ihres Talentes gedient/ Einige von diesen haben mehrere, untereinander verschiedene Compositionen 'dieses Schmerzengesanges ge¬ schrieben; der fruchtbarste unter allen war aber Zingarelli, von dem 26 Stabat's bekannt sind. Leider erhebt sich keins von diesen über die Mittelmäßigkeit; mehrere stehen noch tiefer. Fünf Stabat's aber haben zu verschiedenen Epochen einer großen Berühmtheit sich erfreut. Das' erste wurde gegen Ende des töten Jahrhunderts von Joachim von Prez, einem belgischen Musiker geschriebrn, dessen Geburtsort ein Dorf im Hennegau war.' Diese Composition trägt das Gepräge eines düstren Charakters, der vorzüglich von den tiefen Noten herrührt, in welchen die Stimmen sich bewegen, und von der sonderbaren Rauhheit, welche in dem Aufeinanderfolgen der Harmonie herrscht. Fast hundert Jahre später schrieb Palestrina ein Stabat in zwei Chören, einen Gesang voll zärtlicher und schmerzenreicher Klagen, dessen Effekt man nicht nach der bloßen Lesung der Partitur beurtheilen kann; denn ein großer Theil desselben hängt von der Ausführung ab, und davon besitzen nur die Päbftlichen Sänger zu Rom die Tradition. Man hört dies Stück wäd- 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/258>, abgerufen am 22.07.2024.