Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
Gegenwirkung.

Doch so verfänglich-allgemeiner Be-
trachtung wollen wir uns nicht hingeben,
vielmehr in den Orient zurückwandern
und schauen wie die menschliche Natur,
die immer unbezwinglich bleibt, sich dem
äussersten Druck entgegen setzt; und da
finden wir denn überall dass der Frey- und
Eigensinn der Einzelnen sich gegen die
Allgewalt des Einen ins Gleichgewicht stellt;
sie sind Sclaven, aber nicht unterworfen, sie
erlauben sich Kühnheiten ohne gleichen.
Bringen wir ein Beyspiel aus den älteren
Zeiten, begeben wir uns zu einem Abend-
gelag in das Zelt Alexanders, dort treffen
wir ihn mit den Seinigen in lebhaften, hef-
tigen, ja wilden Wechselreden.

Clitus, Alexanders Milchbruder, Spiel-
und Kriegsgefährte, verliert zwey Brüder
im Felde, rettet dem König das Leben,

Gegenwirkung.

Doch so verfänglich-allgemeiner Be-
trachtung wollen wir uns nicht hingeben,
vielmehr in den Orient zurückwandern
und schauen wie die menschliche Natur,
die immer unbezwinglich bleibt, sich dem
äuſsersten Druck entgegen setzt; und da
finden wir denn überall daſs der Frey- und
Eigensinn der Einzelnen sich gegen die
Allgewalt des Einen ins Gleichgewicht stellt;
sie sind Sclaven, aber nicht unterworfen, sie
erlauben sich Kühnheiten ohne gleichen.
Bringen wir ein Beyspiel aus den älteren
Zeiten, begeben wir uns zu einem Abend-
gelag in das Zelt Alexanders, dort treffen
wir ihn mit den Seinigen in lebhaften, hef-
tigen, ja wilden Wechselreden.

Clitus, Alexanders Milchbruder, Spiel-
und Kriegsgefährte, verliert zwey Brüder
im Felde, rettet dem König das Leben,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0364" n="354"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Gegenwirkung</hi></hi>.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Doch so verfänglich-allgemeiner Be-<lb/>
trachtung wollen wir uns nicht hingeben,<lb/>
vielmehr in den Orient zurückwandern<lb/>
und schauen wie die menschliche Natur,<lb/>
die immer unbezwinglich bleibt, sich dem<lb/>
äu&#x017F;sersten Druck entgegen setzt; und da<lb/>
finden wir denn überall da&#x017F;s der Frey- und<lb/>
Eigensinn der Einzelnen sich gegen die<lb/>
Allgewalt des Einen ins Gleichgewicht stellt;<lb/>
sie sind Sclaven, aber nicht unterworfen, sie<lb/>
erlauben sich Kühnheiten ohne gleichen.<lb/>
Bringen wir ein Beyspiel aus den älteren<lb/>
Zeiten, begeben wir uns zu einem Abend-<lb/>
gelag in das Zelt Alexanders, dort treffen<lb/>
wir ihn mit den Seinigen in lebhaften, hef-<lb/>
tigen, ja wilden Wechselreden.</p><lb/>
          <p>Clitus, Alexanders Milchbruder, Spiel-<lb/>
und Kriegsgefährte, verliert zwey Brüder<lb/>
im Felde, rettet dem König das Leben,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0364] Gegenwirkung. Doch so verfänglich-allgemeiner Be- trachtung wollen wir uns nicht hingeben, vielmehr in den Orient zurückwandern und schauen wie die menschliche Natur, die immer unbezwinglich bleibt, sich dem äuſsersten Druck entgegen setzt; und da finden wir denn überall daſs der Frey- und Eigensinn der Einzelnen sich gegen die Allgewalt des Einen ins Gleichgewicht stellt; sie sind Sclaven, aber nicht unterworfen, sie erlauben sich Kühnheiten ohne gleichen. Bringen wir ein Beyspiel aus den älteren Zeiten, begeben wir uns zu einem Abend- gelag in das Zelt Alexanders, dort treffen wir ihn mit den Seinigen in lebhaften, hef- tigen, ja wilden Wechselreden. Clitus, Alexanders Milchbruder, Spiel- und Kriegsgefährte, verliert zwey Brüder im Felde, rettet dem König das Leben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/364
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/364>, abgerufen am 21.11.2024.