Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].44 Nummer 12Den 25 December Herr Hasenmüller, stellete aus dem Ewangelio vor: die zwar 44 Nummer 12Den 25 December Herr Hasenmüller, stellete aus dem Ewangelio vor: die zwar <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <pb facs="#f0098"/> <fw type="folNum" place="top">44</fw><lb/> <metamark><choice><abbr>N<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">o</hi></hi></abbr><expan>Nummer</expan></choice> 12</metamark><lb/> <div type="diaryEntry"> <head rendition="#c"> Den 25 <choice><abbr>Decembr:</abbr><expan>December</expan></choice></head><lb/> <p> Herr <persName xml:id="TidB10761" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10053">Hasenmüller</persName>, stellete aus dem <name type="artificialWork" xml:id="TidB10762" corresp="register.xml#regID_41.lemID_12271">Ewangelio</name> vor: die zwar<lb/> armseelige, uns aber reich machende Geburt unsers Heylandes,<lb/> und zeigete 1) derselben Armut nach allen Umständen der<lb/> Ewangelischen Geschichte, und 2.) den uns dadurch erworbenen<lb/> Reichthum, nach denen Heils= und Gnaden-Schätzen, welche beyde Stücke<lb/> denn erbaulich appliciret, und die Zuhörer nach dem 1<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">sten</hi></hi> zu<lb/> danckbarer Erwegung der großen Liebe Christi, nach dem andern<lb/> aber zur Ergreiffung und dem Genuß gedachter Schätze aufge-<lb/> muntert wurden. Weil der <persName xml:id="TidB10763" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12306">Dähnische Gesandte</persName> unpaß war,<lb/> so sprachen wir nach der Predigt dem <persName xml:id="TidB10764" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12307">Legations-Secretario</persName> auf<lb/> seinem Zimmer zu, und bekamen die Preußische Declaration<lb/> wegen <placeName xml:id="TidB10765" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10119" ref="http://d-nb.info/gnd/4052678-1">Schlesien</placeName> zu lesen, welche nunmehro auch denen Zeitungen<lb/> einverleibet ist. Discoursive kam man auf den bekannten<lb/> Auctorem <persName xml:id="TidB10766" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12308">Monsieur le Noble</persName>, welcher verschiedene moralische<lb/> Bücher und unter andern eines, <name type="artificialWork" xml:id="TidB10767" corresp="register.xml#regID_41.lemID_12309">degout du monde</name> genannt, geschrie-<lb/> ben, und wurde aus einer gewißen Schrift, welche die<lb/> particularia seines Lebens in sich faßet, uns bekannt,<lb/> daß derselbe der gröste Scelerat von der Welt gewesen,<lb/> indem er nicht nur viele falsa begangen und deswegen<lb/> zu einer öffentlichen Abbitte und 9 jähriger Landes-Ver-<lb/> weisung verurtheilet worden, sondern auch mit einer ge-<lb/> wißen Frau, <persName xml:id="TidB10769" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12310">la belle Epiciere</persName> genannt, in vieljährigen<lb/> Ehebruch gelebet und mit derselben 3 Kinder erzeuget, welche<lb/> er noch dazu ihrem Mann als legitim aufdringen wollen,<lb/> und darüber etliche Jahre Process geführet. Nachdem aber<lb/> alle diese Gottlosigkeit an den Tag gekommen, ist seine<lb/> Landes-Verweisung noch auf 3 Jahr verlängret worden, er<lb/> aber nach Verfließung der gesetzten Zeit wider anhero gekommen,<lb/> und hat endlich im 70<hi rendition="#sup">sten</hi> Jahr seines Alters in der aller-<lb/> bittersten Armut sein Leben allhier beschloßen, wie er<lb/> denn auch, gleich denen Bettel-Leuten, von denen barmhertzigen<lb/> Brüdern begraben worden, und ist bey allem diesen das<lb/> Merckwürdigste, daß er obbemeldeten Tractat, <name type="artificialWork" xml:id="TidB10768" corresp="register.xml#regID_41.lemID_12309">degout du monde</name><lb/> mitten in dem Lauff seiner Bosheiten geschrieben. Der Nach-<lb/> mittag wurde, weil hier keine Predigt ist, mit Lesen und mit<lb/> Expedition der Post nützlich zugebracht.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
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No 12
Den 25 Decembr:
Herr Hasenmüller, stellete aus dem Ewangelio vor: die zwar
armseelige, uns aber reich machende Geburt unsers Heylandes,
und zeigete 1) derselben Armut nach allen Umständen der
Ewangelischen Geschichte, und 2.) den uns dadurch erworbenen
Reichthum, nach denen Heils= und Gnaden-Schätzen, welche beyde Stücke
denn erbaulich appliciret, und die Zuhörer nach dem 1sten zu
danckbarer Erwegung der großen Liebe Christi, nach dem andern
aber zur Ergreiffung und dem Genuß gedachter Schätze aufge-
muntert wurden. Weil der Dähnische Gesandte unpaß war,
so sprachen wir nach der Predigt dem Legations-Secretario auf
seinem Zimmer zu, und bekamen die Preußische Declaration
wegen Schlesien zu lesen, welche nunmehro auch denen Zeitungen
einverleibet ist. Discoursive kam man auf den bekannten
Auctorem Monsieur le Noble, welcher verschiedene moralische
Bücher und unter andern eines, degout du monde genannt, geschrie-
ben, und wurde aus einer gewißen Schrift, welche die
particularia seines Lebens in sich faßet, uns bekannt,
daß derselbe der gröste Scelerat von der Welt gewesen,
indem er nicht nur viele falsa begangen und deswegen
zu einer öffentlichen Abbitte und 9 jähriger Landes-Ver-
weisung verurtheilet worden, sondern auch mit einer ge-
wißen Frau, la belle Epiciere genannt, in vieljährigen
Ehebruch gelebet und mit derselben 3 Kinder erzeuget, welche
er noch dazu ihrem Mann als legitim aufdringen wollen,
und darüber etliche Jahre Process geführet. Nachdem aber
alle diese Gottlosigkeit an den Tag gekommen, ist seine
Landes-Verweisung noch auf 3 Jahr verlängret worden, er
aber nach Verfließung der gesetzten Zeit wider anhero gekommen,
und hat endlich im 70sten Jahr seines Alters in der aller-
bittersten Armut sein Leben allhier beschloßen, wie er
denn auch, gleich denen Bettel-Leuten, von denen barmhertzigen
Brüdern begraben worden, und ist bey allem diesen das
Merckwürdigste, daß er obbemeldeten Tractat, degout du monde
mitten in dem Lauff seiner Bosheiten geschrieben. Der Nach-
mittag wurde, weil hier keine Predigt ist, mit Lesen und mit
Expedition der Post nützlich zugebracht.
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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