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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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nicht begründeten Gerüchte von der Uneinigkeit, die plötzlich zwi¬
schen den beiden verschwägerten Monarchen ausgebrochen, -- alle
diese Dinge hatten nicht im Cabinet der verschiedenen ZeitungSre-
dacteure, sondern meist im hiesigen Staats-Cabinet ihren Ursprung,
von wo aus man dieselben aus directem und aus indirectem Wege,
durch befreundete und feindliche Blätter in's Publikum brachte. Da¬
mit ward der Zweck erreicht, den ich oben angedeutet, die Aufmerk¬
samkeit der Massen wenigstens, wie auch die vieler Höherstehenden,
ward von jenen so wichtigen Ackerstücken auf lange Zeit abge¬
lenkt. -




II.

Rußlands E!nfluß in Asien und dessen Anerkennung durch England. -- Die
Türkei und Polen. -- Seine Stellung zu Europa, besonders zu Deutsch¬
land, verglichen mit der Preußens. -- Versuche z,ur Constituirung einer
russischen Nationalität durch Einheit der Sprache und Religion. -- Re¬
formen in der innern Bcrwaltung. -- Bisherige Gebrechen derselben. --
Unterschleife und Betrügereien der Großen. -- Eine Stadt auf dem Pa¬
piere oder in der Tasche. -- Ungenügende pccunicire Stellung der Beam¬
ten. -- Finanzielle Verhältnisse. -- Das Leibcigenthum in seinem Zusam¬
menhange mit allem Obigen. -- Der Kaiser, die Großen und das Volk
in ihrer gegenseitigen Stellung. --

Selten noch hat eine Zeitung so freudiges Aufsehen am hiesi¬
gen Hofe erregt, als das englische Journal, in welchem jene Rede
Robert Peel's enthalten war, die so stark durch Europa widerhallte,
und in welcher der britische Minister Englands Stolz so tief de¬
müthigte, indem er dankend den großmüthigen Schutz anerkannte,
welchen Rußland den englischen Interessen in Asten angedeihen läßt.

In der That auch hat Rußland seinen Einfluß in diesem Welt¬
theil so bedeutend ausgedehnt, wie eS nie früher der Fall war und
kann es jetzt ruhig mit übereinander geschlagenen Armen den Tag
abwarten, wo ihm, ohne sein weiteres Zuthun, durch die bloße Zer¬
rüttung des türkischen Reiches und durch seine geographische Berech¬
tigung, Konstantinopel als die dritte Hauptstadt seines Riesenreiches
zufallen wird. Und das sollten einerseits die übrigen europäischen


nicht begründeten Gerüchte von der Uneinigkeit, die plötzlich zwi¬
schen den beiden verschwägerten Monarchen ausgebrochen, — alle
diese Dinge hatten nicht im Cabinet der verschiedenen ZeitungSre-
dacteure, sondern meist im hiesigen Staats-Cabinet ihren Ursprung,
von wo aus man dieselben aus directem und aus indirectem Wege,
durch befreundete und feindliche Blätter in's Publikum brachte. Da¬
mit ward der Zweck erreicht, den ich oben angedeutet, die Aufmerk¬
samkeit der Massen wenigstens, wie auch die vieler Höherstehenden,
ward von jenen so wichtigen Ackerstücken auf lange Zeit abge¬
lenkt. -




II.

Rußlands E!nfluß in Asien und dessen Anerkennung durch England. — Die
Türkei und Polen. — Seine Stellung zu Europa, besonders zu Deutsch¬
land, verglichen mit der Preußens. — Versuche z,ur Constituirung einer
russischen Nationalität durch Einheit der Sprache und Religion. — Re¬
formen in der innern Bcrwaltung. — Bisherige Gebrechen derselben. —
Unterschleife und Betrügereien der Großen. — Eine Stadt auf dem Pa¬
piere oder in der Tasche. — Ungenügende pccunicire Stellung der Beam¬
ten. — Finanzielle Verhältnisse. — Das Leibcigenthum in seinem Zusam¬
menhange mit allem Obigen. — Der Kaiser, die Großen und das Volk
in ihrer gegenseitigen Stellung. —

Selten noch hat eine Zeitung so freudiges Aufsehen am hiesi¬
gen Hofe erregt, als das englische Journal, in welchem jene Rede
Robert Peel's enthalten war, die so stark durch Europa widerhallte,
und in welcher der britische Minister Englands Stolz so tief de¬
müthigte, indem er dankend den großmüthigen Schutz anerkannte,
welchen Rußland den englischen Interessen in Asten angedeihen läßt.

In der That auch hat Rußland seinen Einfluß in diesem Welt¬
theil so bedeutend ausgedehnt, wie eS nie früher der Fall war und
kann es jetzt ruhig mit übereinander geschlagenen Armen den Tag
abwarten, wo ihm, ohne sein weiteres Zuthun, durch die bloße Zer¬
rüttung des türkischen Reiches und durch seine geographische Berech¬
tigung, Konstantinopel als die dritte Hauptstadt seines Riesenreiches
zufallen wird. Und das sollten einerseits die übrigen europäischen


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[0457] nicht begründeten Gerüchte von der Uneinigkeit, die plötzlich zwi¬ schen den beiden verschwägerten Monarchen ausgebrochen, — alle diese Dinge hatten nicht im Cabinet der verschiedenen ZeitungSre- dacteure, sondern meist im hiesigen Staats-Cabinet ihren Ursprung, von wo aus man dieselben aus directem und aus indirectem Wege, durch befreundete und feindliche Blätter in's Publikum brachte. Da¬ mit ward der Zweck erreicht, den ich oben angedeutet, die Aufmerk¬ samkeit der Massen wenigstens, wie auch die vieler Höherstehenden, ward von jenen so wichtigen Ackerstücken auf lange Zeit abge¬ lenkt. - II. Rußlands E!nfluß in Asien und dessen Anerkennung durch England. — Die Türkei und Polen. — Seine Stellung zu Europa, besonders zu Deutsch¬ land, verglichen mit der Preußens. — Versuche z,ur Constituirung einer russischen Nationalität durch Einheit der Sprache und Religion. — Re¬ formen in der innern Bcrwaltung. — Bisherige Gebrechen derselben. — Unterschleife und Betrügereien der Großen. — Eine Stadt auf dem Pa¬ piere oder in der Tasche. — Ungenügende pccunicire Stellung der Beam¬ ten. — Finanzielle Verhältnisse. — Das Leibcigenthum in seinem Zusam¬ menhange mit allem Obigen. — Der Kaiser, die Großen und das Volk in ihrer gegenseitigen Stellung. — Selten noch hat eine Zeitung so freudiges Aufsehen am hiesi¬ gen Hofe erregt, als das englische Journal, in welchem jene Rede Robert Peel's enthalten war, die so stark durch Europa widerhallte, und in welcher der britische Minister Englands Stolz so tief de¬ müthigte, indem er dankend den großmüthigen Schutz anerkannte, welchen Rußland den englischen Interessen in Asten angedeihen läßt. In der That auch hat Rußland seinen Einfluß in diesem Welt¬ theil so bedeutend ausgedehnt, wie eS nie früher der Fall war und kann es jetzt ruhig mit übereinander geschlagenen Armen den Tag abwarten, wo ihm, ohne sein weiteres Zuthun, durch die bloße Zer¬ rüttung des türkischen Reiches und durch seine geographische Berech¬ tigung, Konstantinopel als die dritte Hauptstadt seines Riesenreiches zufallen wird. Und das sollten einerseits die übrigen europäischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/457>, abgerufen am 26.06.2024.