NEin, für mich kein froher Tag! so rief der Fann, als er beym Morgenroth aus seinem Felsen taumelte. Seit mir die schönste Nymph' entfloh, hass' ich den Schein der Sonne; bis ich sie wie- der finde, soll kein Epheu-Kranz um meine Hör- ner sich winden, soll keine Blume rings um mei- ne Höle stehn; mein Fuss soll sie, noch ehe sie blühen, zertretten, und meine Flöte soll - - und diesen Krug soll er zertretten.
Izt zertrat sein Fuss, da kam ein andrer Faun, er hub den schweren Schlauch von seiner Schul- ter; Du rasest du, rief er, und lachte; heut, an dem frohen Tag, Lyeens Fest! Schnell wind' einen Epheu-Kranz um deine Hörner, und komme zu dem Fest, dem besten Tag im Jahr!
Nein für mich kein froher Tag, so sprach der Faun, ich schwöre! bis ich sie finde, soll kein
DER FAUN.
NEin, für mich kein froher Tag! ſo rief der Fann, als er beym Morgenroth aus ſeinem Felſen taumelte. Seit mir die ſchönſte Nymph’ entfloh, haſs’ ich den Schein der Sonne; bis ich ſie wie- der finde, ſoll kein Epheu-Kranz um meine Hör- ner ſich winden, ſoll keine Blume rings um mei- ne Höle ſtehn; mein Fuſs ſoll ſie, noch ehe ſie blühen, zertretten, und meine Flöte ſoll ‒ ‒ und dieſen Krug ſoll er zertretten.
Izt zertrat ſein Fuſs, da kam ein andrer Faun, er hub den ſchweren Schlauch von ſeiner Schul- ter; Du raſeſt du, rief er, und lachte; heut, an dem frohen Tag, Lyeens Feſt! Schnell wind’ einen Epheu-Kranz um deine Hörner, und komme zu dem Feſt, dem beſten Tag im Jahr!
Nein für mich kein froher Tag, ſo ſprach der Faun, ich ſchwöre! bis ich ſie finde, ſoll kein
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DER FAUN.
NEin, für mich kein froher Tag! ſo rief der
Fann, als er beym Morgenroth aus ſeinem Felſen
taumelte. Seit mir die ſchönſte Nymph’ entfloh,
haſs’ ich den Schein der Sonne; bis ich ſie wie-
der finde, ſoll kein Epheu-Kranz um meine Hör-
ner ſich winden, ſoll keine Blume rings um mei-
ne Höle ſtehn; mein Fuſs ſoll ſie, noch ehe ſie
blühen, zertretten, und meine Flöte ſoll ‒ ‒ und
dieſen Krug ſoll er zertretten.
Izt zertrat ſein Fuſs, da kam ein andrer Faun,
er hub den ſchweren Schlauch von ſeiner Schul-
ter; Du raſeſt du, rief er, und lachte; heut, an
dem frohen Tag, Lyeens Feſt! Schnell wind’ einen
Epheu-Kranz um deine Hörner, und komme zu
dem Feſt, dem beſten Tag im Jahr!
Nein für mich kein froher Tag, ſo ſprach der
Faun, ich ſchwöre! bis ich ſie finde, ſoll kein
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/105>, abgerufen am 03.03.2025.
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