WOhin irret mein verwundeter Fuss, durch Dornen und dicht verwebete Sträuche? Himmel, welch schauerndes Entzüken! Die röthlichten Stämme der Fichten, und die schlanken Stämme der Eichen steigen aus wildem Gebüsche hervor, und tragen ein trauriges Gewölb über mir; Wel- che Dunkelheit, welche Schwermuth zittert ihr von schwarzen Aesten auf mich! Hier will ich mich hinsezen, an den holen vermoderten Eich- stamm, den ein Nez von Epheu umwikelt; hier will ich mich hinsezen, wo kein menschlicher Fusstritt noch hingedrungen ist, wo niemand mich findt, als ein einsamer Vogel, oder die summenden Bienen, die im nahen Stamm ihr Honig sammeln, oder ein Zephir, der in der Wildniss erzogen, noch an keinem Busen geflattert hat. Oder du, sprudelnder Bach, wohin rauschest du, an den
G 4
DER VESTE VORSAZ.
WOhin irret mein verwundeter Fuſs, durch Dornen und dicht verwebete Sträuche? Himmel, welch ſchauerndes Entzüken! Die röthlichten Stämme der Fichten, und die ſchlanken Stämme der Eichen ſteigen aus wildem Gebüſche hervor, und tragen ein trauriges Gewölb über mir; Wel- che Dunkelheit, welche Schwermuth zittert ihr von ſchwarzen Aeſten auf mich! Hier will ich mich hinſezen, an den holen vermoderten Eich- ſtamm, den ein Nez von Epheu umwikelt; hier will ich mich hinſezen, wo kein menſchlicher Fuſstritt noch hingedrungen iſt, wo niemand mich findt, als ein einſamer Vogel, oder die ſummenden Bienen, die im nahen Stamm ihr Honig ſammeln, oder ein Zephir, der in der Wildniſs erzogen, noch an keinem Buſen geflattert hat. Oder du, ſprudelnder Bach, wohin rauſcheſt du, an den
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DER VESTE VORSAZ.
WOhin irret mein verwundeter Fuſs, durch
Dornen und dicht verwebete Sträuche? Himmel,
welch ſchauerndes Entzüken! Die röthlichten
Stämme der Fichten, und die ſchlanken Stämme
der Eichen ſteigen aus wildem Gebüſche hervor,
und tragen ein trauriges Gewölb über mir; Wel-
che Dunkelheit, welche Schwermuth zittert ihr
von ſchwarzen Aeſten auf mich! Hier will ich
mich hinſezen, an den holen vermoderten Eich-
ſtamm, den ein Nez von Epheu umwikelt; hier
will ich mich hinſezen, wo kein menſchlicher
Fuſstritt noch hingedrungen iſt, wo niemand mich
findt, als ein einſamer Vogel, oder die ſummenden
Bienen, die im nahen Stamm ihr Honig ſammeln,
oder ein Zephir, der in der Wildniſs erzogen,
noch an keinem Buſen geflattert hat. Oder du,
ſprudelnder Bach, wohin rauſcheſt du, an den
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/108>, abgerufen am 03.03.2025.
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