Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.Alpin. Meine Thränen Ryno, sind für den Tod- Du warst schnell o Morar, wie ein Reh auf Eng ist nun deine Wohnung, finster deine o N 4
Alpin. Meine Thraͤnen Ryno, ſind fuͤr den Tod- Du warſt ſchnell o Morar, wie ein Reh auf Eng iſt nun deine Wohnung, finſter deine o N 4
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Alpin.
Meine Thraͤnen Ryno, ſind fuͤr den Tod-
ten, meine Stimme fuͤr die Bewohner des Grabs.
Schlank biſt du auf dem Huͤgel, ſchoͤn unter den
Soͤhnen der Haide. Aber du wirſt fallen wie
Morar, und wird der traurende ſizzen auf deinem
Grabe. Die Huͤgel werden dich vergeſſen, dein
Bogen in der Halle liegen ungeſpannt.
Du warſt ſchnell o Morar, wie ein Reh auf
dem Huͤgel, ſchreklich wie die Nachtfeuer am Him-
mel, dein Grimm war ein Sturm. Dein Schwerdt
in der Schlacht wie Wetterleuchten uͤber der Hai-
de. Deine Stimme glich dem Waldſtrohme nach
dem Regen, dem Donner auf fernen Huͤgel. Man-
che fielen vor deinem Arm, die Flamme deines
Grimms verzehrte ſie. Aber wenn du kehrteſt
vom Kriege, wie friedlich war deine Stimme!
Dein Angeſicht war gleich der Sonne nach dem
Gewitter, gleich dem Monde in der ſchweigenden
Nacht. Ruhig deine Bruſt wie der See, wenn
ſich das Brauſen des Windes gelegt hat.
Eng iſt nun deine Wohnung, finſter deine
Staͤte. Mit drey Schritten meß ich dein Grab,
o
N 4
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/87>, abgerufen am 22.02.2025. |