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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 26 December

In der Früh-Predigt war die Proposition uns dem Ewangelio:
die Gnadenreiche Verkündigung des durch Christi Geburt uns erwor-
benen Reichthums 1) wie solche Verkündigung geschehe, 2.) wie
dieselbe müße angenommen werden. Mittags behielt uns der
Dähnische Gesandte bey der Tafel, bey welcher auch der Herr von
Schmettau
, ein Enckel des zu Dresden verstorbenen Obermarschalls
von Löwenthal
, gegenwärtig war, welcher seine hier führende
Lebens-Art deswegen als höchst angenehm anprieste, weil
er nicht wiße, wenn Tag oder Nacht, wenn Mittag oder Mitter-
nacht sey. Wie er denn alle Tage nach hiesiger Art Soupiret und
spielet und früh um 4 Uhr nach Hause kommet. Nach eingenom-
nem Caffee fuhren wir in das Monbrunische Haus, und entrete-
nirten uns mit der Marquise von der ietzo über Paris durch die
Uberschwemmung ergehende göttlichen Strafe, und wie alle
Macht des Königes und die Klugheit seines Ministerii nicht
hinlänglich sey, diese Noth abzuwenden. Eben dieser Waßers
Noth wegen wurde die Duchesse de Tremo[unleserliches Material]uille von dem Marquis
de Montbrun
aus ihrem gäntzlich inundirten Hause abgeholet
und in das Montbrunische mit ihren 2 Kindern einlogiret. Sie
war bey ihrer Ankunft gegen uns sehr gnädig und freundlich
und bezeigte [unleserliches Material]sich über ihre Erlösung aus dem Waßer um
so viel vergnügter, da einige Baumeister die Grund-Mauren
ihres Hauses vor sehr schadhaft erkläret, und demnach denen Ein-
wohnern deßelben nichts guts prophezeyhet, Der Beschluß dieses
Tages wurde bey dem Duc de Gesvres gemacht, wohin der
Marquis de Montbrun uns unmittelbar folgete. Die Ge-
sellschaft daselbst war gantz zahlreich, unter derselben aber die
merckwürdigste Person der ehemalige Prevot des Marchand
Monsieur de Turgot
, deßen schon ehemals Erwehnung geschehen.
Er ist ietzo President au grand conseil, und hat auch so gar dem
bloßen Ansehen nach, etwas kluges und venerables an sich.
Seiner Erzehlung nach ist anno 1600 und etliche 50 die Waßer-Fluth
noch etliche Zoll höher, als ietzo gewesen: der Duc de Gesvres,
deßen Beschäftigung abermal in Knötgen=machen bestund, commu-
nicirete uns das weitläuffige Bayerische Manifest in frantzösischer
Sprache, darinn die jura dieses Hauses auf die Oesterreichische Succession

Den 26 December

In der Früh-Predigt war die Proposition uns dem Ewangelio:
die Gnadenreiche Verkündigung des durch Christi Geburt uns erwor-
benen Reichthums 1) wie solche Verkündigung geschehe, 2.) wie
dieselbe müße angenommen werden. Mittags behielt uns der
Dähnische Gesandte bey der Tafel, bey welcher auch der Herr von
Schmettau
, ein Enckel des zu Dresden verstorbenen Obermarschalls
von Löwenthal
, gegenwärtig war, welcher seine hier führende
Lebens-Art deswegen als höchst angenehm anprieste, weil
er nicht wiße, wenn Tag oder Nacht, wenn Mittag oder Mitter-
nacht sey. Wie er denn alle Tage nach hiesiger Art Soupiret und
spielet und früh um 4 Uhr nach Hause kommet. Nach eingenom-
nem Caffeé fuhren wir in das Monbrunische Haus, und entrete-
nirten uns mit der Marquise von der ietzo über Paris durch die
Uberschwemmung ergehende göttlichen Strafe, und wie alle
Macht des Königes und die Klugheit seines Ministerii nicht
hinlänglich sey, diese Noth abzuwenden. Eben dieser Waßers
Noth wegen wurde die Duchesse de Tremo[unleserliches Material]uille von dem Marquis
de Montbrun
aus ihrem gäntzlich inundirten Hause abgeholet
und in das Montbrunische mit ihren 2 Kindern einlogiret. Sie
war bey ihrer Ankunft gegen uns sehr gnädig und freundlich
und bezeigte [unleserliches Material]sich über ihre Erlösung aus dem Waßer um
so viel vergnügter, da einige Baumeister die Grund-Mauren
ihres Hauses vor sehr schadhaft erkläret, und demnach denen Ein-
wohnern deßelben nichts guts prophezeyhet, Der Beschluß dieses
Tages wurde bey dem Duc de Gesvres gemacht, wohin der
Marquis de Montbrun uns unmittelbar folgete. Die Ge-
sellschaft daselbst war gantz zahlreich, unter derselben aber die
merckwürdigste Person der ehemalige Prevôt des Marchand
Monsieur de Turgot
, deßen schon ehemals Erwehnung geschehen.
Er ist ietzo President au grand conseil, und hat auch so gar dem
bloßen Ansehen nach, etwas kluges und venerables an sich.
Seiner Erzehlung nach ist anno 1600 und etliche 50 die Waßer-Fluth
noch etliche Zoll höher, als ietzo gewesen: der Duc de Gesvres,
deßen Beschäftigung abermal in Knötgen=machen bestund, commu-
nicirete uns das weitläuffige Bayerische Manifest in frantzösischer
Sprache, darinn die jura dieses Hauses auf die Oesterreichische Succession

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[0099] Den 26 Decembr. In der Früh-Predigt war die Proposition uns dem Ewangelio: die Gnadenreiche Verkündigung des durch Christi Geburt uns erwor- benen Reichthums 1) wie solche Verkündigung geschehe, 2.) wie dieselbe müße angenommen werden. Mittags behielt uns der Dähnische Gesandte bey der Tafel, bey welcher auch der Hl. von Schmettau, ein Enckel des zu Dresden verstorbenen Obermarschalls von Löwenthal, gegenwärtig war, welcher seine hier führende Lebens-Art deswegen als höchst angenehm anpriese, weil er nicht wiße, wenn Tag oder Nacht, wenn Mittag oder Mitter- nacht sey. Wie er denn alle Tage nach hiesiger Art Soupiret und spielet und früh um 4 Uhr nach Hause kommet. Nach eingenom- nem Caffeé fuhren wir in das Monbrunische Haus, und entrete- nirten uns mit der Marquise von der ietzo über Paris durch die Uberschwemmung ergehende göttlichen Strafe, und wie alle Macht des Königes und die Klugheit seines Ministerii nicht hinlänglich sey, diese Noth abzuwenden. Eben dieser Waßers Noth wegen wurde die Duchesse de Tremouille von dem Marquis de Montbrun aus ihrem gäntzlich inundirten Hause abgeholet und in das Montbrunische mit ihren 2 Kindern einlogiret. Sie war bey ihrer Ankunft gegen uns sehr gnädig und freundlich und bezeigte sich über ihre Erlösung aus dem Waßer um so viel vergnügter, da einige Baumeister die Grund-Mauren ihres Hauses vor sehr schadhaft erkläret, und demnach denen Ein- wohnern deßelben nichts guts prophezeyet, Der Beschluß dieses Tages wurde bey dem Duc de Gesvres gemacht, wohin der Marquis de Montbrun uns unmittelbar folgete. Die Ge- sellschaft daselbst war gantz zahlreich, unter derselben aber die merckwürdigste Person der ehemalige Prevôt des Marchand Mr. de Turgot, deßen schon ehemals Erwehnung geschehen. Er ist ietzo President au grand conseil, und hat auch so gar dem bloßen Ansehen nach, etwas kluges und venerables an sich. Seiner Erzehlung nach ist ao 1600 und etliche 50 die Waßer-Fluth noch etliche Zoll höher, als ietzo gewesen: der Duc de Gesvres, deßen Beschäftigung abermal in Knötgen=machen bestund, commu- nicirete uns das weitläuffige Bayerische Manifest in frantzösischer Sprache, darinn die jura dieses Hauses auf die Oesterreichische Succession

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/99>, abgerufen am 21.11.2024.