Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
Kaliphen.

Um aber in unsern eigensten Kreis zu-
rückzukehren, wiederholen wir dass die
Sassaniden bey vierhundert Jahre regier-
ten, vielleicht zuletzt nicht mit früherer
Kraft und Glanz; doch hätten sie sich
wohl noch eine Weile erhalten, wäre die
Macht der Araber nicht dergestalt gewach-
sen dass ihr zu widerstehen kein älteres
Reich im Stande war. Schon unter Omar,
bald nach Mahomet, ging jene Dynastie zu
Grunde, welche die altpersische Religion
gehegt und einen seltenen Grad der Cultur
verbreitet hatte.

Die Araber stürmten sogleich auf alle
Bücher los, nach ihrer Ansicht, nur über-
flüssige oder schädliche Schreibereyen; sie
zerstörten alle Denkmale der Literatur, so
dass kaum die geringsten Bruchstücke zu
uns gelangen konnten. Die sogleich einge-
führte arabische Sprache verhinderte jede

Kaliphen.

Um aber in unsern eigensten Kreis zu-
rückzukehren, wiederholen wir daſs die
Sassaniden bey vierhundert Jahre regier-
ten, vielleicht zuletzt nicht mit früherer
Kraft und Glanz; doch hätten sie sich
wohl noch eine Weile erhalten, wäre die
Macht der Araber nicht dergestalt gewach-
sen daſs ihr zu widerstehen kein älteres
Reich im Stande war. Schon unter Omar,
bald nach Mahomet, ging jene Dynastie zu
Grunde, welche die altpersische Religion
gehegt und einen seltenen Grad der Cultur
verbreitet hatte.

Die Araber stürmten sogleich auf alle
Bücher los, nach ihrer Ansicht, nur über-
flüssige oder schädliche Schreibereyen; sie
zerstörten alle Denkmale der Literatur, so
daſs kaum die geringsten Bruchstücke zu
uns gelangen konnten. Die sogleich einge-
führte arabische Sprache verhinderte jede

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0298" n="288"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Kaliphen</hi></hi>.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Um aber in unsern eigensten Kreis zu-<lb/>
rückzukehren, wiederholen wir da&#x017F;s die<lb/>
Sassaniden bey vierhundert Jahre regier-<lb/>
ten, vielleicht zuletzt nicht mit früherer<lb/>
Kraft und Glanz; doch hätten sie sich<lb/>
wohl noch eine Weile erhalten, wäre die<lb/>
Macht der Araber nicht dergestalt gewach-<lb/>
sen da&#x017F;s ihr zu widerstehen kein älteres<lb/>
Reich im Stande war. Schon unter Omar,<lb/>
bald nach Mahomet, ging jene Dynastie zu<lb/>
Grunde, welche die altpersische Religion<lb/>
gehegt und einen seltenen Grad der Cultur<lb/>
verbreitet hatte.</p><lb/>
          <p>Die Araber stürmten sogleich auf alle<lb/>
Bücher los, nach ihrer Ansicht, nur über-<lb/>
flüssige oder schädliche Schreibereyen; sie<lb/>
zerstörten alle Denkmale der Literatur, so<lb/>
da&#x017F;s kaum die geringsten Bruchstücke zu<lb/>
uns gelangen konnten. Die sogleich einge-<lb/>
führte arabische Sprache verhinderte jede<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0298] Kaliphen. Um aber in unsern eigensten Kreis zu- rückzukehren, wiederholen wir daſs die Sassaniden bey vierhundert Jahre regier- ten, vielleicht zuletzt nicht mit früherer Kraft und Glanz; doch hätten sie sich wohl noch eine Weile erhalten, wäre die Macht der Araber nicht dergestalt gewach- sen daſs ihr zu widerstehen kein älteres Reich im Stande war. Schon unter Omar, bald nach Mahomet, ging jene Dynastie zu Grunde, welche die altpersische Religion gehegt und einen seltenen Grad der Cultur verbreitet hatte. Die Araber stürmten sogleich auf alle Bücher los, nach ihrer Ansicht, nur über- flüssige oder schädliche Schreibereyen; sie zerstörten alle Denkmale der Literatur, so daſs kaum die geringsten Bruchstücke zu uns gelangen konnten. Die sogleich einge- führte arabische Sprache verhinderte jede

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/298
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/298>, abgerufen am 22.12.2024.