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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Franckreich und die Grafschaft Avignon von einander scheidet,
und arrivireten gegen Mittag in der Stadt Avignon.
Gegen die Stadt zu, sahen wir viele große Hauffen Stroh im
Felde stehen, welche oben mit Leim oder Erde dergestalt über-
schmieret waren, das die Cruste ein ordentliches Dach formiret,
und das Stroh auf diese Weise vor der Näße und dem
Winde, welcher letztere in dieser Gegend oft excessiv starck
ist, praeserviret wird.

Vom 22ten bis 24ten August

Der Welt bekante Jacobitische Märtyrer Duc d'Ormond, an den Monsieur de
Ramsay
uns Briefe mit gegeben, schickte sobald wir unsre Ankunft
wißen laßen, einen Cavalier Nahmens Wolleby, welcher von den
Praetendenten das brevet als Obrister hat, und ließ zu glücklichen Ankunft
gratuliren, auch zum Mittags-Eßen einladen. Weil es aber noch
nicht Tafel-Zeit war, so begleitete uns eben dieser Cavalier
zuvörderst zu dem Päbstlichen Vice-Legaten Monseigneur Lercari, und
praesentirete uns an denselben. Er gab uns stehende audientz,
weil die Höfligkeit eben nicht sein fort seyn soll, war aber
doch im übrigen gantz obligeant. Er bewohnet das sogenannte
Palais, die ehemalige Residentz derer hiesigen Päbste, und
hat, unßer der hier in Garnison liegenden Companie Infanterie,
sowol eine Schweitzer-Garde, als eine Garde zu Pferde, welche
letztere rothe Kleider mit Silber chamariret und weiße Federn
auf den Hüten führet. Der Duc d'Ormond, welcher indeßen
als wir auf dem Palais gewesen, sich zur ersten Visite
vor unserm Quartier eingefunden [unleserliches Material]hatte, empfing uns, da wir
um Tisch-Zeit zu ihm kamen, auf der Treppe höchst obligeant.
Er ist bey nahe 80 Jahr alt, aber noch so vigoureux, daß er alle
Tage spatzieren reitet, und hat sich, nachdem er Spanien quitti-
ret, seit 8 Jahren hier aufgehalten. Er trägt sowol den blauen
Hosen-Band, als den Andreas-Orden an sich, und obgleich seine
Güter in Engelland, welche 40/Millionen lt Sterling ihm jährlich eingebracht,
bekantermaßen längst confisciert sind, so wird dennoch von seinem
Bruder, als dem ietzigen Besitzer derselben, ihm so viel zugeschicket,
und mag auch etwa aus Spanien so viel zu fließen, daß er
hier reichlich und mit großer Figur lebt. Seine protestantische
Religion hat er unverrückt bey behalten, auch einen Anglicani-
schen Diaconum Monsieur Kelly bey sich, der zwar in weltlicher Kleidung
gehet und zugleich sein Secretarius ist, in der Stille aber den
Gottes-Dienst verrichtet, die Communion ausgenommen, wozu ieder
zeit ein Priester von denen Jacobitischen Protestanten von Sankt
Germain
verschrieben wird. Die Tafel war auf das magnificste

Franckreich und die Grafschaft Avignon von einander scheidet,
und arrivireten gegen Mittag in der Stadt Avignon.
Gegen die Stadt zu, sahen wir viele große Hauffen Stroh im
Felde stehen, welche oben mit Leim oder Erde dergestalt über-
schmieret waren, das die Cruste ein ordentliches Dach formiret,
und das Stroh auf diese Weise vor der Näße und dem
Winde, welcher letztere in dieser Gegend oft excessiv starck
ist, praeserviret wird.

Vom 22ten bis 24ten August

Der Welt bekante Jacobitische Märtyrer Duc d‘Ormond, an den Monsieur de
Ramsay
uns Briefe mit gegeben, schickte sobald wir unsre Ankunft
wißen laßen, einen Cavalier Nahmens Wolleby, welcher von den
Praetendenten das brevet als Obrister hat, und ließ zu glücklichen Ankunft
gratuliren, auch zum Mittags-Eßen einladen. Weil es aber noch
nicht Tafel-Zeit war, so begleitete uns eben dieser Cavalier
zuvörderst zu dem Päbstlichen Vice-Legaten Monseigneur Lercari, und
praesentirete uns an denselben. Er gab uns stehende audientz,
weil die Höfligkeit eben nicht sein fort seyn soll, war aber
doch im übrigen gantz obligeant. Er bewohnet das sogenannte
Palais, die ehemalige Residentz derer hiesigen Päbste, und
hat, unßer der hier in Garnison liegenden Companie Infanterie,
sowol eine Schweitzer-Garde, als eine Garde zu Pferde, welche
letztere rothe Kleider mit Silber chamariret und weiße Federn
auf den Hüten führet. Der Duc d‘Ormond, welcher indeßen
als wir auf dem Palais gewesen, sich zur ersten Visite
vor unserm Quartier eingefunden [unleserliches Material]hatte, empfing uns, da wir
um Tisch-Zeit zu ihm kamen, auf der Treppe höchst obligeant.
Er ist bey nahe 80 Jahr alt, aber noch so vigoureux, daß er alle
Tage spatzieren reitet, und hat sich, nachdem er Spanien quitti-
ret, seit 8 Jahren hier aufgehalten. Er trägt sowol den blauen
Hosen-Band, als den Andreas-Orden an sich, und obgleich seine
Güter in Engelland, welche 40/Millionen lt Sterling ihm jährlich eingebracht,
bekantermaßen längst confisciert sind, so wird dennoch von seinem
Bruder, als dem ietzigen Besitzer derselben, ihm so viel zugeschicket,
und mag auch etwa aus Spanien so viel zu fließen, daß er
hier reichlich und mit großer Figur lebt. Seine protestantische
Religion hat er unverrückt bey behalten, auch einen Anglicani-
schen Diaconum Monsieur Kelly bey sich, der zwar in weltlicher Kleidung
gehet und zugleich sein Secretarius ist, in der Stille aber den
Gottes-Dienst verrichtet, die Communion ausgenommen, wozu ieder
zeit ein Priester von denen Jacobitischen Protestanten von Sankt
Germain
verschrieben wird. Die Tafel war auf das magnificste

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[0415] Franckreich und die Grafschaft Avignon von einander scheidet, und arrivireten gegen Mittag in der Stadt Avignon. Gegen die Stadt zu, sahen wir viele große Hauffen Stroh im Felde stehen, welche oben mit Leim oder Erde dergestalt über- schmieret waren, das die Cruste ein ordentliches Dach formiret, und das Stroh auf diese Weise vor der Näße und dem Winde, welcher letztere in dieser Gegend oft excessiv starck ist, praeserviret wird. Vom 22ten bis 24ten Augl: Der Welt bekante Jacobitische Märtyrer Duc d‘Ormond, an den Mr. de Ramsay uns Briefe mit gegeben, schickte sobald wir unsre Ankunft wißen laßen, einen Cavalier Nahmens Wolleby, welcher von den Praetendenten das brevet als Obrister hat, und ließ zu glückl: Ankunft gratuliren, auch zum Mittags-Eßen einladen. Weil es aber noch nicht Tafel-Zeit war, so begleitete uns eben dieser Cavalier zuvörderst zu dem Päbstl: Vice-Legaten Mr: Lercari, und praesentirete uns an denselben. Er gab uns stehende audientz, weil die Höfligkeit eben nicht sein fort seyn soll, war aber doch im übrigen gantz obligeant. Er bewohnet das sogenannte Palais, die ehemalige Residentz derer hiesigen Päbste, und hat, unßer der hier in Garnison liegenden Companie Infanterie, sowol eine Schweitzer-Garde, als eine Garde zu Pferde, welche letztere rothe Kleider mit Silber chamariret und weiße Federn auf den Hüten führet. Der Duc d‘Ormond, welcher indeßen als wir auf dem Palais gewesen, sich zur ersten Visite vor unserm Quartier eingefunden hatte, empfing uns, da wir um Tisch-Zeit zu ihm kamen, auf der Treppe höchst obligeant. Er ist bey nahe 80 Jahr alt, aber noch so vigoureux, daß er alle Tage spatzieren reitet, und hat sich, nachdem er Spanien quitti- ret, seit 8 Jahren hier aufgehalten. Er trägt sowol den blauen Hosen-Band, als den Andreas-Orden an sich, und obgleich seine Güter in Engelland, welche 40/m lt Sterling ihm jährlich eingebracht, bekantermaßen längst confisciert sind, so wird dennoch von seinem Bruder, als dem ietzigen Besitzer derselben, ihm so viel zugeschicket, und mag auch etwa aus Spanien so viel zu fließen, daß er hier reichlich und mit großer Figur lebt. Seine protestantische Religion hat er unverrückt bey behalten, auch einen Anglicani- schen Diaconum Mr. Kelly bey sich, der zwar in weltlicher Kleidung gehet und zugleich sein Secretarius ist, in der Stille aber den Gottes-Dienst verrichtet, die Communion ausgenommen, wozu ieder zeit ein Priester von denen Jacobitischen Protestanten von St. Germain verschrieben wird. Die Tafel war auf das magnificste

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/415>, abgerufen am 21.11.2024.