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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Hortus Eystettensis, welche alle in denen schönsten Bänden vorhanden,
können den der Beschaffenheit dieses Bücher Vorraths eine ohngefähre idee
geben. Unter denen raren piecen verdienen angemerckt zu werden
1) Optati Gallo de Schismate cavendo ad Episcopos Galliae Paraenesis
welche kleine brochure damals zum Besten des Pabsts geschrieben
worden, als der Cardinal Richelieu demselben gedrohet, einem be-
sondern Patriarchen in Franckreich zu machen, und sich von dem Römischen
Hofe abzuweißen. Weil nun gedachter Cardinal diese piece damals
auf alle Weise unterdrücket, so ist daraus eine große raritaet worden.
2.) eine Canzley= und poenitential-Taxe des Römischen Hofes mit Mönchs-
Schrift und einem Königlichen privilegio hier in Paris gedruckt. Es
ist dieses die Taxe, darinn alle Arten auch derer abscheulichsten
Sünden, deren Vergebung man haben will, um ein gewißes Geld
angeschlagen sind, und hat man sich nachher zu Rom selbst darüber
geschämet, und diese Taxe vor untergeschoben erklären wollen,
welches Vorgeben aber durch diesen mit einem Königlichen Privilegio
geschehenen Druck wiederleget werden kan. Wir redeten unter
andern von denen Haupt-Fehlern derer unterschiedenen nationen
und legte Monsieur Milsoneau der seinigen die Unbeständigkeit ohne
Bedencken bey. Den Haupt-Fehler der Teutschen aber setzte er,
auf unser Befragen, darinn, qu'ils etoient ordinairement
trop sages. Der Abend wurde mit einer Spatzier-Fahrt au Cours
de la Reine
und aux Champs Elisees beschloßen, woselbst
sowol von denen den ordentlichen Cours formirenden, als
auch von andern außer der Ordnung fahrenden Carossen
eine große Anzahl, der gemeinen Bürgers-Leute aber,
welche theils mit Ball-Spielen, theils mit promeniren
sich Bewegung machten, eine unglaubliche Menge vorhan-
den war. Bey der Rückkunft in unser Hotel fanden wir
eine Carte, besage deren der Comte d'Evreux, Illustrissimum zu
besuchen, vor dem Thore gewesen.

Den 24 April:

Verfügten wir uns früh gegen 8 Uhr au Palais a la grande
Chambre
, und wohneten vorerst der sogenannten kleinen au-
dientz bey, darinn termine angesetzt worden, und über ver-
säumete fatalien, auch andre nicht n[unleserliches Material]ächtige incident-puncte
interloquiret wird. Bey diesen audientzen sitzen die Parle-
ments Räthe nicht auf dem erhöheten Gestühle, sondern auf
niedrigern Bäncken, der premier President aber in seinem
rothen talar, mit dem schwartzen baret auf dem Kopf,
hinter einem kleinen Pult, und der Greffier beym Eingange
derer Schrancken, gleichfals hinter einem Schreibe-Pult. Neben

Hortus Eystettensis, welche alle in denen schönsten Bänden vorhanden,
können den der Beschaffenheit dieses Bücher Vorraths eine ohngefähre idée
geben. Unter denen raren piecen verdienen angemerckt zu werden
1) Optati Gallo de Schismate cavendo ad Episcopos Galliae Paraenesis
welche kleine brochure damals zum Besten des Pabsts geschrieben
worden, als der Cardinal Richelieu demselben gedrohet, einem be-
sondern Patriarchen in Franckreich zu machen, und sich von dem Römischen
Hofe abzuweißen. Weil nun gedachter Cardinal diese piece damals
auf alle Weise unterdrücket, so ist daraus eine große raritaet worden.
2.) eine Canzley= und poenitential-Taxe des Römischen Hofes mit Mönchs-
Schrift und einem Königlichen privilegio hier in Paris gedruckt. Es
ist dieses die Taxe, darinn alle Arten auch derer abscheulichsten
Sünden, deren Vergebung man haben will, um ein gewißes Geld
angeschlagen sind, und hat man sich nachher zu Rom selbst darüber
geschämet, und diese Taxe vor untergeschoben erklären wollen,
welches Vorgeben aber durch diesen mit einem Königlichen Privilegio
geschehenen Druck wiederleget werden kan. Wir redeten unter
andern von denen Haupt-Fehlern derer unterschiedenen nationen
und legte Monsieur Milsoneau der seinigen die Unbeständigkeit ohne
Bedencken bey. Den Haupt-Fehler der Teutschen aber setzte er,
auf unser Befragen, darinn, qu’ils etoient ordinairement
trop sages. Der Abend wurde mit einer Spatzier-Fahrt au Cours
de la Reine
und aux Champs Eliseés beschloßen, woselbst
sowol von denen den ordentlichen Cours formirenden, als
auch von andern außer der Ordnung fahrenden Carossen
eine große Anzahl, der gemeinen Bürgers-Leute aber,
welche theils mit Ball-Spielen, theils mit promeniren
sich Bewegung machten, eine unglaubliche Menge vorhan-
den war. Bey der Rückkunft in unser Hôtel fanden wir
eine Carte, besage deren der Comte d’Evreux, Illustrissimum zu
besuchen, vor dem Thore gewesen.

Den 24 April:

Verfügten wir uns früh gegen 8 Uhr au Palais à la grande
Chambre
, und wohneten vorerst der sogenannten kleinen au-
dientz bey, darinn termine angesetzt worden, und über ver-
säumete fatalien, auch andre nicht n[unleserliches Material]ächtige incident-puncte
interloquiret wird. Bey diesen audientzen sitzen die Parle-
ments Räthe nicht auf dem erhöheten Gestühle, sondern auf
niedrigern Bäncken, der premier President aber in seinem
rothen talar, mit dem schwartzen baret auf dem Kopf,
hinter einem kleinen Pult, und der Greffier beym Eingange
derer Schrancken, gleichfals hinter einem Schreibe-Pult. Neben

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[0273] Hortus Eystettensis, welche alle in denen schönsten Bänden vorhanden, können den der Beschaffenheit dieses Bücher Vorraths eine ohngefähre idée geben. Unter denen raren piecen verdienen angemerckt zu werden 1) Optati Gallo de Schismate cavendo ad Episcopos Galliae Paraenesis welche kleine brochure damals zum Besten des Pabsts geschrieben worden, als der Cardinal Richelieu demselben gedrohet, einem be- sondern Patriarchen in Franckreich zu machen, und sich von dem Röml. Hofe abzuweißen. Weil nun gedachter Cardinal diese piece damals auf alle Weise unterdrücket, so ist daraus eine große raritaet worden. 2.) eine Canzley= und poenitential-Taxe des Röml: Hofes mit Mönchs- Schrift und einem Königl: privilegio hier in Paris gedruckt. Es ist dieses die Taxe, darinn alle Arten auch derer abscheulichsten Sünden, deren Vergebung man haben will, um ein gewißes Geld angeschlagen sind, und hat man sich nachher zu Rom selbst darüber geschämet, und diese Taxe vor untergeschoben erklären wollen, welches Vorgeben aber durch diesen mit einem Königl: Privilegio geschehenen Druck wiederleget werden kan. Wir redeten unter andern von denen Haupt-Fehlern derer unterschiedenen nationen und legte Mr. Milsoneau der seinigen die Unbeständigkeit ohne Bedencken bey. Den Haupt-Fehler der Teutschen aber setzte er, auf unser Befragen, darinn, qu’ils etoient ordinairement trop sages. Der Abend wurde mit einer Spatzier-Fahrt au Cours de la Reine und aux Champs Eliseés beschloßen, woselbst sowol von denen den ordentlichen Cours formirenden, als auch von andern außer der Ordnung fahrenden Carossen eine große Anzahl, der gemeinen Bürgers-Leute aber, welche theils mit Ball-Spielen, theils mit promeniren sich Bewegung machten, eine unglaubliche Menge vorhan- den war. Bey der Rückkunft in unser Hôtel fanden wir eine Carte, besage deren der Comte d’Evreux, Illmum zu besuchen, vor dem Thore gewesen. Den 24 April: Verfügten wir uns früh gegen 8 Uhr au Palais à la grande Chambre, und wohneten vorerst der sogenannten kleinen au- dientz bey, darinn termine angesetzt worden, und über ver- säumete fatalien, auch andre nicht nächtige incident-puncte interloquiret wird. Bey diesen audientzen sitzen die Parle- ments Räthe nicht auf dem erhöheten Gestühle, sondern auf niedrigern Bäncken, der premier President aber in seinem rothen talar, mit dem schwartzen baret auf dem Kopf, hinter einem kleinen Pult, und der Greffier beym Eingange derer Schrancken, gleichfals hinter einem Schreibe-Pult. Neben

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/273>, abgerufen am 21.11.2024.