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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 10 Februar

Nach abgestattetem Gegen Besuch bey ietzt gedachten Baron v. Rotenhan
desgleichen bey dem Graf Schönfeld, Herr von Zech und Herr von Uffel, welche aber aller
seits nicht zu Hause waren, passirten wir eine Stunde bey denen
Printzen von Heßen, woselbst sich auch der Herr von Böhmer und Herr von Wer-
neck
befanden, und entretenirten uns mit denenselben von dem
ehemals erwehnten Darmstädtischen Process gegen den Bischof von
Metz
, hatten auch Gelegenheit, denen Printzen wegen des Abster-
bens ihres Groß-Oncles, des alten Landgrafen zu Butzbach zu
condoliren. Es soll derselbe, ohnerachtet er bekantermaßen ca-
tholisch gewesen, dennoch lutherisch gestorben seyn. Den gantzen
übrigen Nachmittag und Abend waren wir bey der Marquise
de Montbrun
, woselbst der Chevalier de Court eine von dem
Preußischen Minister erhaltene Frantzösische Deduction die
Preußischen Ansprüche auf Schlesien betreffend, ablase, darin
denn pro und contra raisoniret, endlich aber wider den
König in Preußen hauptsächlich aus diesem Grunde decidiret
wurde, weil des ietzigen Königs Groß-Vater, da er schon an
der Regierung gewesen, mit dem Hause Oesterreich würcklich
transigiret und es also nicht darauf ankomme, ob die Oesterreicher
dabey intriguen gemacht, und ob sie ihm viel oder wenig
davor gegeben, item: ob er mündlich, und ohne es dem Transa[unleserliches Material]
einzuverleiben, seiner Posteritaet dieses oder jenes reservi-
ret habe, der geleisteten Guarantie der pragmatischen Sanction
welche vollend alles aufhebe, gar nicht einmal zu ge=
dencken. Nachdem der Chevalier de Court weggegangen, und
Monsieur de la Faye mit seiner Gemahlin sich eingefunden
erhob sich zwischen ihm und der Marquise de Montbrun
wegen des Rouge derer Dames eine weitläufige Dispute
dawennnehmlich er die Zuläßigkeit deßelben, sie aber das Gegentheil
behauptete, darinn denn viel particularia von denen sen-
timens derer hiesigen Geistlichen mit einschlugen, und, weil
Monsieur de la Faye die Parthie der Molinisten gegen die Janse-
nisten nahm, die Gemüter dergestalt echauffiret wurden,
daß die Marquise, welche Schaden an ihrer schwächlichen Ge-
sundheit besorgte, ihm das Stillschweigen auferlegte. Als
wir nach seinem Abtritt gantz alleine bey der Marquise waren,
hatten wir mit ihr noch einen umständlichen und gantz erbau-
lichen Discours von dem Unterschied der weltlichen und der
wahren Freude, bey welcher Gelegenheit sie uns ihre Erziehung,
da sie bis ins 16de Jahr nichts als Tantzen, Singen und das Clavir-Spiel
gelernet, erzehlete, und es der freyen Gnade Gottes zuschrieb, daß sie
nachgehends durch Bücher und gute Leute zu einem Solidern Erkäntnis

Den 10 Februar

Nach abgestattetem Gegen Besuch bey ietzt gedachten Baron v. Rotenhan
desgleichen bey dem Graf Schönfeld, Herr von Zech und Herr von Uffel, welche aber aller
seits nicht zu Hause waren, passirten wir eine Stunde bey denen
Printzen von Heßen, woselbst sich auch der Herr von Böhmer und Herr von Wer-
neck
befanden, und entretenirten uns mit denenselben von dem
ehemals erwehnten Darmstädtischen Process gegen den Bischof von
Metz
, hatten auch Gelegenheit, denen Printzen wegen des Abster-
bens ihres Groß-Oncles, des alten Landgrafen zu Butzbach zu
condoliren. Es soll derselbe, ohnerachtet er bekantermaßen ca-
tholisch gewesen, dennoch lutherisch gestorben seyn. Den gantzen
übrigen Nachmittag und Abend waren wir bey der Marquise
de Montbrun
, woselbst der Chevalier de Court eine von dem
Preußischen Minister erhaltene Frantzösische Deduction die
Preußischen Ansprüche auf Schlesien betreffend, ablase, darin
denn pro und contra raisoniret, endlich aber wider den
König in Preußen hauptsächlich aus diesem Grunde decidiret
wurde, weil des ietzigen Königs Groß-Vater, da er schon an
der Regierung gewesen, mit dem Hause Oesterreich würcklich
transigiret und es also nicht darauf ankomme, ob die Oesterreicher
dabey intriguen gemacht, und ob sie ihm viel oder wenig
davor gegeben, item: ob er mündlich, und ohne es dem Transa[unleserliches Material]
einzuverleiben, seiner Posteritaet dieses oder jenes reservi-
ret habe, der geleisteten Guarantie der pragmatischen Sanction
welche vollend alles aufhebe, gar nicht einmal zu ge=
dencken. Nachdem der Chevalier de Court weggegangen, und
Monsieur de la Faye mit seiner Gemahlin sich eingefunden
erhob sich zwischen ihm und der Marquise de Montbrun
wegen des Rouge derer Dames eine weitläufige Dispute
dawennnehmlich er die Zuläßigkeit deßelben, sie aber das Gegentheil
behauptete, darinn denn viel particularia von denen sen-
timens derer hiesigen Geistlichen mit einschlugen, und, weil
Monsieur de la Faye die Parthie der Molinisten gegen die Janse-
nisten nahm, die Gemüter dergestalt echauffiret wurden,
daß die Marquise, welche Schaden an ihrer schwächlichen Ge-
sundheit besorgte, ihm das Stillschweigen auferlegte. Als
wir nach seinem Abtritt gantz alleine bey der Marquise waren,
hatten wir mit ihr noch einen umständlichen und gantz erbau-
lichen Discours von dem Unterschied der weltlichen und der
wahren Freude, bey welcher Gelegenheit sie uns ihre Erziehung,
da sie bis ins 16de Jahr nichts als Tantzen, Singen und das Clavir-Spiel
gelernet, erzehlete, und es der freyen Gnade Gottes zuschrieb, daß sie
nachgehends durch Bücher und gute Leute zu einem Solidern Erkäntnis

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[0157] Den 10 Febr: Nach abgestattetem Gegen Besuch bey ietzt gedachten Bar. v. Rotenhan desgl: bey dem Graf Schönfeld, Hl. v. Zech u. H. v. Uffel, welche aber aller seits nicht zu Hause waren, passirten wir eine Stunde bey denen Printzen von Heßen, woselbst sich auch dHl. v. Böhmer u H. v. Wer- neck befanden, u. entretenirten uns mit denenselben von dem ehemals erwehnten Darmstädtl: Process gegen den Bischof von Metz, hatten auch Gelegenheit, denen Printzen wegen des Abster- bens ihres Groß-Oncles, des alten Landgrafen zu Butzbach zu condoliren. Es soll derselbe, ohnerachtet er bekantermaßen ca- tholisch gewesen, dennoch lutherisch gestorben seyn. Den gantzen übrigen Nachmittag und Abend waren wir bey der Marquise de Montbrun, woselbst der Chevalier de Court eine von dem Preußischen Minister erhaltene Frantzösische Deduction die Preußischen Ansprüche auf Schlesien betreffend, ablase, darin denn pro und contra raisoniret, endlich aber wider den König in Preußen hauptsächlich aus diesem Grunde decidiret wurde, weil des ietzigen Königs Groß-Vater, da er schon an der Regierung gewesen, mit dem Hause Oesterreich würcklich transigiret und es also nicht darauf ankomme, ob die Oesterreicher dabey intriguen gemacht, und ob sie ihm viel oder wenig davor gegeben, item: ob er mündlich, und ohne es dem Transa_ einzuverleiben, seiner Posteritaet dieses oder jenes reservi- ret habe, der geleisteten Guarantie der pragmatischen Sanction welche vollend alles aufhebe, gar nicht einmal zu ge= dencken. Nachdem der Chevalier de Court weggegangen, u. Mr de la Faye mit seiner Gemahlin sich eingefunden erhob sich zwischen ihm und der Marquise de Montbrun wegen des Rouge derer Dames eine weitläufige Dispute danehmlich er die Zuläßigkeit deßelben, sie aber das Gegentheil behauptete, darinn denn viel particularia von denen sen- timens derer hiesigen Geistlichen mit einschlugen, und, weil Mr: de la Faye die Parthie der Molinisten gegen die Janse- nisten nahm, die Gemüter dergestalt echauffiret wurden, daß die Marquise, welche Schaden an ihrer schwächlichen Ge- sundheit besorgte, ihm das Stillschweigen auferlegte. Als wir nach seinem Abtritt gantz alleine bey der Marquise waren, hatten wir mit ihr noch einen umständlichen und gantz erbau- lichen Discours von dem Unterschied der weltlichen und der wahren Freude, bey welcher Gelegenheit sie uns ihre Erziehung, da sie bis ins 16de Jahr nichts als Tantzen, Singen und das Clavir-Spiel gelernet, erzehlete, und es der freyen Gnade Gottes zuschrieb, daß sie nachgehends durch Bücher und gute Leute zu einem Solidern Erkäntnis

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/157>, abgerufen am 21.11.2024.