Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
Eingeschaltetes.

Die Besonnenheit des Dichters bezieht
sich eigentlich auf die Form, den Stoff giebt
ihm die Welt nur allzufreygebig, der Ge-
halt entspringt freywillig aus der Fülle sei-
nes Innern; bewusstlos begegnen beyde ein-
ander und zuletzt weiss man nicht, wem
eigentlich der Reichthum angehöre.

Aber die Form, ob sie schon vorzüg-
lich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht
seyn, und hier wird Besonnenheit gefor-
dert, dass Form, Stoff und Gehalt sich zu
einander schicken, sich in einander fügen,
sich einander durchdringen.


Der Dichter steht viel zu hoch als dass
er Parthey machen sollte. Heiterkeit und
Bewusstseyn sind die schönen Gaben, für
die er dem Schöpfer dankt: Bewusstseyn,
dass er vor dem Furchtbaren nicht erschre-
cke, Heiterkeit, dass er alles erfreulich dar-
zustellen wisse.


Eingeschaltetes.

Die Besonnenheit des Dichters bezieht
sich eigentlich auf die Form, den Stoff giebt
ihm die Welt nur allzufreygebig, der Ge-
halt entspringt freywillig aus der Fülle sei-
nes Innern; bewuſstlos begegnen beyde ein-
ander und zuletzt weiſs man nicht, wem
eigentlich der Reichthum angehöre.

Aber die Form, ob sie schon vorzüg-
lich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht
seyn, und hier wird Besonnenheit gefor-
dert, daſs Form, Stoff und Gehalt sich zu
einander schicken, sich in einander fügen,
sich einander durchdringen.


Der Dichter steht viel zu hoch als daſs
er Parthey machen sollte. Heiterkeit und
Bewuſstseyn sind die schönen Gaben, für
die er dem Schöpfer dankt: Bewuſstseyn,
daſs er vor dem Furchtbaren nicht erschre-
cke, Heiterkeit, daſs er alles erfreulich dar-
zustellen wisse.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0370" n="360"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Eingeschaltetes</hi></hi>.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Die Besonnenheit des Dichters bezieht<lb/>
sich eigentlich auf die Form, den Stoff giebt<lb/>
ihm die Welt nur allzufreygebig, der Ge-<lb/>
halt entspringt freywillig aus der Fülle sei-<lb/>
nes Innern; bewu&#x017F;stlos begegnen beyde ein-<lb/>
ander und zuletzt wei&#x017F;s man nicht, wem<lb/>
eigentlich der Reichthum angehöre.</p><lb/>
          <p>Aber die Form, ob sie schon vorzüg-<lb/>
lich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht<lb/>
seyn, und hier wird Besonnenheit gefor-<lb/>
dert, da&#x017F;s Form, Stoff und Gehalt sich zu<lb/>
einander schicken, sich in einander fügen,<lb/>
sich einander durchdringen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Der Dichter steht viel zu hoch als da&#x017F;s<lb/>
er Parthey machen sollte. Heiterkeit und<lb/>
Bewu&#x017F;stseyn sind die schönen Gaben, für<lb/>
die er dem Schöpfer dankt: Bewu&#x017F;stseyn,<lb/>
da&#x017F;s er vor dem Furchtbaren nicht erschre-<lb/>
cke, Heiterkeit, da&#x017F;s er alles erfreulich dar-<lb/>
zustellen wisse.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0370] Eingeschaltetes. Die Besonnenheit des Dichters bezieht sich eigentlich auf die Form, den Stoff giebt ihm die Welt nur allzufreygebig, der Ge- halt entspringt freywillig aus der Fülle sei- nes Innern; bewuſstlos begegnen beyde ein- ander und zuletzt weiſs man nicht, wem eigentlich der Reichthum angehöre. Aber die Form, ob sie schon vorzüg- lich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht seyn, und hier wird Besonnenheit gefor- dert, daſs Form, Stoff und Gehalt sich zu einander schicken, sich in einander fügen, sich einander durchdringen. Der Dichter steht viel zu hoch als daſs er Parthey machen sollte. Heiterkeit und Bewuſstseyn sind die schönen Gaben, für die er dem Schöpfer dankt: Bewuſstseyn, daſs er vor dem Furchtbaren nicht erschre- cke, Heiterkeit, daſs er alles erfreulich dar- zustellen wisse.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/370
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/370>, abgerufen am 21.11.2024.