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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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traurig, sie klagten Morars Fall, des ersten der
Helden. Seine Seele war wie Fingals Seele;
sein Schwerdt wie das Schwerdt Oslars -- Aber
er fiel und sein Vater jammerte und seiner Schwe-
ster Augen waren voll Thränen -- Minonas Au-
gen waren voll Thränen, der Schwester des herr-
lichen Morars. Sie trat zurük vor Ullins Ge-
sang, wie der Mond in Westen, der den Sturm-
regen voraussieht und sein schönes Haupt in eine
Wolke verbirgt. -- Jch schlug die Harfe mit Ul-
lin zum Gesange des Jammers.

Ryno.

Vorbey sind Wind und Regen, der Mittag
ist so heiter, die Wolken theilen sich. Fliehend be-
scheint den Hügel die unbeständge Sonne. So
röthlich fließt der Strohm des Bergs im Thale hin.
Süß ist dein Murmeln Strohm, doch süsser die
Stimme, die ich höre. Es ist Alpin's Stimme,
er bejammert den Todten. Sein Haupt ist vor
Alter gebeugt, und roth sein thränendes Auge. Al-
pin treflicher Sänger, warum allein auf dem schwei-
genden Hügel, warum jammerst du wie ein Wind-
stos im Wald, wie eine Welle am fernen Gestade.

Alpin.



traurig, ſie klagten Morars Fall, des erſten der
Helden. Seine Seele war wie Fingals Seele;
ſein Schwerdt wie das Schwerdt Oslars — Aber
er fiel und ſein Vater jammerte und ſeiner Schwe-
ſter Augen waren voll Thraͤnen — Minonas Au-
gen waren voll Thraͤnen, der Schweſter des herr-
lichen Morars. Sie trat zuruͤk vor Ullins Ge-
ſang, wie der Mond in Weſten, der den Sturm-
regen vorausſieht und ſein ſchoͤnes Haupt in eine
Wolke verbirgt. — Jch ſchlug die Harfe mit Ul-
lin zum Geſange des Jammers.

Ryno.

Vorbey ſind Wind und Regen, der Mittag
iſt ſo heiter, die Wolken theilen ſich. Fliehend be-
ſcheint den Huͤgel die unbeſtaͤndge Sonne. So
roͤthlich fließt der Strohm des Bergs im Thale hin.
Suͤß iſt dein Murmeln Strohm, doch ſuͤſſer die
Stimme, die ich hoͤre. Es iſt Alpin’s Stimme,
er bejammert den Todten. Sein Haupt iſt vor
Alter gebeugt, und roth ſein thraͤnendes Auge. Al-
pin treflicher Saͤnger, warum allein auf dem ſchwei-
genden Huͤgel, warum jammerſt du wie ein Wind-
ſtos im Wald, wie eine Welle am fernen Geſtade.

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[198/0086] traurig, ſie klagten Morars Fall, des erſten der Helden. Seine Seele war wie Fingals Seele; ſein Schwerdt wie das Schwerdt Oslars — Aber er fiel und ſein Vater jammerte und ſeiner Schwe- ſter Augen waren voll Thraͤnen — Minonas Au- gen waren voll Thraͤnen, der Schweſter des herr- lichen Morars. Sie trat zuruͤk vor Ullins Ge- ſang, wie der Mond in Weſten, der den Sturm- regen vorausſieht und ſein ſchoͤnes Haupt in eine Wolke verbirgt. — Jch ſchlug die Harfe mit Ul- lin zum Geſange des Jammers. Ryno. Vorbey ſind Wind und Regen, der Mittag iſt ſo heiter, die Wolken theilen ſich. Fliehend be- ſcheint den Huͤgel die unbeſtaͤndge Sonne. So roͤthlich fließt der Strohm des Bergs im Thale hin. Suͤß iſt dein Murmeln Strohm, doch ſuͤſſer die Stimme, die ich hoͤre. Es iſt Alpin’s Stimme, er bejammert den Todten. Sein Haupt iſt vor Alter gebeugt, und roth ſein thraͤnendes Auge. Al- pin treflicher Saͤnger, warum allein auf dem ſchwei- genden Huͤgel, warum jammerſt du wie ein Wind- ſtos im Wald, wie eine Welle am fernen Geſtade. Alpin.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/86>, abgerufen am 21.11.2024.