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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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machen, uns aber ersuchte er insgesamt, so oft es uns beliebig, bey ihm zu spei-
sen. Von dem gantzen Palais des Cardinals ist überhaupt anzumercken, daß es
durchgängig, so gar auch in dem Vestibule und auf denen Treppen, mit anti-
qum und andern kostbaren Stücken und Gemählden angefüllet sey, unter welchen
letztern ein perspectivischer Abriß von dem gantzen Interieur der Peters-Kirche zu
Rom, mit Oel-Farben gemahlt, nicht gnug bewundert werden kan. Nachmittags
vermeinten wir den berühmten Rollin zu besuchen, weil durch unsern Frantzösischen
Domestiquen diesen Vormittag zu dieser Visite alles war bestellet worden
da aber derselbe im Nahmen geirret, wurden wir bald gewahr, daß wir nicht
den alten Rollin, sondern den Abbe Nollet vor uns hatten. Inzwischen
wurden wir wegen dieser Irthums reichlich dedommagiret, weil dieser Mann
ein Mitglied von der hiesigen sowol, als der Petersburgischen Academie de
Science ist, und zwey Zimmer voll derer allerschönsten zur experimental-
Physic dienenden Machinen hat, welche er uns gutentheils explicirte.
Nur einer einigen zu gedencken, so ist seine anttia pneumatica wel-
che zwey perpendicular in die Höhe stehende Tuyaux hat, und überaus
leichte gepumpet werden kannen, sehr wohl zu sehen. Auch besitzet
er eine feine Collection von fliegenden Insecten und Käfern, welche
bloß auf eine gewiße Art getrucknet und ohne allen Balsam oder dergleichen
etwas conserviret werden. Er ist voriges Jahr 5 Monath in Turin ge-
wesen, und hat den dortigen Cron-Prinzen in der Experimental-Physic
informiret, wie er denn deßen Portrait in Lebens-Größe an der
Wand hängen hatte, und die große Capacitaet, Lebhaftigkeit und denn
damit verknüpfte modestie dieses Herrn, nicht gnug zu loben wuste.
Es ist beständig eine Anzahl Ouvriers in seinem Hause, welche theils vor
ihn selbst, theils unter seiner Direction vor andere, Instrumenta und
Machinen fabriciren. Ferner wurde heute noch die Sorbonne besehen,
in deren Kirche das bekannte Begräbniß Monument des Cardinals Richelieu
von weißen Marmor eine billige Verwunderung verdienet, und hat
der berühmte Girardon 20 Jahr daran gearbeitet. Die Bibliothec dieses
Hauses ist gantz considerabel und sahen wir darinnen eine frantzösische
Ubersetzung vom Livio
auf Pergament geschrieben, und mit der schönsten
migniatur durchmahlet, ohngefähr 300 Jahr alt, die manuscripta aber
welche sich in einem besondern Saal befinden, konten wir dismal
nicht zu sehen bekommen. Der Beschluß des Tages wurde mit Ein-
kauffung verschiedener Architecturen Riße und anderer Kupfer-Stiche
gemacht.

Den 1 November

Besuchte uns früh der Marquis de Montbrun, da er eben mit dem
Duc de Bouillon von Fontainebleau zurückkommen war, und bekräftigte
die betrübte Nachricht von dem Absterben unsers Kaysers mit diesen
Umständen, daß daßelbe Sonntags vor 8 Tagen als den 23 October würcklich
erfolget sey. Man habe zwar die Thore zu Wien absofort geschloßen,
der dortige Frantzösische Minister aber doch Mittel und Wege gefunden, diese
Zeitung durch einen Courier über Strasburg nach Hofe zu berichten.
Nachdem man über diese fatale Materie sich lange genug, entreteniret
auch wegen der Trauer vorläuffig eines und des andere gesprochen, und

machen, uns aber ersuchte er insgesamt, so oft es uns beliebig, bey ihm zu spei-
sen. Von dem gantzen Palais des Cardinals ist überhaupt anzumercken, daß es
durchgängig, so gar auch in dem Vestibule und auf denen Treppen, mit anti-
qum und andern kostbaren Stücken und Gemählden angefüllet sey, unter welchen
letztern ein perspectivischer Abriß von dem gantzen Interieur der Peters-Kirche zu
Rom, mit Oel-Farben gemahlt, nicht gnug bewundert werden kan. Nachmittags
vermeinten wir den berühmten Rollin zu besuchen, weil durch unsern Frantzösischen
Domestiquen diesen Vormittag zu dieser Visite alles war bestellet worden
da aber derselbe im Nahmen geirret, wurden wir bald gewahr, daß wir nicht
den alten Rollin, sondern den Abbé Nollet vor uns hatten. Inzwischen
wurden wir wegen dieser Irthums reichlich dedommagiret, weil dieser Mann
ein Mitglied von der hiesigen sowol, als der Petersburgischen Academie de
Science ist, und zwey Zimmer voll derer allerschönsten zur experimental-
Physic dienenden Machinen hat, welche er uns gutentheils explicirte.
Nur einer einigen zu gedencken, so ist seine anttia pneumatica wel-
che zwey perpendicular in die Höhe stehende Tuyaux hat, und überaus
leichte gepumpet werden kannen, sehr wohl zu sehen. Auch besitzet
er eine feine Collection von fliegenden Insecten und Käfern, welche
bloß auf eine gewiße Art getrucknet und ohne allen Balsam oder dergleichen
etwas conserviret werden. Er ist voriges Jahr 5 Monath in Turin ge-
wesen, und hat den dortigen Cron-Prinzen in der Experimental-Physic
informiret, wie er denn deßen Portrait in Lebens-Größe an der
Wand hängen hatte, und die große Capacitaet, Lebhaftigkeit und denn
damit verknüpfte modestie dieses Herrn, nicht gnug zu loben wuste.
Es ist beständig eine Anzahl Ouvriers in seinem Hause, welche theils vor
ihn selbst, theils unter seiner Direction vor andere, Instrumenta und
Machinen fabriciren. Ferner wurde heute noch die Sorbonne besehen,
in deren Kirche das bekannte Begräbniß Monument des Cardinals Richelieu
von weißen Marmor eine billige Verwunderung verdienet, und hat
der berühmte Girardon 20 Jahr daran gearbeitet. Die Bibliothec dieses
Hauses ist gantz considerabel und sahen wir darinnen eine frantzösische
Ubersetzung vom Livio
auf Pergament geschrieben, und mit der schönsten
migniatur durchmahlet, ohngefähr 300 Jahr alt, die manuscripta aber
welche sich in einem besondern Saal befinden, konten wir dismal
nicht zu sehen bekommen. Der Beschluß des Tages wurde mit Ein-
kauffung verschiedener Architecturen Riße und anderer Kupfer-Stiche
gemacht.

Den 1 November

Besuchte uns früh der Marquis de Montbrun, da er eben mit dem
Duc de Bouillon von Fontainebleau zurückkommen war, und bekräftigte
die betrübte Nachricht von dem Absterben unsers Kaysers mit diesen
Umständen, daß daßelbe Sonntags vor 8 Tagen als den 23 October würcklich
erfolget sey. Man habe zwar die Thore zu Wien absofort geschloßen,
der dortige Frantzösische Minister aber doch Mittel und Wege gefunden, diese
Zeitung durch einen Courier über Strasburg nach Hofe zu berichten.
Nachdem man über diese fatale Materie sich lange genug, entréteniret
auch wegen der Trauer vorläuffig eines und des andere gesprochen, und

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[0031] machen, uns aber ersuchte er insgesamt, so oft es uns beliebig, bey ihm zu spei- sen. Von dem gantzen Palais des Cardinals ist überhaupt anzumercken, daß es durchgängig, so gar auch in dem Vestibule und auf denen Treppen, mit anti- qum und andern kostbaren Stücken und Gemählden angefüllet sey, unter welchen letztern ein perspectivischer Abriß von dem gantzen Interieur der Peters-Kirche zu Rom, mit Oel-Farben gemahlt, nicht gnug bewundert werden kan. Nachmittags vermeinten wir den berühmten Rollin zu besuchen, weil durch unsern Frantzösischen Domestiquen diesen Vormittag zu dieser Visite alles war bestellet worden da aber derselbe im Nahmen geirret, wurden wir bald gewahr, daß wir nicht den alten Rollin, sondern den Abbé Nollet vor uns hatten. Inzwischen wurden wir wegen dieser Irthums reichlich dedommagiret, weil dieser Mann ein Mitglied von der hiesigen sowol, als der Petersburgischen Academie de Science ist, und zwey Zimmer voll derer allerschönsten zur experimental- Physic dienenden Machinen hat, welche er uns gutentheils explicirte. Nur einer einigen zu gedencken, so ist seine anttia pneumatica wel- che zwey perpendicular in die Höhe stehende Tuyaux hat, und überaus leichte gepumpet werden kannen, sehr wohl zu sehen. Auch besitzet er eine feine Collection von fliegenden Insecten und Käfern, welche bloß auf eine gewiße Art getrucknet und ohne allen Balsam oder dergl: etwas conserviret werden. Er ist voriges Jahr 5 Monath in Turin ge- wesen, und hat den dortigen Cron-Prinzen in der Experimental-Physic informiret, wie er denn deßen Portrait in Lebens-Größe an der Wand hängen hatte, und die große Capacitaet, Lebhaftigkeit und denn damit verknüpfte modestie dieses Herrn, nicht gnug zu loben wuste. Es ist beständig eine Anzahl Ouvriers in seinem Hause, welche theils vor ihn selbst, theils unter seiner Direction vor andere, Instrumenta und Machinen fabriciren. Ferner wurde heute noch die Sorbonne besehen, in deren Kirche das bekannte Begräbniß Monument des Cardinals Richelieu von weißen Marmor eine billige Verwunderung verdienet, und hat der berühmte Girardon 20 Jahr daran gearbeitet. Die Bibliothec dieses Hauses ist gantz considerabel und sahen wir darinnen eine frantzösische Ubersetzung vom Livio auf Pergament geschrieben, und mit der schönsten migniatur durchmahlet, ohngefähr 300 Jahr alt, die manuscripta aber welche sich in einem besondern Saal befinden, konten wir dismal nicht zu sehen bekommen. Der Beschluß des Tages wurde mit Ein- kauffung verschiedener Architecturen Riße und anderer Kupfer-Stiche gemacht. Den 1 Novembr: Besuchte uns früh der Marquis de Montbrun, da er eben mit dem Duc de Bouillon von Fontainebleau zurückkommen war, und bekräftigte die betrübte Nachricht von dem Absterben unsers Kaysers mit diesen Umständen, daß daßelbe Sonntags vor 8 Tagen als d 23 Octobr: würcklich erfolget sey. Man habe zwar die Thore zu Wien absofort geschloßen, der dortige Frantzöl: Minister aber doch Mittel und Wege gefunden, diese Zeitung durch einen Courier über Strasburg nach Hofe zu berichten. Nachdem man über diese fatale Materie sich lange genug, entréteniret auch wegen der Trauer vorläuffig eines und des andere gesprochen, und

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/31>, abgerufen am 21.11.2024.